Bischof Dr. Gebhard Fürst: Predigt am Ostersonntag 2009

Rottenburg, Dom St. Martin

Schrifttexte: Apg 10,34-43; 1 Kor 5,6-8; Joh 20,1-9

Liebe Schwestern und Brüder!

‚Christus ist auferstanden; fürwahr, er ist auferstanden!’ Das ist die Botschaft dieses herrlichen Ostermorgens. Erfüllt mit dieser Freude über die Botschaft der Auferstehung haben wir schon heute Nacht die brennende Osterkerze in den dunklen Dom hineingetragen und gerufen: ‚Lumen Christi’, Christus, das Licht! Unserer Hoffnung haben wir darin Ausdruck verliehen, dass ‚der Glanz dieser Nacht’ von nun an stärker sein möge als alle Dunkelheiten, in die wir Menschen uns verstricken können. Eben das feiern wir an Ostern und wir verkünden dies nicht nur in Worten, sondern zeigen es in zahlreichen Bildern und Zeichen. Von Christus her, der lebt und nicht mehr stirbt, wird unsere eigene Finsternis und Dunkelheit erleuchtet.

Wie aber sollen Menschen Auferstehung feiern im Angesicht der vielen Todes-Opfer des schweren Erdbebens in Italien? - Den Menschen dort, die ihre Liebsten durch den Tod verloren haben, sind schwere Lasten aufgeladen. Die Last der Traurigkeit, die Last der Ungewissheit der Zukunft. Schwere Verluste und schwere Lebenslasten. Da ist es schwer, Auferstehung zu feiern. Da fehlen uns meist Worte!

Noch stärker habe wir die Hilflosigkeit der Worte erfahren müssen als vor einigen Wochen bei dem entsetzlichen Amoklauf der Tod umging in Winnenden und Wendlingen. Wer war nicht ratlos angesichts der schrecklichen Geschehnisse, als durch den Tod von vielen, meist jungen Menschen über unzählige Menschen Leiden, Schmerz und Tod hereinbrach? Kann uns der Glaube an die Auferstehung Jesu Christi, an die Auferstehung von den Toten trösten?

Mir hat sich ein Bild eingeprägt aus dem ökumenischen Trauergottesdienst, den ich mit Landesbischof July feiern durfte. Das Bild steht mir bis heute vor Augen.15 Kerzen für die Getöteten wurden still nach vorne getragen. Auf jeder Kerze stand der Name dessen gedacht wurde. Und der Name wurde laut in die Stille hineingerufen. Die Kerzen wurden mit dem Licht von der Osterkerze entzündet und auf den Altar gestellt. Die 15 Kerzen mit Namen stehen beieinander, sie stehen vor unser aller Augen. Die ausgeblasenen Lebenslichter waren im Symbol der Kerze wieder angezündet. Angezündet am Licht der Osterkerze, dem Zeichen für Christus den Auferstandenen. Am Ende des Gottesdienstes wurde die große brennende Osterkerze mit dem Christussymbol in die Mitte auf den Altars gestellt. Sie stand dort wie eine starke Säule, die den kleinen Namenskerzen Schutz, Halt und Mitte gibt. Sie alle hatten ihr Licht vom Lumen Christi! Ein tiefes Symbol, ein sichtbares Zeichen von der Kraft unserer österlichen Hoffnung. Die Toten sind in den Armen Gottes angekommen kraft des Lichtes vom auferstandenen Christus der für uns den Tod überwunden hat. Ein Bild, das sich mir eingeprägt hat, ein tröstendes Bild, von dem man leben kann.

Liebe Schwestern und Brüder, wer an die Auferstehung Christi glaubt, wer von Ostern her lebt, auch der kann seine Lebenslast nicht einfach abwerfen, aber vielleicht trägt er doch leichter als jene, die keine Hoffnung haben.

Heute am Osterfest hören wir die Frohbotschaft der Auferstehung des Gekreuzigten und versuchen zu begreifen. Wir schauen auf die Osterkerze und ihr Licht, von dem für jeden von uns Trost und Hoffnung ausgeht.

Wir hören nicht nur die Botschaft, gerade das Symbol der Kerze macht uns deutlich: wir schauen auf Bilder und werden im Sehen verwandelt.

Die Evangelien berichten von sichtbaren Erfahrungen und es sind jeweils die entscheidenden Wendepunkte. Denken sie an die Erfahrung des Auferstandenen wie er Maria von Magdala begegnet. Maria von Magdala erkennt den auferstandenen Herrn zunächst nicht, erst seine Anrede öffnet ihr die Augen dafür, dass ER selbst es ist. Der Wendepunkt in der Geschichte, sie erkennt ihn schauend und kann danach den Jüngern verkünden: ‚Ich habe den Herrn gesehen.’ Glaube kommt hier vom Sehen und er verwandelt heilsam unser Leben!

Auch in der Emmausgeschichte, die wir morgen hören werden, heißt es am entscheidenden Wendepunkt: ‚Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten ihn.’ (Lk 24,31)

In allen Ostergeschichten wird immer wieder dieser enge Zusammenhang von Sehen und Glauben betont. Die Auferstehungsbotschaft wird als Sehen, als Schauen des Auferstandenen beschrieben. Jesus zeigt sich seinen Jüngern: Er lässt ‚sich sehen’. Die Auferstehungserfahrungen sind „Erscheinungsgeschichten“. Gott erleuchtet die Jünger mit dem Licht seiner Gnade und lässt sie den Gekreuzigten im neuen Licht als von den Toten Auferstandenen sehen. Glaube an den Auferstandenen kommt vom Sehen!

