Bischof Dr. Gebhard Fürst: Neujahrsansprache 2019

Nicht Lähmung und Hoffnungslosigkeit dürfen Christen befallen, sondern tatkräftige Zuversicht muss uns erfüllen. Aus dem Geist der christlichen Botschaft gilt es neue Energie zu entfalten.

Stuttgart

Verstörende Zeiten – Tatkräftige Zuversicht

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Alle haben es erlebt: Das Jahr 2018 war das sonnigste und heißeste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnung im Jahr 1851. Eine wirkliche Heißzeit! Die heißesten Tage 2018 habe ich in Rom im August erlebt, bei der internationalen Ministrantenwallfahrt.

Aus der Diözese waren von unseren insgesamt 36 000 Ministranten und Ministrantinnen 6000 mit dabei. Es war ein fröhliches Treffen: mit einer Audienz bei Papst Franziskus auf dem Petersplatz, mit viel Kultur, mit dem Besuch der sieben Hauptkirchen Roms und italienischem Flair.
Zum gemeinsamen Abschlussgottesdienst waren alle in St. Paul vor den Mauern versammelt. Dies zu erleben, war eine überaus große Freude für mich und für alle, die dabei waren.

Die Ministrantenwallfahrt war ein erfüllendes Ereignis. Dennoch beginne ich meine Neujahrsansprache mit dem Wort verstörende Zeiten!
Verstörende Zeiten waren es im Jahr 2018.
Das Schlimmste, was noch passieren könnte, wäre, wenn die Erfahrungen dieser verstörenden Zeiten uns lähmten. – Nein, im Gegenteil! Was wir erleben, muss uns alle bewegen, aufzuwachen. Gerade wir Christen müssen aufstehen und aus dem Potential an Hoffnung, das in der biblischen frohen Botschaft liegt, aufstehen und handeln: für die Menschen, für die Welt, für das Gemeinwohl.[1]

Nicht Lähmung und Hoffnungslosigkeit dürfen Christen befallen, sondern tatkräftige Zuversicht muss uns erfüllen. Aus dem Geist der christlichen Botschaft gilt es neue Energie zu entfalten.
In dem wunderbaren Dokument der zehn Jahre nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil zusammengerufenen und aus Laien und Klerikern zusammengesetzten Würzburger Synode, steht der Satz: „‚Die Welt‘ braucht keine Verdoppelung der Hoffnungslosigkeit durch Religion; sie braucht und sucht das Gegengewicht, die Sprengkraft gelebter Hoffnung. Und was wir ihr schulden ist dies: das Defizit an anschaulich gelebter Hoffnung auszugleichen. In diesem Sinn ist schließlich die Frage nach unserer Gegenwartsverantwortung und Gegenwartsdeutung die gleiche wie jene nach unserer christlichen Identität: Sind wir, was wir im Zeugnis unserer Hoffnung bekennen?“[2]

Aber es ist nicht einfach, sehr geehrte Damen und Herren, zuversichtlich zu handeln. Besonders nicht angesichts der erschreckenden Zahlen von Opfern und Tätern sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche, die im letzten Jahr bekannt geworden sind.

Sie wissen, dass ich sofort nach Bekanntwerden der Ergebnisse der sognannten MHG-Studie der Deutschen Bischofskonferenz zusammen mit der Vorsitzenden der Kommission sexueller Missbrauch und der Präventionsbeauftragten im Haus der katholischen Kirche in Stuttgart eine Pressekonferenz abgehalten habe. Die Öffentlichkeit – außerhalb und innerhalb der Kirche – hatten ein Recht zu erfahren, wie es in der Diözese Rottenburg-Stuttgart aussieht mit den Opfern und den Tätern und mit der Aufarbeitung und mit der künftigen Verhinderung, der Prävention, solcher bösen Taten.

Was ist gegenwärtig und künftig zu tun?

Vieles! Und eines vor allem: Wir, diejenigen, die mit mir in der Diözese Verantwortung tragen, müssen mit all den zur Verfügung stehenden Mitteln dafür sorgen, dass solch schlimme Taten nicht wieder geschehen.
Die Hauptaufgabe heißt Fortführung, Weiterentwicklung und Intensivierung der Prävention sexuellen Missbrauchs. Dazu ist Wachsamkeit und entschiedenes richtiges Handeln notwendig.
Nach sorgfältigen Konzeptions- und Abstimmungsprozessen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart konnte bereits 2012 die Stabsstelle Prävention, Kinder- und Jugendschutz als dauerhafte Stelle im Bischöflichen Ordinariat ihre Arbeit aufnehmen.

