Bischof Dr. Gebhard Fürst: „Medien – Kirche – öffentliche Meinung“

Freising

Sehr geehrte Mitbrüder im bischöflichen Amt,
sehr geehrter Pater Stefan Dartmann,
meine sehr geehrten Damen und Herren!

Auch ich möchte Sie alle beim 18. Internationalen Renovabis-Kongress willkommen heißen. Dass das Leitwort des Kongresses „Medien – Kirche – öffentliche Meinung“ Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus so vielen Nationen hierher nach Freising geführt hat, zeigt, dass das Thema über Ländergrenzen hinweg auf so großes Interesse stößt. Es verdeutlicht aber auch, wie sehr unsere Zeit von ihnen beeinflusst ist, ja, dass sie vielleicht sogar von den Medien geformt und gemacht wird. Insbesondere die neuen digitalen Kommunikationsmedien beeinflussen das Selbstbild vieler Menschen inzwischen ebenso wie zwischenmenschliche Beziehungen. Ich stelle zunehmend fest, dass sich vor allem junge Menschen bereits über ihren Mediengebrauch definieren. Aus dem Déscartes-schen „Cogito ergo sum“ – „Ich denke, also bin ich“ – ist heute vielfach ein „Ich kommuniziere digital, also bin ich“ geworden. Aber auch der öffentliche Raum – etwa in Fragen der gesellschaftlichen Selbstorganisation oder der politischen Diskussion – sieht sich von den Chancen und noch mehr von den Risiken des Netzes zunehmend herausgefordert.

Gabor Steingart, ehemaliger Chefredakteur des Handelsblatts beschreibt dies folgendermaßen: „Das globale Internet schafft eine Welt, deren Kennzeichen Dynamik, Veränderung, aber auch Schemenhaftigkeit sind. Wenn da eine neue Normalität entsteht, dann können wird sie erst in Umrissen erkennen.“[1]

Informationswege und Kommunikationsformen wandeln sich – nicht zuletzt aufgrund immer größerer technischer Entwicklungen mit immer rasanter werdender Geschwindigkeit. Wir befinden uns mitten in einer Revolution des Kommunikationsverhaltens!

Dieser Wandel hat weitreichende Folgen für das soziale Gefüge unserer Gesellschaft.[2] Er hat Einfluss auf die Berichterstattung und letztlich auf die Botschaft, die transportiert wird. Und ich bin mir darüber durchaus im Klaren, dass wir an Sprachfähigkeit verlieren, wenn wir uns als Kirche nicht mit den immer rascher voranschreitenden Entwicklungen auseinandersetzen. Durch bloßes Ignorieren verlieren wir Präsenz in der Öffentlichkeit, also folglich an Präsenz bei den Menschen!

Authentizität ist für mich die Antwort auf die Frage, nach dem Umgang mit den Medien. Authentisch sein, glaubwürdig, das ist unsere Aufgabe als Christen in dieser Welt. Dies schließt die Mediennutzung eindeutig mit ein! Und die Kirche muss sich nicht verbiegen. Glaubenserfahrung und Glaubensvermittlung sind an sich bereits Kommunikationsgeschehen. Die Kirche braucht nicht ängstlich sein, da ihr Kommunikation von Beginn an anvertraut ist.

Medien haben eine unverzichtbare Wächter-, Kontroll-, und Reflexionsfunktion für das kirchliche, politische und gesellschaftliche Leben. Printmedien wie elektronische Medien nehmen nicht nur eine Vermittlerfunktion wahr, sondern sind auch selbst Faktor für die politische Meinungsbildung und die gesellschaftliche Wertebildung.[3] Qualität muss deshalb unbedingt der Maßstab sein für das Verfassen und Erstellen von Beiträgen und Inhalten, sowie Richtschnur für das, was Beiträge und Inhalte ausmacht.

Betrachten wir die Entwicklung der verschiedenen Medienkanäle, dann stellt sich zunächst unwillkürlich die Frage, nach welchen Kriterien die Qualität von journalistischen Beiträgen beurteilt werden kann. Diese Entwicklung möchte ich an folgenden Kriterien deutlich machen:

