Bischof Dr. Gebhard Fürst: Predigt am Ostersonntag 2015

Rottenburg, Dom St. Martin

Schrifttexte: Apg 10,34a.37-43, Kol 4,1-4, Joh 20,1-9

Liebe in österlicher Freude versammelte Schwestern und Brüder!

Nach der Trauer des Karfreitags feiern wir heute voll Freude das Osterfest: das Fest der Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus. „Obwohl er Gutes tat und alle heilte“ (Apg 10, 38) wie es in der Apostelgeschichte der Ersten Lesung des Ostersonntags heute heißt – wurde Jesus trotzdem von Menschen verfolgt und verspottet, ja hingerichtet! Aber der Gefolterte, von Menschenhand am Kreuz Getötete: Er bleibt nicht in der Nacht der Vernichtung. Gott hat ihn, „der Gutes tat und alle heilte“, herausgerufen aus dem Grab und ihn zum unsterblichen Leben auferweckt. Maria von Magdala, Simon Petrus und Johannes bezeugen im Evangelium des Ostersonntags das leere Grab. (Joh, 20,1-9). Jesus Christus, der aus dem Grab Auferstandene, hat sich vielen Menschen als der Lebendige gezeigt und erwiesen. Das Erscheinen des Auferstandenen, der Spott und Verfolgung, Gewalt, Tod und Grab überwunden hat, schenkt den verwirrten Gefährten Jesu neue Kraft und bewirkt in den niedergeschlagenen Jüngern wieder Hoffnung, ja, die Gewissheit: „Gutes tun und heilsam wirken“ ist von Gott gewollt und bewirkt neues Leben. Die Gegenwart des Auferstandenen macht aus verängstigten und mutlosen Menschen starke Zeugen des Glaubens. Durch Jesus Christus, den „Erstgeborenen von den Toten“ sind auch wir von Todesmächten, die unter uns wirken, befreit. Wir sind befreit von all den Kräften und Mechanismen unserer Zeit, die das Leben der Menschen verletzen und zerstören. Befreit „Gutes zu tun und heilsam zu wirken“, wo Trauer, Angst und Not auf Leib und Seele der Menschen drücken.

In der zweiten Lesung des Ostersonntags ruft Paulus den Christen seiner Zeit und genauso uns heute zu: „Ihr seid mit Christus auferweckt.“ (Kol 3,1) Wir, liebe Schwestern und Brüder, sind nicht mehr beherrscht von den todbringenden Mächten, sondern aufgeweckt, im Geist und Sinne Jesu ein neues Leben zu führen. Wir sind von der Auferstehung Jesu Christi verwandelte Menschen. Als österliche Menschen können wir leben und so den Auferstehungsglauben durch unser eigenes Leben und Zusammenleben bezeugen. Das ist heute mehr denn je unsere Aufgabe, unsere Berufung: Gerade in solch bedrängenden Zeiten!

Christen leben aus der Gewissheit, dass die Mächte, die Menschen gefangen halten und zerstören wollen, nicht mehr das letzte Wort haben. Nicht die Angst, die uns lähmt und uns vor der Zukunft zittern lässt; nicht die Gleichgültigkeit und die Feindseligkeit, mit der wir einander oft das Leben erschweren und das eigene Leben verdunkeln; nicht die Erfahrung der Sinnlosigkeit und nicht einmal der alles ins Nichts hineinziehende Tod. Der Gott Jesu Christi, der ihn aus dem Tod errettet und zu neuem Leben auferweckt hat, dieser Gott zerbricht diese Gefängnisse und die Gefangenschaften des Lebens. Das ist der Kern des christlichen Bildes vom Menschen.

Nach christlichem Menschenbild lebt der Mensch aus der Gewissheit der Auferstehung des Jesus Christus, der das Schwache angenommen hat, das Kranke heilen wollte und den am meisten Erniedrigten seine helfende Achtsamkeit schenkt. Aus der Kraft der Auferstehung leben heißt: erfahren haben, dass Jesus „der Arzt der Kranken“ (vgl. Mt 9,12) und Unheilen ist, der Heiland der gebrochenen Herzen und der niedergeschlagenen Seelen. Das Osterfest ruft uns zu: Er, der sich selbst ganz hingegeben hat, damit Menschen heil werden können, er lebt! Und ihr Christen, lebt als auf Christus getaufte und mit seinem Geiste gefirmte so wie er!

Unsere ganze Gesellschaft ist neu herausgefordert, darum zu ringen, aus welchen Quellen wir leben wollen. Für uns Christen geht es darum, neu zu bezeugen, welches die innersten Kräfte unserer Kultur sind, die sie zukunftsfähig hält. Bezeugen wir, was uns prägt. Erklären wir, warum dies wichtig ist und leben wir vor, was wir glauben.

Nicht nur mit dem eigenen Leben, nicht nur mit unserem eigenen Verstand bezeugen wir, was eine christliche Kultur prägt, sondern auch durch Zeichen wird die kulturelle Kraft des Auferstehungsglaubens bezeugt. Halten wir auch die Zeichen des Glaubens lebendig! Auch durch das Kreuzeszeichen!

Eines der zentralen Zeichen unserer Kultur ist das Kreuz. Es steht im Christentum nicht nur für den Marterpfahl, es steht auch besonders für das neue Leben, das Christus der Menschheit durch seine Auferstehung gebracht hat. Das Kreuz hat diese beiden Seiten: die Wirklichkeit von Schmerz, Leiden, Sterben und Tod – und die Wirklichkeit des neuen Lebens von Gott, das Auferstandensein zum neuen Leben mit Jesus Christus.

Das hinterlässt deutliche Spuren in unserem Zusammenleben. „Das Bild des leidenden, geopferten Menschensohnes hält die Erinnerung wach an die Leidenden und Armen – und erinnert an die Pflichten der Gesunden, Reichen, Mächtigen ihnen gegenüber. Das Kreuz darf deshalb aus der Öffentlichkeit nicht verschwinden. (Vgl. H. Maier, Christentum, S. 19f.)

Das Herz unserer Kultur würde herausgerissen aus unserem Zusammenleben!

Liebe Schwestern und Brüder, bezeugen wir unseren Glauben an den Auferstandenen dadurch, dass wir selbst österliche Menschen sind; dass wir selbst so leben und handeln wie Jesus Christus, der Gutes tut und heilt; dass wir wie Jesus Christus suchen und finden, um zu retten, die verloren und im Vergessen verschollen sind: die Opfer der bösen Geschichten des Lebens und unseres Zusammenlebens.

Österliche Menschen bringen den Menschen Heil und Hoffnung in ihre Welt. Österliche Menschen tun Gutes und wirken heilsam, wo Not auf Leib und Seele drückt.

Amen!

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