Ziel von Prävention in unserer Diözese, in Ordensgemeinschaften, kirchlichen Institutionen und Verbänden ist es gemäß der Präventionsordnung der Diözese Rottenburg-Stuttgart (2015): „eine neue Kultur des achtsamen Miteinanders und der Verantwortung für sich selbst und für Andere zu entwickeln.“

Die Stabstelle „Prävention, Kinder- und Jugendschutz“ ist zuständig für die Zielfindung, Planung und Steuerung der Präventionsaktivitäten und für die Weiterentwicklung verbindlicher Qualitätsstandards für die Prävention von sexualisierter Gewalt an Minderjährigen und erwachsenen Schutzbefohlenen. Sie koordiniert darüber hinaus Aktivitäten selbständiger Träger in der Diözese.[4]
Die Arbeit der Stabstelle hat zwei Zielrichtungen und zwei Zielgruppen: Zum einen die direkte Unterstützung für Kirchengemeinden und der Dekanate und zum anderen die Koordination der Präventionsaktivitäten der selbständigen Träger in der Diözese.
Es gibt von Beginn an eine enge Zusammenarbeit mit dem Diözesan-Caritasverband, dem Bund der Deutschen Katholischen Jugend und der Stiftung Katholische Freie Schule im „Diözesanen Präventionsnetzwerk“. Diese drei sowie die Frauenorden in der Diözese und der katholische Sportverband DJK sind schon länger aktiv als es die Stabstelle gibt.

Im Einklang mit fachlichen und zum Teil gesetzlichen bundesweiten Standards und der novellierten Rahmenordnung Prävention der Bischofskonferenz aus dem Jahr 2013 wird an der Entwicklung und Umsetzung von zahlreichen, verschiedenen institutionellen Schutzkonzepten gearbeitet.
Von allen Klerikern und Laien im pastoralen Dienst wurden bereits 2011 die erweiterten Führungszeugnisse eingesehen. Die Wiedervorlage wurde 2016/17 bei mehr als 3.800 Beschäftigten durchgeführt. Auch selbständige Träger kirchlicher Einrichtungen fordern erweiterte Führungszeugnisse von ihren haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitenden an.

Von 2014 bis 2016 wurden im Rahmen von 40 dezentralen Veranstaltungen in allen 25 Dekanaten insgesamt ca. 1.600 pastorale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fortgebildet. Durchgeführt wurden sie jeweils von der Präventionsbeauftragten unserer Diözese in Kooperation mit Referenten und Referentinnen lokaler Fachberatungsstellen.[5]

Verpflichtende Präventionsfortbildungen sind werden in Kürze im „Bischöflichen Gesetz über Fortbildungen zur Prävention von sexuellem Missbrauch“ festgeschrieben. In den kommenden fünf Jahren sollen demnach 15.000 Beschäftigte und zusätzlich viele tausend Ehrenamtliche nach einheitlichen Standards sensibilisiert werden.
Achtsamkeit und verantwortliches Handeln bleiben dauerhaft und überall notwendig.

Meine Damen und Herren, ich möchte in diesem Zusammenhang eine Anregung an nichtkirchliche, also an staatliche oder gesellschaftliche Einrichtungen oder andere Akteure weitergeben. Ich schlage vor, eine Zertifizierung von Einrichtungen zu ermöglichen, die sich in der Prävention sexuellen Missbrauchs angemessen und kompetent verhalten. Hierzu müssten von einem unabhängigen Gremium von Fachleuten Standards entwickelt werden. Die Zertifizierung würde bescheinigen, dass in den entsprechenden kirchlichen oder anderen Einrichtungen nach diesen Standards verfahren und gehandelt wird. Es gibt in anderen Bereichen bereits Vorbilder solcher frei vergebenen Zertifizierungen.[6]

Weitere Maßnahmen, um den Empfehlungen des Forschungsprojekts der MHG-Studie zu entsprechen, haben wir im Blick. Wenn Sie interessiert sind, können Sie die weiteren Schritte auf unserer Homepage www.drs.de. mitverfolgen.

Meine Damen und Herren, das Jahr 2018 gab aber in manch anderen Bereichen auch Anlass dankbar zu sein.

So konnten wir mit großer Freude das 50. Jubiläum der besonderen ortskirchlichen Verfassung der Diözese Rottenburg-Stuttgart feiern. Diese in der katholischen Weltkirche unverwechselbare Verfassung einer Ortskirche umfasst besondere Räte und Gremien. Diese Räte und Gremien garantieren Partizipation, Mitwirkung und Mitgestaltung durch die von den Kirchenmitgliedern gewählten Frauen und Männern. Dies gibt der Diözese von Rottenburg-Stuttgart ein unverwechselbares Gesicht. Für diese teilkirchliche Verfassung unserer Diözese Rottenburg-Stuttgart steht seit nunmehr 50 Jahren der Name „Rottenburger Modell“.[7]
In der Zeit des Pontifikats von Franziskus und seiner Bemühung um eine synodale Kirche erfährt diese Verfassung unserer Ortskirche eine ganz neue Aktualität.

Dass die Katholische Kirche lange in ihrem Aufbau allein das hierarchische Prinzip in den Vordergrund stellte, ist kein Geheimnis. Eine Änderung trat mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil ein. Das Konzil erneuerte das frühkirchliche Verständnis von Kirche und hat Kirche wieder neu als Volk Gottes und als Gemeinschaft der Glaubenden verstehen gelehrt. Die gemeinsame Verantwortung aller Glieder der Kirche für das kirchliche Leben und die Verkündigung des Evangeliums wurde damit eindrucksvoll herausgestellt.