Heribert Prantl, Journalist und Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung, schrieb kürzlich in einem Aufsatz: „Die wirklich große Gefahr für den Journalismus hierzulande geht vom Journalismus, von den Medien selbst aus – von einem Journalismus, der den Journalismus und seine Kernaufgaben verachtet; der Larifari an die Stelle von Haltung setzt; die Gefahr geht von Verlegern aus, die den Journalismus aus echten und vermeintlichen Sparzwängen kaputtmachen; sie geht von Medienunternehmern aus, die den Journalismus auf den Altar des Anzeigen- und Werbemarktes legen.“[4] Mit drastischen Worten hat Prantl bereits zwei Probleme benannt.
Einerseits schreibt Prantl die Probleme dem Journalismus selbst zu.
Diese Erkenntnis ist nicht neu. Erste Diskussionen darüber haben bereits in den 80er und 90er Jahren mit dem Aufkommen des kommerziellen Privatfernsehens eingesetzt.[5]
Das Zurückdrängen und langsame Sterben der klassischen Zeitungsformate mit ihren traditionellen Geschäftsmodellen und streng festgelegten Erscheinungszyklen, sowie die Ausbreitung neuer Informationsquellen und Kommunikationsformen im Internet haben diese Entwicklung noch weiter befördert. Schneller, schriller und oftmals auch schräger lautet heute leider oftmals die Devise im digitalen Zeitalter.[6]
Als Kirche ist es unsere Aufgabe und unser Grundauftrag zu reflektieren, auf welche Weise die Qualität des Journalismus erhalten und gefördert werden kann.

Doch nicht nur die Formate, sondern auch die Akteure haben sich verändert. Leser, Zuschauer, Hörer und User sind nicht mehr unbedingt auf Journalisten angewiesen. Eine Flut von Informationen ist frei zugänglich, doch erreichen diese den Nutzer oftmals bereits personalisiert und inhaltlich durch Suchmaschinen oder das selbst gewählte Nachrichten- und Beziehungsnetz vorsortiert (Stichwort: Filterblase). Die Kunst besteht deshalb vor allem darin, das Richtige zu finden und die einzelne Information richtig zu bewerten. Rezipienten sind heute zudem auch gleichzeitig potentielle Autoren. Besonders deutlich ist dies in den sozialen Netzwerken, denn dort stehen inhaltlich breit recherchierte Nachrichten und persönliche Kommentierungen unvermittelt nebeneinander.

Die Freiheits- und Demokratieversprechen, die uns noch vor 15 Jahren durch die Schlüsselfiguren der Phase der New Economy gegeben wurden, haben sich leider nur in Ansätzen erfüllt. Die New Economy- ein schillernder Begriff – der für eine Phase Ende der 90-Jahre steht und der allen Wachstum und Wohlstand durch technologische Innovation und die Befriedung der Welt durch eine fortschreitende Verbürgerlichung bringen sollte. Sicherlich haben Medien politischen und gesellschaftlichen die Aufbrüche in vielen Ländern orchestriert. (z.B. beim sog. Arabischen Frühling).

Doch die Ereignisse um Edward Snowden haben uns auch den Spiegel vor Augen gehalten und gezeigt, dass nahezu jeder Bereich unseres Lebens im Einzugsbereich von Maschinen liegt, die Daten sammeln, auswerten und weiterverbreiten, ob wir wollen – oder nicht. Wer das Netz nicht selbst füttert, wird von Geheimdiensten, Behörden, Firmen oder sogar von Mitmenschen mit oder ohne explizites Einverständnis erfasst, ausspioniert und im schlimmsten Fall sogar entblößt. Ist die Welt in den vergangenen Jahren unversehens in die Ära der Post Privacy, des Endes der Privatheit hineingeschliddert? Und so reden wir in Bezug auf den Einzelnen vom Ende des Privaten und erleben derzeit vor allem in den Kriegs- und Krisenherden in Osteuropa, im Nahen und Mittleren Osten und in Afrika auf unterschiedlichste Weise medial vermittelt Szenarien, die weit entfernt sind von den optimistisch-visionären Freiheits- und Demokratieversprechen der vergangenen Jahre.

Der Journalist Sascha Lobo, Aushängeschild der deutschsprachigen Bloggerszene, schrieb sogar Anfang des Jahres in einem Beitrag der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung: „Das Internet ist nicht das, wofür ich es gehalten habe. Es (das Internet) ist kaputt, die Idee der digitalen Vernetzung ist es nicht.“[7] Er habe sich geirrt, bekennt Lobo, und zwar auf die für Experten ungünstigste Art, durch Naivität! Wie groß die Verunsicherung auch auf der politischen Ebene ist, zeigt der Entwurf eines neuen IT-Sicherheitsgesetzes, den Bundesinnenminister Thomas De Maizière kürzlich vorgestellt hat und der seither von allen Seiten kontrovers diskutiert wird. Der Entwurf enthält unter anderem die Regelung, einer Meldepflicht von Cyberangriffen für Unternehmen.

