Sitzung des Diözesanrats am 19. Juni 2015 in Ergenzingen
Liebe Diözesanratsmitglieder!
Ich möchte mich aus gegebenen Anlässen zu einem Thema äußern, das die Herzen, den Verstand und die Gemüter vieler Menschen in den letzten Wochen besonders umtreibt und beschäftigt.
Sie haben lesen und hören können, dass ich der Erwartung einer kirchlichen Segensfeier für ein in eingetragener Partnerschaft lebendes homosexuelle Paar nicht entsprochen habe. Meiner Entscheidung ist ein Briefwechsel auch mit einem der Beteiligten, mit Herrn Kaufmann, vorausgegangen. In einem Brief an ihn habe ich ihm mitgeteilt, warum ich seiner Erwartung einer kirchlichen Segensfeier für ihn und seinen Partner nicht zustimmen kann.
Ich habe ihm geschrieben, dass eine kirchliche Segensfeier gleichgeschlechtlicher Paare nicht möglich ist und habe dies auch begründet. „Segensfeiern sind nie nur rein private Handlungen, sie sind immer auch ein Tun der Kirche, die dem christlichen Bild vom Menschen verpflichtet ist. Segnungsgottesdienste im Zusammenhang mit gleichgeschlechtlichen Partnerschaften können deshalb nicht gefeiert werden. Auch deshalb, weil solche Feiern einen ‚quasi-sakramentalen’ Eindruck erwecken können.“ (vgl. Deutsche Bischofskonerenz, Protokoll vom 25./26.11. 2002 Nr. 7). Das schließt nicht aus, sondern ein, dass seelsorgerliche Begleitung selbstverständlich immer und in allen Fällen möglich ist und jede Diskriminierung der betroffenen Menschen vermieden werden muss.
Sie wissen, dass ich dafür in der medialen Öffentlichkeit heftig angegriffen und gescholten worden bin. Ich habe im Voraus damit gerechnet, meine Entscheidung im Wissen darum ausgesprochen und werde im Nachhinein wegen der heftigen Angriffe meine Position als Bischof nicht ändern. Ich weiß mich mit dieser meiner Positionierung in kollegialer Verbundenheit mit meinen Mitbrüdern in der Deutschen Bischofskonferenz.
Das Argument der Verwechselbarkeit einer kirchlichen Segensfeier mit einer Trauung bzw. kirchlicher Heirat oder Hochzeit hat sich im Nachhinein als richtig bestätigt. Viele Medien haben von einer kirchlichen Trauung in der evangelischen Schlosskirche in Stuttgart gesprochen. Der optisch-visuelle Eindruck der Feier, das Foto des Ringtausches und manches andere mehr, haben diese Wahrnehmung erzeugt.
Durch das Referendum in Irland zugunsten der „Homo-Ehe“ hat die Diskussion um gleichgeschlechtliche Partnerschaften eine neue Dimension bekommen.
Die Bewegung „Ehe für alle“ und einige Landesregierungen streben die völlige Gleichstellung von eingetragenen Partnerschaften mit der von der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland unter besonderen Schutz gestellten „Ehe und Familie“ an.
Ich toleriere, dass es in einer pluralistischen und säkularen Gesellschaft die Lebensform einer durch den Staat garantierten eingetragenen Partnerschaft geben kann und dass diese Schutz genießen und Rechte haben muss. Selbstverständlich können nicht alle Bürgerinnen und Bürger einer freiheitlichen demokratischen Gesellschaft auf das christliche Bild vom Menschen verpflichtet werden, das eine eindeutige, klare Vorstellung von Ehe und Familie als Gemeinschaft von Mann und Frau mit der Offenheit für Kinder hat. Allerdings muss ich trotzdem fragen, ob der Staat nicht auch und besonders die Aufgabe hat, das kulturelle Erbe der christlich-abendländischen Tradition besonders zu schützen, aus der er ja selbst hervorgegangen ist und in der auch eine Gesellschaft letztlich ihre Wurzeln hat, die durch Menschenwürde und Menschenrechte geprägt ist. Zu diesem Erbe gehört an ganz herausragender Stelle Ehe und Familie als Keimzelle der Gesellschaft und Garant von Zukunft von Gesellschaften.