Das Konzil verabschiedete ganz konkrete praktische Umsetzungen dieses neuen Kirchenverständnisses. So wurden geeignete Instrumente dieser sich differenziert gestaltenden Verantwortung aller in verschiedenen Aufgaben und Gremien beschlossen.

Die vom Konzil angeregten Gremien auf Diözesanebene sind: der Rat der Priester, der aus Laien zusammengesetzte Diözesanpastoralrat und der ebenfalls aus Laien zusammengesetzte Katholikenrat. In Rottenburg-Stuttgart sind diese drei verschiedenen Räte zum Diözesanrat zusammengefasst.
Darüber hinaus ergänzen in unserer Diözese die gewählten Dekanatsräte und die gewählten Kirchengemeinderäte diese ortskirchliche Verfassung auf der Ebene der Dekanate und auf der Ebene der Kirchengemeinden und ihrer Kooperationsverbünde.

Mit dem Rottenburger Modell sind wir trotz aller noch nicht ausgereifter Facetten auf dem richtigen Weg, um der vom Konzil gewollten stärkeren synodalen Ausrichtungen der Kirche Geltung zu verhelfen und so den Ansprüchen unserer Zeit bezüglich Partizipation und Transparenz zu entsprechen.[8]

Im Jahr 2018 hatten wir noch ein anderes besonderes Ereignis dankbar zu begehen. Am 3. November haben wir das 50. Jubiläum der ersten Weihe ständiger Diakone in der Diözese Rottenburg-Stuttgart mit einem festlichen Gottesdienst und einem Festakt im Bürgerschloss in Stuttgart gefeiert.[9]
Durch ihren Dienst haben verheiratete Diakone heute ihren Platz mitten in der Gesellschaft und vor allem dort, wo Kirchengemeinden, wo die Seelsorge, wo das gelebte Evangelium noch nicht oder nicht mehr ist: nämlich bei den Menschen in schwierigen existentiellen Situationen, an den Rändern oder im Schatten unserer Gesellschaft. Diakone sind Anwälte und glaubwürdige Repräsentanten einer diakonischen, einer den Menschen dienlichen und dienenden Kirche.
Heute sind fast 300 Diakone in der Seelsorge tätig. Jeder einzelne Diakon bereichert auf seine Weise unsere Pastoral. 50 Jahre Diakonat ist ein Segen für unsere Ortskirche und weit darüber hinaus.

Lassen Sie mich noch zwei weitere Schritte einer Kirchenreform weitergeben.

In seinem Schreiben ‚Amoris laetitia‘, die ‚Freude der Liebe‘ spricht Papst Franziskus mit großem Einfühlungsvermögen über die vielfältigen Situationen von Ehe und Familie. Er benennt den Schmerz der Scheidung, der insbesondere dann groß ist, wenn Mann und Frau durch das unauflösliche sakramentale Band der Ehe miteinander verbunden sind.
Nach meinem Brief zur Fastenzeit 2017 über die Ehe- und familienpastoral haben wir nun eine Handreichung erarbeitet für die Priester, Seelsorgerinnen und Seelsorger und für die, die in den Gemeinden und verschiedenen Einrichtungen der Ehe- und Familienberatung tätig sind. Diese Handreichung trägt die Überschrift: „Auf der Suche nach einem christlich verantworteten Leben nach Scheidung und Wiederverheiratung“. In dieser Handreichung geht es um die Frage, wie die Betroffenen wiederverheiratet Geschiedenen zu einer guten, fundierten, reflektierten Entscheidung kommen können, die ihnen hilft, ihr Leben im Licht des Evangeliums zu gestalten – auch in Bezug auf die Frage des Sakramentenempfang. – Für Interessierte liegt die Handreichung am Ausgang aus.

Um die Frage des Empfangs der Sakramente, vor allem um die gemeinsame Teilnahme an der Eucharistie geht es bei den konfessionsverbindenden Ehepaaren.
Auch hierzu liegt eine neue Handreichung vor. Christen, die in einer konfessionsverbindenden Ehe verheiratet sind, sind ebenfalls eingeladen, das Gespräch mit den Seelsorgern vor Ort zu suchen. Das Gespräch soll die Ehepaare in ihrer Gewissensentscheidung unterstützen, die Kommunion zu empfangen. Ein wichtiger Schritt im ökumenischen Miteinander ist damit getan. – Auch diese Handreichung liegt aus.