Diese Szenarien habe ich bewusst so zugespitzt skizziert, um zu verdeutlichen, wo wir in Bezug auf die Mediennutzung genau hinschauen müssen:

Die Kirche ist mehr, als ein weiterer Global Player: Unsere Aufgabe als Kirche ist, es zusammen mit den Verantwortungsträgern in Politik und Gesellschaft mit einer fundierten und reflektieren Position am medienkritischen Diskurs teilzunehmen. Christliche Medienethik ist Dienst am Menschen![8]Die Pastoralkonstitution Gaudium et Spes verpflichtet die Kirche „allzeit (…) nach den Zeichen der Zeit zu forschen und sie im Licht des Evangeliums zu deuten.“ (GS 4) Diese hier grundgelegte Verpflichtung zur kritischen Zeitgenossenschaft verpflichtet die Kirche folglich auch, Teilhabe und Teilnahmemöglichkeiten für möglichst viele Menschen weltweit zu schaffen, sich für die Freiheit der Medien und eine unabhängige und möglichst objektive Berichterstattung einzusetzen, Medienkompetenz zu fördern sowie medienpädagogische Möglichkeiten zu schaffen und Maßnahmen zu ergreifen. Um medienpädagogische Initiativen zu bündeln und zu profilieren, um Medienpädagogik an die Menschen zu bringen, hat die Deutsche Bischofskonferenz vor zwei Jahren die Clearingstelle Medienkompetenz an der katholischen Fachhochschule in Mainz gegründet.

Ich verstehe es als unsere Aufgabe und unseren Auftrag, Medien mit Leben zu füllen und für dieVerkündigung des Glaubens zu nutzen: Das gelingt uns einerseits als Institution mit aktuellen Nachrichten und qualitätsvollen, journalistisch hochwertigen Beiträgen. Daran arbeiten eine Vielzahl an Radio-, TV-, Print- und Onlineredakteuren auf Ebene der Deutschen Bischofskonferenz, über die Bistümer und Verbände, bis hin zu einzelnen Kirchengemeinden. Und wir müssen wir neue Wege einschlagen, wenn wir die neuen, die sogenannten sozialen Medien, mit unserer Botschaft und letztlich mit Leben und dem Geist des Evangeliums füllen wollen.

Ich bin nicht ängstlich, wenn ich in die Zukunft und auch in die damit verbundenen Medienentwicklungen sehe. Der Spiegel fragte vor einigen Wochen in einem Artikel: „Das Internet verändert die Welt – aber wer formt das Internet?“[9] Hier sehe ich uns Christen in der Pflicht! Hier müssen wir unsere Verantwortung zielführend wahrnehmen! Der Mensch ist Subjekt der sozialen Kommunikation, der in liebender, von Gott bejahter Kommunikation erst wirklich Mensch werden kann. So verstanden ist mediale Kommunikation sicherlich ein Segen! Tun wir alles, damit sie mehr Segen als Unheil verbreitet!

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

 

Anmerkungen

[1] Gabor Steingart: Das Ende der Normalität, München 2011, S. 100.

[2] Gebhard Fürst: Vorwort zu Virtualität und Inszenierung, Medienethisches Impulspapier der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn 2011, S. 5.

[3] Vgl. Gernot Lehr, Kampagnenjournalismus oder Verdachtsberichterstattung, in Communicatio Socialis, Nr. 3-4, 2013, S. 390.

[4] Heribert Prantl: Vorwort in Hermann Kurz: Das freye Wort. Tübingen 2013.

[5] Ottmar Fuchs: Kirche, Kabel, Kapital – Standpunkte einer christlichen Medienpolitik, Münster 1998, S.31ff.

[6] Claudia Nothelle, Vorsicht Falle! In: Communicatio Socialis, 46. Jg. 2013, Heft 3-4, S. 432.

[7] Sascha Lobo: Abschied von der Utopie – Die digitale Kränkung des Menschen, FAS, 11.01.2014, http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/abschied-von-der-utopie-die-digitale-kraenkung-des-menschen-12747258.html?printPagedArticle=true

[8] Vgl. Bischof Gebhard Fürst, Vorwort zu Virtualität und Inszenierung, Bonn 2012, S. 7.

[9] Die Welt des Eric Schmidt – Google Manager bei Tech-Konferenz-SXSW, der Spiegel, 8. März 2014.

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