Eine völlige Gleichstellung der „eingetragenen Partnerschaften von Mann-Mann und Frau-Frau“ mit „Ehe und Familie“ lehne ich dagegen ab. Ungleiches ist nicht einfach völlig gleich zu behandeln. Ich kenne keine Gemeinschaften oder Gesellschaften von Menschen in der bisherigen Geschichte, die je für eine Mann/Mann oder Frau/Frau Beziehung ein Institut angeboten hätten, schon gar nicht mit der Bezeichnung Ehe.
Das gilt besonders für das volle Adoptionsrecht. Hier sehe ich das Kindeswohl beeinträchtigt. Ich bin davon überzeugt, dass die Bipolarität der Geschlechter von Mann und Frau, die ja erst menschliches Leben zeugt und ohne die kein Kind gezeugt werden kann, auch für die Erziehung und Formung von Kindern nach ihrer Geburt gut und notwendig ist.
Nun ermöglicht die Reproduktionstechnologie heute eine neue Art von ‚Adoption’: durch Fremdspende von Ei- und Samenzellen, durch die Methode der In-vitro-Fertilisation und durch Leihmutterschaft, ist es möglich, dass zwei schwule Männer sich ein Kind produzieren lassen und kaufen können. Ich empfehle sehr den FAZ-Artikel zu lesen: „Deine Zwillinge gehören mir“ vom 10.4.2015, S. 9. Dieser Artikel ist untertitelt: „Wenn Männer bei der Leihmütter-Flatrate zugreifen: In vielen Ländern boomt das Baby-Geschäft für Homosexuelle. Die Risiken für Frauen gehen in der Propagandaschlacht unter.“ Ich kann ihnen aus Zeitgründen nicht detailliert darlegen, wie viele menschliche Embryonen bei diesem Verfahren selektiert und getötet werden, wie viel Zehntausende Dollar bzw. Euro an Kosten entstehen und bezahlt werden und wie die ausgesuchten, allermeist in großer Armut und Analphabetismus lebenden Leihmütter instrumentalisiert, entrechtet und diskriminiert werden. Ich könnte Ihnen aus eigenen Kenntnissen der Biotechnologien und eigenen Erlebnissen z.B. in Kalifornien und in der größten In-vitro-Fertilisations-Klinik in den USA, wo ich zwei Stunden mit dem Ärzte- und Schwesternteam der In-vitro-Fertilisation-Sektion geredet habe, vieles berichten, was sie mehr als befremden würde.
Der von mir gerade genannte FAZ-Artikel endet bezogen auf die Reproduktionsindustrie, die sich im Babygeschäft herausbildet und im Hinblick auf die Diskriminierung der Leihmütter mit dem Satz: „Eine Gruppe, die selbst unter Entrechtung zu leiden hat, stünde es wohl gut an, genau zu überlegen, wie weit sie gehen will für ein Kind.“ D.h. ob es für sie verantwortbar sein kann, Frauen zu diskriminieren und menschliche Embryonen zu selektieren.
Als Resumee möchte ich sagen: Eingetragene Partnerschaften sind von allen in der Gesellschaft zu tolerieren und dürfen nicht diskriminiert werden. Eine kirchliche Segnungsfeier lehne ich ab. Ebenfalls lehne ich die „Homo-Ehe“, die „Ehe für alle“ ab. Das Kindeswohl hat klaren Vorrang vor dem Wunsch eingetragener Partnerschaften. Die Erfüllung eines Kinderwunsches für homosexuelle eingetragene Partnerschaften durch In-vitro-Fertilisation und Leihmutterschaft halte ich nicht für verantwortbar.
Es bleibt unsere, der Kirche, nicht einfache Aufgabe in diesem Zusammenhang Diskriminierungen zu wehren und die Würde eines jeden Menschen zu achten und zu stützen.