Doch jetzt zu einem ganz anderen Thema:

An Heiligabend 1968 vor 50 Jahren machten die Astronauten der Apollo 8-Mission eine begeisternde Erfahrung: Zweimal hatte das Raumschiff den Mond schon umkreist, da änderte der Kommandant ein klein wenig dessen Ausrichtung – und traute seinen Augen nicht. „Oh Gott! Seht euch dieses Bild an“, rief er. „Hier geht die Erde auf“
„Wir – sagte der Astronaut Anders – wir flogen zum Mond, um ihn zu entdecken. Aber was wir wirklich entdeckt haben, ist die Erde.“[10]
Dieses Bild veränderte die Sicht der Menschheit auf unseren Planeten. Es wurde zum Symbol für die Fragilität der Erde und wird von vielen als Auslöser für die Umweltbewegung angesehen.[11]

Liebe Gäste, diese unsere Erde, unsere Heimat, befindet sich in einer dramatischen ökologischen Krise. Die Erde ist ernsthaft bedroht von der Klimaerwärmung mit all ihren Konsequenzen. Der Klimawandelt findet statt. Er wirkt sich schon jetzt aus. Und er wird sich in den nächsten Jahrzehnten weiter bedrohlich auswirken. Leider hat auch die UN-Klimakonferenz von Kattowitz – 2018 – nur unzureichende Ergebnisse erzielt. Die Ergebnisse sind enttäuschend angesichts der mutlosen Zusagen konkreterer Maßnahmen, die CO2-Emissionen zu senken.

Ich möchte mich in diesem Kontext besonders dem klimazerstörerischen Umgang der Menschen mit der Energiegewinnung aus nicht erneuerbaren fossilen Energieträgern widmen.
Der Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber hat hierüber ein aufrüttelndes Buch geschrieben, es trägt den Titel: Selbstverbrennung – Die fatale Dreiecksbeziehung zwischen Klima, Mensch und Kohlenstoff. Schellnhuber ist Gründungsdirektor des Potsdamer Instituts für Klimaforschung und Professor für theoretische Physik an der Universität Potsdam sowie am Santa Fe Institute in den USA.
Die Bildgestaltung auf dem Cover seines Buches zeigt einen übergroßen MenschGott. Er trägt den Planeten Erde, der ein Glutball geworden ist. Damit soll im Bild drastisch ausgedrückt werden, dass der Mensch, der sich als Herr von allem sieht, letztlich die Erde verbrennt und damit sich selbst zerstört.

Meine Damen und Herren, Hans-Joachim Schellnhuber ist kein Fantast. Als international führender Experte auf dem Gebiet des Klimawandels fragt er: Geht das Zeitalter unserer Zivilisation nach wenigen Jahrtausenden schon zu Ende? Gegenwärtig – so stellt Schellnhuber fest - befindet sich die Menschheit auf direktem Weg ins selbst entfachte Feuer. Die „Diktatur des Jetzt“ befiehlt unentwegtes Wirtschaftswachstum durch exzessiven Konsum von Gas, Öl und Kohle. So stoßen wir massenhaft Treibhausgase aus und heizen das Erdsystem in nie dagewesener Weise auf. Der Preis: Klimachaos und die Gefährdung der natürlichen Lebensgrundlagen des Homo Sapiens. Unsere Entscheidungen hier und heute bestimmen weltweit das Schicksal der kommenden Generationen.

Doch die gleichsam kollektive Selbstverbrennung aus Gier und Torheit – schreibt Schellnhuber – ist immer noch abzuwenden. Denn paradoxerweise sind bereits alle technischen und ökonomischen Voraussetzungen für einen Kurswechsel zur globalen Nachhaltigkeit gegeben. Jetzt müssen nur Wissen und Wollen zusammenkommen.
Sein Buch beendet er mit einem Blick in die menschliche Seele, in der der Schlüssel zur Bewältigung der größten Krise der Moderne liegt.
Schellnhuber schreibt: „Je tiefer man in die Klimaproblematik eindringt, desto deutlicher wird, dass diese beispiellose Zivilisationskrise nur durch die Verbindung von Glaube und Vernunft bewältigt werden kann. Wenn also Spiritualität und Intellektualität Hand in Hand gehen, ganz gleich, ob sich das Paradies im Diesseits oder im Jenseits befindet, es wird jeden Tag offenkundiger, dass wir dabei sind, es im Namen des Fortschritts zu verspielen.“[12]
Und einige Abschnitte weiter schreibt er: „Dieses Buch spricht somit, ebenso wie die Enzyklika Laudato Sí von Papst Franziskus, nicht von einer fernen, mystischen Apokalypse, sondern von einem nahen, profanen Desaster, auf das unsere Zivilisation starrsinnig zusteuert.“[13]
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das bedeutet für die Kinder, die in diesen Jahren geboren sind, dass sie im Laufe ihres Lebens die dramatischen Auswirkungen unseres derzeitigen Verhaltens am eigenen Leib und Leben deutlich erleiden müssen. Wollen wir das den kommenden Generationen zumuten?

Liebe Damen und Herren, nach christlichem Verständnis ist der Mensch kein sich selbstüberschätzender Beherrscher der Erde, sondern als derjenige, dem die Erde als Treuhänder von seinem Schöpfer überlassen ist.
Als Motivation für unser Handeln gelten für Christen die biblischen Schöpfungserzählungen. Insbesondere der Vers aus dem Zweiten Schöpfungsbericht: „Gott, der Herr nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten von Eden, damit er ihn bebaue und hüte – und nicht zerstöre.“[14] Der Mensch ist nicht Herr über die Schöpfung, er ist ihr Hüter und Bewahrer. Er hat einen Gestaltungsauftrag und er den Schöpfer-Gott als Auftraggeber. Der Mensch ist nicht Shareholder der Schöpfung, sondern Treuhänder.

