Bischof Dr. Gebhard Fürst: Predigt am Ostersonntag 2016

Stuttgart, Konkathedrale St. Eberhard

Schrifttexte: Apg 10,34a.37-43; Kol 3,1-4; Joh 20, 1-9

Liebe Schwestern und Brüder!

Am Schluss des heutigen Osterevangeliums heißt es: „Sie wussten noch nicht aus der Schrift, dass er von den Toten auferstehen musste.“ (Joh 20,9). Sie: Maria Magdalena, Petrus, der Lieblingsjünger Johannes und all die anderen Jünger. Wie hätten sie es auch ahnen sollen, dieses einzigartige Ereignis, die Auferstehung von den Toten. Die Auferstehung, die uns heute verkündet wird, ist im wahrsten Sinne des Wortes unvorstellbar. Einer soll den Tod überwunden haben!? Ja, es ist nicht leicht, sich auf die Osterbotschaft einzulassen. Ostern ist einfach unglaublich!

Wie ging es wohl den Jüngern, die miterleben mussten, wie Jesus am Kreuz starb? Wie erlebten Sie die dunklen Stunden nach Karfreitag? – Der, auf den sie setzten, der, dem sie vertrauten, der war tot: Getötet, weil er die bestehenden Grenzen überschritt. Getötet, weil er die Armen und Bedrängten, die in Not und Schande, die Weggeschobenen, in die Mitte holte. Eigenartig, liebe Schwestern und Brüder, Jesus wurde getötet, weil er Hoffnung machte auf einen barmherzigen liebenden Gott, ja weil er den liebenden Gott spürbar werden ließ in seinem Leben.

Am Karfreitag erfasst die Jünger deshalb angesichts der Kreuzigung des Gerechten blanke Angst. Und sie blieben zurück mit ihrer Angst vor sinnloser, unfassbarer Gewalt. All ihre Hoffnung auf eine neue Welt wurde am Karfreitag zerschlagen.

Am Ostermorgen allerdings wendet sich das Blatt. „Fürchtet Euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können“, hat Jesus einmal zu seinen Jüngern gesagt (Mt 10,28). Vielleicht war es die Erinnerung an dieses Wort, die Maria Magdalena und dann die Apostel Petrus und Johannes veranlasst hat, ihre lähmende Furcht zu überwinden und nach drei Tagen am frühen Morgen an Jesu Grab zu gehen. Dort merken sie schnell: Hier ist nichts, wie es Menschen sich vorstellen. Das, was sich hier ereignet hat, ist so unglaublich, dass es nicht in Worte zu fassen ist. Und so schildert uns auch keiner der Evangelisten, wie die Auferstehung vor sich ging. Was sie uns aber überliefert haben, ist eine umwerfende Erfahrung. Die Jünger und die Jüngerinnen am Grab sehen: Kein schwerer Stein verschließt mehr das Grab.

Johannes geht schnell ein Licht auf: Jesus lebt! Das Grab hat ihn nicht halten können! Maria Magdalena, Petrus und die anderen brauchen deutlichere Zeichen. Der Auferstandene muss ihnen gegenübertreten, und zwar dort, wo sie sich aus Angst verbarrikadiert haben. Sie müssen seine Wundmale sehen. Und erst jetzt gehen ihnen die Augen auf und sie begreifen: Es ist der Herr und Meister!

Liebe Schwestern und Brüder,
zunächst hatten die Jünger nicht viel verstanden. Sie haben vor allem in der größten Not Jesu keine gute Figur gemacht. Sie fliehen voller Angst. Das ändert sich erst in dem Moment, als Jesus als der Auferstandene in ihr Leben tritt. Da verwandelt sich ihre Einstellung zum Leben.

Befinden wir uns nicht in einer ähnlichen Lage, wie die Jünger nach Karfreitag? Kennen nicht auch wir Entsetzen und Angst? Solche Erfahrungen teilen wir mit den Jüngern Jesu. Unsere Karfreitagsbilder sind heute beispielsweise die der Flüchtlinge an der griechisch-mazedonischen Grenze in Idomeni. Es sind die kranken und vergessenen Kinder, Frauen und Männer in Dreck und Kälte. Bilder der Verzweiflung und Angst.

In diesen Tagen ist auch wieder auf schreckliche Weise deutlich geworden: Terror und Gewalt fordern immer wieder unschuldige Opfer.

Wofür stehen die Kerzen, die in Brüssel, Paris und an vielen anderen Orten für die Terroropfer brennen? Für die Opfer von Gewalt brennen sie. Aber auch dafür, dass die Gewalt überwunden wird und das Leben siegt. Hier in unserer Mitte brennt seit dem Ostermorgen die Osterkerze. Sie steht jetzt in der Mitte der Kerzen, die in Brüssel und in Paris brennen. „Fürchtet euch nicht!“, das ist die Botschaft, die vom Licht der Osterkerze ausgeht. Habt keine Angst! So wie das Licht der Kerze erstrahlt und der Dunkelheit trotzt, so geht vom Auferstandenen am Ostermorgen die lebensbejahende Botschaft aus: das Leben ist stärker als der Tod! – Die österliche Erfahrung, dass Gewalt und Tod nicht das letzte Wort haben, dass Christus lebt, dass er auferstanden ist, lässt nicht nur die Jüngerinnen und Jünger, sondern uns alle selbst in ein neues Leben hinein auferstehen. Die Jünger werden beides verkünden – Karfreitag und Ostern, Kreuz und Auferstehung. Ostern tilgt den Karfreitag nicht aus! Aber seit dem Ostermorgen reicht die Auferstehung Christi hinein in das Leben der Menschen. Der Ostermorgen ist der Neuanfang, der Ängste löst und zu einer neuen Freiheit ermächtigt – trotz aller Grenzen menschlicher Liebe: Gott setzt immer wieder neu auf uns.

Für uns Christen ist die Welt nach Ostern ein anderer Ort. Seit dem Ostermorgen wissen Christen im Glauben, dass Jesus Christus Angst und Gewalt überwunden hat, dass der Tod nicht das letzte Wort hat, sondern das Leben: jetzt und nachher. Christen versinken nicht in Hoffnungslosigkeit, sondern leben aus der in Jesus begründeten Gewissheit, Angst und Gewalt sind schon überwunden. Einer ist uns vorangegangen. Wie gut, dass Christus auferstanden ist. Wie gut, dass ER unter uns lebendig ist und wirkt. Amen!

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