Wir reagieren heute stark auf Bilder, Zeichen und Symbole, darum müssen wir auch darauf achten, welche Bilder wir uns und anderen vorstellen.

Das Bild der 15 Kerzen auf dem leeren Altar mit der Osterkerze in ihrer Mitte. Ein Symbol, das unsere Augen öffnen kann, ein Zeichen, das unseren Blick öffnet für eine andere, tiefere Wirklichkeit.

Achten wir darauf, worauf wir schauen. Denn worauf wir schauen, dahinein werden wir verwandelt. Das ist ganz konkret: Schauen wir auf Bilder der Gewalt, auf Mord und Totschlag und Menschen erniedrigende Bilder in Videos und Computerspielen, dann träufeln diese Bilder das Gift, das von ihnen ausgeht, allmählich in uns hinein, sie verändern uns und unser Handeln: Worauf wir schauen, dahinein werden wir verwandelt. So oder so!

Schauen wir heute am Osterfest die Gestalt, das Bild des ganzen Christus. Er ist der Mensch, der das Leben aus Gottes Geist lebte. Mit seinem Handeln, Tun, Worten und Taten. Seine Liebe ist unerschütterlich, konsequent geht er seinen Weg bis zuletzt, lässt sich durch nichts abbringen von seinem Einsatz für die Menschen.

Diese bedingungslose Art, Menschen zu lieben, besonders die Menschen, die von vielen nicht geliebt werden, diese Liebe hat ihm das Leben gekostet. Dafür wird er verfolgt, gehasst, schließlich zum Tod am Kreuz verurteilt. Aber eben hier ist auch der Wendepunkt, den wir heute, im Licht des Ostermorgens sehen können: Sein Tod am Kreuz ist nicht die letzte Macht. Die Jünger bezeugen uns die Kraft des Lebens, durch das, was ihnen geschehen ist, wie ihnen die Augen aufgegangen sind. Sie bezeugen uns, dass dieser Jesus von Nazareth lebt: Mit den Wundmalen seiner Leidensgeschichte und vom Kreuz am Leib erscheint er in neuem Licht, eine neue Schöpfung von Gott her, der ihn bestätigt hat durch seine Auferweckung von den Toten am Dritten Tag!

Worauf die Jünger schauen, dahinein werden sie verwandelt: In der Schau des Auferstandenen werden die Jünger zu österlichen Menschen. Sie leben nun selbst mit einer Kraft, dass sie diesen Jesus als den Messias in aller Welt verkünden können und so Zeugen seiner Auferstehung werden. Sie können kraftvoll, anstiftend und glaubwürdig bezeugen, dass das Leben und nicht der Tod das letzte Wort hat. Sie können Zeugnis ablegen vom Vorrang der Liebe vor der Gewalt.

Lassen auch wir uns sehend verwandeln: Im Schauen auf die Gestalt des gekreuzigt Auferstandenen werden wir selbst zu Menschen, die aus der Kraft der Auferstehung Christi leben können. Schauen wir hin auf die Botschaft der Auferstehung, dann werden wir selbst zu österlichen Menschen, die aus der Hoffnung leben. Auferstehung Jesu ereignet sich mitten im Leben, auch mitten in unserem Leben. Schauen wir hin auch auf kleine Gesten, Zeichen und Spuren der Auferstehung und lassen wir uns verwandeln in das, was wir schauend glauben dürfen. Erfahrungen der Auferstehung und der Freude im Alltag erschließen uns die Auferstehung Jesu von den Toten – und die Auferstehung von den Toten, die wir für uns selbst erhoffen.

Jesu Auferstehung ist für uns der Weg des Lebens. Er gibt uns Mut und die Kraft zu glauben, auch nach der Vergeblichkeit so mancher Nacht im eigenen Leben neu zu beginnen. Wer an die Auferstehung glaubt und so neu hinschauen lernt, der kann auch heute voll Hoffnung ausrufen: ,ER ist auferstanden, er ist fürwahr auferstanden!’ Wer an die Auferstehung Christi glaubt, wer von Ostern her lebt, trägt vielleicht seine Lebenslast doch leichter als jene, die keine Hoffnung haben. Und manchmal hebt ihn die göttliche Gnade auf und gibt ihm Flügel gegen die Schwerkraft.

So wünsche ich Ihnen und Ihren Familien frohe und gesegnete Ostern, Flügel gegen die Schwerkraft aus der Freude und dem Licht des Auferstandenen Christus. Amen.

Weitere Nachrichten

Seelsorge
Veranstalter des Basiskurses Seelsorge. Bild Dekanat Balingen
Nach dem erfolgreichen Pilotprojekt im letzten Jahr startet der Basiskurs Seelsorge in die zweite Runde.
Weiterlesen
Inklusion
Der Festakt zum Projektabschluss „Bibel in leichter Sprache“ fand am 24. April in der Akademie in Hohenheim statt.
Weiterlesen