Wir sind also alle in Verantwortung genommen schöpfungsfreundlich zu handeln. Deshalb hat die Diözese Rottenburg-Stuttgart die pastorale Leitidee schöpfungsfreundliche Kirche entwickelt und verfolgt sie schon seit vielen Jahren.

Wir dienen dem Schutz des Klimas und gestalten mit unserem Beitrag den Planeten Erde als bewohnbares Haus. Einige Aktivitäten unserer Ortskirche Rottenburg-Stuttgart im Zeichen eines entschiedenen Klimaschutzes stelle ich Ihnen vor.
Im Jahr 2007 haben wir in unserer Diözese im Rahmen unseres Selbstverständnisses als schöpfungsfreundliche Kirche eine diözesane Klimainitiative ergriffen.
Ein bereits im Jahr 2008 eingerichteter Nachhaltigkeitsfonds ist mit über 12 Millionen Euro ausgestattet. Die Gelder werden genutzt, um Gebäude im kirchlichen Besitz energetisch zu optimieren. Wir fördern damit die Verwendung regenerativer Energien wie Sonnenenergie, Biomasse, Wasser und Wind, sowie den Einsatz moderner und hocheffizienter Technologien wie etwa die Kraft-Wärme-Koppelung.
Wir haben den Franziskuspreis eingeführt, mit dem vorbildliche Klimaschutzprojekte in unserer Ortskirche ausgezeichnet werden.

2017 haben die beiden katholischen Diözesen und die beiden evangelischen Landeskirchen in Baden-Württemberg ein Bündnis für Klimagerechtigkeit geschlossen. Nach unserer Überzeugung erfordern die Folgen des Klimawandels ein auf Dauer angelegtes, gemeinsames, christliches Engagement. Mit diesem Bündnis haben wir dafür einen strukturellen Rahmen geschaffen. Ziel ist es, das Handeln für den Klimaschutz im jeweils eigenen konfessionellen Umfeld zu verstärken, kooperative Projekte lokal und global umzusetzen sowie in Politik und Gesellschaft gemeinsame Positionen geltend zu machen.

Ein weiteres Projekt hat die Diözese Rottenburg-Stuttgart Ende des Jahres 2017 vorgestellt: ein neues, integriertes Klimaschutzkonzept mit dem wir in den kommenden Jahren unseren Beitrag leisten können, den Klimawandel zu begrenzen. Wir stellen uns ganz ausdrücklich hinter die Selbstverpflichtung, die die Weltgemeinschaft mit dem Klimaschutzabkommen von Paris eingegangen ist: nämlich die Begrenzung des weltweiten durchschnittlichen Temperaturanstiegs auf unter zwei Grad und das Ziel weltweiter Klimaneutralität bis zum Jahr 2050“.[15][16]

Meine Damen und Herren, das sind ehrgeizige Ziele. Wir haben die Wahl: Entweder tatkräftiges Handeln zur Bewahrung und Gestaltung der Schöpfung oder bequemes Weiter wie bisher mit der Zerstörung der Erde als Konsequenz.

In meinem dritten und letzten Hauptabschnitt möchte ich noch einige Vorhaben in der ersten Hälfte des Jahres 2019 vorstellen.

Neben der Bewältigung der dramatischen ökologischen Krise ist die Bewältigung der Phase einer rasanten weltweiten Digitalisierung die zweite große Herausforderung, vor der die Menschheit insgesamt steht. Um hier die Zukunft menschenwürdig zu gestalten, bedarf es einer umfassenden Zusammenarbeit verschiedenster Akteure.

Ein umfassendes Kooperationsprojekt, das schon im Entstehen ist, knüpft an meine in der Neujahrsansprache 2018 skizzierten Chancen und Risiken der Digitalisierung an und wird einen Beitrag leisten, die Würde des Menschen, seine Personalität und die Humanität unserer Zivilisation im digitalisierten Zeitalter zu gewährleisten.
Von nichtkirchlichen Akteuren aus Wirtschaft und Politik gibt es ein öffentlich bekundetes großes Interesse, dass sich Kirchen mit ihrem umfassenden Wissen um den Menschen und seine Würde in die Bewältigung dieser großen, sich uns allen weltweit stellenden Aufgabe einbringen.  Die Zeit drängt und Europa ist herausgefordert, seine Werteorientierung in die globalen Digitalisierungsprozesse einzubringen.[17]  Denn meine Damen und Herren, in der durchdigitalisierten Welt können wir unsere Freiheit und Menschenwürde verspielen.
Ich werde in diesem Sinne deshalb noch im Januar einen Beauftragten für Digitalisierung und Menschenwürde und humane Kommunikation ernennen, der dieses interdisziplinäre Kooperationsprojekt initiieren und begleiten wird. Das Alleinstellungsmerkmal dieses Projekts besteht darin, alle Interessenten, Experten, Wissenschaftler, Theologen und Betroffene aus Kirche und Gesellschaft zusammenzuführen, um zu bewirken, menschliche Freiheit und Personenwürde zu sichern.

Am 13. April 2019 werden wir im Haus der Katholischen Kirche ein besonderes Highlight erleben. DerGeschichtsverein der Diözese Rottenburg-Stuttgart wird mit einem zweibändigen Werk die Geschichte der katholischen Diözese in Württemberg umfassend präsentieren.
In den beiden Büchern beleuchten zahlreiche renommierte Historiker die Diözesangeschichte im Kontext der Geschichte des Südwestdeutschen Raumes vom Anfang der Christianisierung bis in die Entstehung der Diözese Rottenburg und in ihre Gegenwart.
Erst aus dem Wissen um die eigene Geschichte wächst die Orientierung für eine tatkräftige Gestaltung unserer Zukunft. - Schon heute möchte ich Sie herzlich zu dieser Veranstaltung am 13. April ins Haus der Katholischen Kirche einladen.

Vom 23. bis 26. Mai finden in Deutschland die Europawahlen statt.
Aus diesem Anlass möchten wir in unserer Diözese eine Kampagne für die Beteiligung an den Wahlen zum Europäischen Parlament starten. Das Europäische Parlament wird in den nächsten Jahren Europa wesentlich mitgestalten. Deshalb ist eine proeuropäische, dem aufkeimenden Nationalismus und populistischen Tendenzen keinen Raum gebende Zusammensetzung des Parlamentes höchst wünschenswert, ja für die Gestalt des derzeitigen Europa eine Frage des Überlebens.
Durch die Diözese Rottenburg führt der vom Europarat 2005 gegründete Europäische Martinsweg von Ungarn ausgehend, – dem Geburtsland des Heiligen Martin - durch Österreich, durch Deutschland und Luxemburg nach Tour in Frankreich.
Um ein entsprechendes proeuropäisches Bewusstsein zu unterstützen und zur Beteiligung an der Wahl zu mobilisieren, werden wir auf dem gesamten Europäischen Martinsweg am 11. Mai und am 18. Mai je auf verschiedenen Wegabschnitten und unterschiedlichen Orten europaweit den Martinsweg unter dem Motto gehen: Pilgern für Europa im Geist des Martin von Tours. Martin von Tours war einer der ganz Großen am Beginn des christlich orientierten Europa: Er ist eine „Ikone der Nächstenliebe“ (Papst Benedikt XVI), Gott und den Menschen zugewandt in einer Welt von Unfrieden und Machstreben. Er ist für Europa eine „Leitfigur des Teilens“, wie Heribert Prantl ihn am 11. November 2017 in der Süddeutschen Zeitung genannt hat.
Zusammen mit den Martinusgemeinschaften, die es in allen Ländern gibt, durch die die Via sancti martini verläuft, wollen wir dieses gemeinsam durchführen und koordinieren. Auch hierzu ist, wer möchte, herzlich eingeladen.

Meine Damen und Herren, die Welt braucht nicht „die Verdoppelung ihrer Hoffnungslosigkeiten“, sondern das Zeugnis begründeter Hoffnung in zuversichtlicher Tatkraft. Dann wird im Handeln anschaulich gelebte Hoffnung sichtbar, derer wir alle bedürfen. Wo aus der Deutung der Gegenwart in praktischen Zeichen tatkräftiger Zuversicht Verantwortung wahrgenommen wird, da sind wir auf guten Wegen.
Dass Sie in ihrem Leben die Liebe Gottes erfahren und spüren und immer wieder neu den Nächsten lieben, so wie sie sich selbst lieben, dafür erbitte ich Gottes Segen!

Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Jahr 2019!

 

ANMERKUNGEN

[1] Von Thomas von Aquin, einem der größten Lehrer der Kirche, stammt der Satz: „Es ist unmöglich, dass ein Mensch gut sei, außer er stehe im rechten Bezug zum gemeinen Wohl.“

[2] Gemeinsame Synode der Bistümer in Deutschland. Offizielle Gesamtausgabe. Freiburg 1976, Beschluss: Unserer Hoffnung, S. 101
 
[3] • Durch Formulierung von Rechtsgrundlagen, v.a. Präventionsordnungen und ausführende Gesetze
• Durch Erarbeitung von Schutzkonzepten und einzelnen Elementen, z.B. in drei Pilotprojekten in Seelsorgeeinheiten, die von Experten begleitet werden.
• Durch Planung und Durchführung sowie Initiierung von Bildungsveranstaltungen.
• Durch Erstellung und Veröffentlichung von Materialien (s.a. Homepage praevention.drs.de).
• Durch Erstellung eines Materialordners, der an alle Kirchengemeinden, Kitas, Tagungshäuser in 2.300 Exemplaren verteilt wurde.
• Durch Zusammenarbeit mit zuständigen Stellen innerhalb des Bischöflichen Ordinariats
• Durch Vernetzung mit kirchlichen Akteuren in der Diözese und überregional, d.h. mit Baden-Württemberg, mit der Bundeskonferenz der Präventionsbeauftragten, mit der Deutsche Bischofskonferenz sowie mit der Evangelischen Landeskirche Württemberg und nichtkirchlichen Fachstellen.

[4] Dazu gehören u.a.:
• Präventionsmodule im Rahmen der Priesterausbildung
• die Information und Fortbildung der Mitarbeitenden, aber auch der Kinder, Jugendlichen und Schutzbefohlenen und ihrer Angehörigen (s.u.).
• die Verpflichtung auf einen diözesan verbindlichen Verhaltenskodex
• Sorgfältige Personalauswahl. Ein Instrument dabei ist die Einsichtnahme in Erweiterte Führungszeugnisse von allen haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitenden, die Kinder und Jugendliche betreuen oder mit diesen regelmäßig in sonstiger Weise Kontakt haben, sowie zusätzlich
• die Unterzeichnung einer Selbstauskunftserklärung, in der von der oder dem Mitarbeitenden versichert wird, dass er/sie nicht wegen einer Straftat im Zusammenhang mit sexualisierter Gewalt rechtskräftig verurteilt wurde und auch insoweit kein Ermittlungsverfahren gegen ihn/sie eingeleitet worden ist. Weiterhin verpflichten sie sich, die Einleitung von Ermittlungsverfahren dem Arbeit- oder Auftraggeber anzuzeigen. (vgl. Bischöfliches Gesetz zur Vorlage von erweiterten Führungszeugnissen im Rahmen der Prävention von sexuellem Missbrauch, 10.11.2015)
• Klärung von Strukturen und Verantwortlichkeiten, um im Notfall schnell und effektiv handeln zu können.

[5] Die Diözesanleitung – das Leitungsgremium der Diözese unter Leitung und Vorsitz des Bi-schofs – setzte sich 2014 in einer Klausur mit der Thematik auseinander und nahm 2016 an einem Expertengespräch der Stabstelle teil.
Des Weiteren finden vor Ort Fortbildungen für Fachkräfte, z.B. in Kindergärten, und Infor-mationsveranstaltungen für Ehrenamtliche der Kirchengemeinden und Verbände statt.
2014, 2015 und 2017 veranstaltete die Stabsstelle Prävention, Kinder- und Jugendschutz in Kooperation mit der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart Fachtagungen.
2015 war der Geschäftsführer des Kinderschutz-Büros bei der US-amerikanischen Bischofs-konferenz als Referent zu Gast.
Am 1. Juli 2019 wird sich eine Tagung an der Akademie unserer Diözese mit den Ergebnissen der MHG-Studie und ihrer Bedeutung für die Prävention beschäftigen.

[6] Etwa das audit berufundfamilie der Gemeinnützigen Hertie Stiftung oder das EU-Öko-Audit – die EU-EMAS-Zertifizierung.
Analog dazu könnte die Zertifizierung lauten: Zertifikat seit …. Audit Prävention Sexueller Missbrauch … Das Kuratorium des Trägers zur Auditierung würdigt das langfristige Engagement für eine angemessene Präventionsarbeit im Bereich Sexueller Missbrauch (in der Kirche) mit dem Zertifikat: Audit Prävention Sexueller Missbrauch. Im Rahmen des Prüfverfahrens wurde sichergestellt, dass der notwendige hohe Standard der Präventionsarbeit besteht und bedarfsgerecht weiterentwickelt wird.

[7] Vgl. Bernhard Sven Anuth: Partizipation im Rahmen des Möglichen – Kirchengemeindeordnung der Diözese Rottenburg-Stuttgart in kanonischer Sicht, in Ortskirche: Bausteine zu einer künftigen Ekklesiologie – Festschrift für Bischof Gebhard Fürst, Ostfildern 2018, S. 439 ff.

[8] Wo diese ortskirchliche Verfassung mit Leben erfüllt ist, kann man nicht mehr einfach von einer Klerikerkirche sprechen. Zumal auch ca. 40 Prozent der in der Pastoral hauptamtlich Tätigen Frauen und Männer sind. Die Beteiligung der Frauen in den hohe Mitverantwortung tragen-den Räten auf allen Ebenen liegt inzwischen bei über 50 Prozent.

[9] Dass die Konzilsväter vor 55 Jahren in der Schrift über die Kirche und ihr Wesen die grundsätzliche Entscheidung gefällt haben, den Ständigen Diakonat wiedereinzuführen und lediglich Grundstrukturen benannt hatten, war Chance und Aufgabe zugleich: Denn so konnte und musste der Diakonat, innerhalb der grundsätzlichen Vorgaben des Konzils immer offen bleiben für eine gezielte regionale und lokale Verwirklichung.
Diakone erinnern die Gemeinde in besonderer, amtlicher Weise daran, dass sie nicht für sich selbst lebt. Sie geben der dienenden Kirche ein Gesicht in den Familien, den Gemeinden, in der Gesellschaft und in der Arbeitswelt. In dieser Vollmacht und Sendung bezeugt der Dia-kon besonders den Armen und Bedrängten aller Art (GS 1,1) die Liebe Jesu Christi. Es gehört wesentlich zum Diakon-Sein hinzu, dass er sich persönlich in Nächstenliebe und in Solidarität gegenüber den Armen und Schwachen engagiert. Der Diakon ist Stellvertreter der Armen und Schwachen und gerade darin ist er in einer besonderen Weise mit Christus verbunden.

[10] Christina Horsten: Erste Weihnachten im Weltraum, Südwestpresse, 15.12.2018.

[11] Der Anblick der kleinen, blauen Erdkugel halb im Schatten hinter dem Horizont des grauen Mondes habe auch ihn verändert, sagte der fotografierende Astronaut Anders. „Hier sind wir, auf einem unbedeutenden Planeten, der um einen nicht besonders bedeutenden Stern herum-fliegt, in einer Galaxie von Millionen Sternen, die nicht bedeutend ist, wo es Millionen und Abermillionen von Galaxien gibt im Universum …“ Christina Horsten: Erste Weihnachten im Weltraum, Südwestpresse, 15.12.2018.

[12] Hans Joachim Schellnhuber: Selbstverbrennung – Die fatale Dreiecksbeziehung zwischen Klima, Mensch und Kohlenstoff, München 2015, S.6

[13] Ebd.

[14] vgl. Gen 2,4-25, insbes:Vers 15.

[15] Vgl. auch die Nachhaltigkeitsrichtlinien für die Diözese Rottenburg-Stuttgart, Amtsblatt Nr. 15, 17.12.2018.

[16] Unsere Hauptabteilung Weltkirche bemüht sich in ganz besonderer Weise um den weltkirchlichen Klimaschutz. Denn Klimaschutz wird zu seiner Schicksalsfrage der Menschheit. „Die Verteilung der Lasten ist auch eine Frage weltkirchlicher Klimagerechtigkeit. Im Sinne gemeinsamer, aber differenzierter Verantwortung bemüht sich die Diözese Rottenburg-Stuttgart schon seit einigen Jahren verstärkt um den Klimaschutz weltweit. In den Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas fördert die Hauptabteilung Weltkirche Projekte von Schwesterkirchen die Energieautonomie durch die Einführung und Nutzung von erneuerbaren Energien erzielen wollen. In den vergangenen fünf Jahren wurden beispielsweise allein für den Aufbau von Solaranlagen durchschnittlich mehr als 320.000 Euro pro Jahr vergeben: also insgesamt ca. 1,6 Mio Euro.
Andere Projekte setzen bei der Wiedergewinnung der natürlichen Lebensgrundlagen an, in-dem z.B. Wälder wieder aufgeforstet werden. Auch die Versorgung durch sauberes Trink-wasser in zunehmend wasserarmen Gegenden bildet einen Schwerpunkt. Wichtiger werden auch Präventionsmaßnahmen gegen Naturkatastrophen. So haben jüngst Caritas-Partner im Südwesten von Bangladesch, das verstärkt von Wirbelstürmen, Springfluten und Über-schwemmungen betroffen ist, mit unserer Hilfe Häuser, Ställe und Werkstätten wetterfest gemacht und lokale Berater geschult.
Neu ist seit einiger Zeit auch die Sorge um die Klimaflüchtlinge.
In Liberia haben zum Beispiel Caritas-Partner bei den Aufräum- und Wiederaufbauarbeiten eines ganzen Ortes nach verheerenden, teilweise sintflutartigen Regenfällen geholfen. So konnten die Menschen dort bleiben und mussten nicht abwandern. Bei all diesen Projekten schätzen wir uns glücklich, starke Partner vor Ort zu haben, die diese konkreten Projekte im-mer auch mit Maßnahmen zu Bewusstseinsbildung verbinden.

[17] Umfrage anlässlich des Jahresempfangs der Kirchen, am 11.12.18 in Neuen Schloss Stuttgart, veranstaltet von den Evangelischen Landeskirchen in Württemberg und Baden: Unter den zahlreichen anwesenden Persönlichkeiten wurde im Verlauf der Veranstaltung eine netzgestützte Umfrage durchgeführt. Es wurde gefragt, ob sich die Kirchen ins Gesetzgebungsverfahren zur Regelung der digitalen Prozesse einklinken sollten. Ca. 80 Prozent der Rückmeldungen ergaben das klare Votum, dass die Kirchen sich bei einer humanen Mitgestaltung der digitalisierten Welt beteiligen sollen. Ein ähnliches Ergebnis ergab eine Podiumsdiskussion während des Deutschen CSR-Forums, am 08.10.18, im Haus der Wirtschaft Stuttgart. Ausdrücklich wurde gewünscht, dass Kirchen sich aktiv in den Prozess der humanen Gestaltung der Digitalisierung einschalten.

[18] Gesche Joost, Digitalexpertin der ersten Stunde, etwa sagt: „Europa sei die letzte Hoff-nung für diejenigen, die eine zukunftsorientierte Digitalisierung nach europäischem Wertesys-tem vorantreiben wollten: nämlich nachhaltig, sozial und transparent.“ (so Gesche Joost, in: Schwäbisches Tagblatt. 23.10.2018) Denn im Silicon Valley wachse das Internet der Konzerne und in China entstehe eine Datendiktatur. Dem gelte es ein „werteorientiertes Netz“ entgegenzusetzen.

[19] Vgl. Heribert Prantl: Die Stärke eines Volkes misst sich an den Schwachen, in Süddeutsche Zeitung, 11. November 2017.

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