Bischof Dr. Gebhard Fürst: Predigt beim Gottesdienst zur Einführung der neuen Domkapitulare

Rottenburg, Dom St. Martin

Schrifttext: Phil 2,6-11; Joh 3,13-17

Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, liebe Schwestern und Brüder!

Viele von Ihnen haben in den letzten Wochen ihre wohlverdiente Urlaubszeit verbringen können. Nun sind wieder alle da und ich wünsche, dass alle die etwas ruhigere Zeit zum Sammeln neuer Kräfte nutzen konnten.

Und jetzt feiern wir Eucharistie, am Tag des Festes Kreuzerhöhung. Das Zeichen des Kreuzes steht im Mittelpunkt. Passt das zusammen? Noch die Urlaubszeit im Kopf und im Leib? Und dann dieses Fest? Das Zeichen des Kreuzes wird aufgerichtet unter uns?

Im Festkalender unserer Kirche steht heute am 14. September das Fest ‚Kreuzerhöhung’, das auf einen eindrucksvollen Brauch der Christen im 5. Jahrhundert in Jerusalem zurückgeht. Nach dem Weihefest der Auferstehungskirche, die immer am 13. September gefeiert wurde, zeigte man dem christlichen Volk das Kreuzesholz, nicht um den Menschen zu drohen, sondern um in ihnen Hoffnung zu wecken.

Das Kreuz zeigten sie, nicht als ein Angst einflössendes, Furcht und Schrecken erzeugendes Marterwerkzeug. Die Christen erblickten im Kreuzesholz das Zeichen Jesu Christi, ihres geliebten Herrn und Bruders, der neues Leben unter ihnen angestiftet hatte. Das Kreuz, das unverwechselbare Zeichen des Menschen, der, von Gott ausgehend, uns Menschen Erlösung und Heil gebracht hat, nicht erst für die Zeit nach dem Tod Leben, sondern schon jetzt ein anderes, ein neues Leben, wirkliches Leben . Das Kreuz wurde sichtbar vor Augen gestellt, um Jesus zu erinnern, ihn zu vergegenwärtigen: sein Leben für die Menschen, seine Herkunft aus Gott, seine Liebe zu den Bedrängten, seinen hingebungsvollen Einsatz gerade für die, die ihn brauchten und die sonst niemand hatten, Ihn zu vergegenwärtigen wurde das Kreuzesholz gezeigt:

Ihn, der Menschen befreite aus Angst, fixen Ideen und todbringenden Ideologien, die sie besetzt hielten, bis sie ganz besessen davon waren. In der Begegnung mit ihm lösten sich die Besessenheiten, wurden Menschen zu einem neuen Leben erlöst, zu einem Leben in der Freiheit der Kinder Gottes. Das Kreuz wurde gezeigt, ihn zu vergegenwärtigen als Heiland der Welt, als Erlöser der Menschen zum wahren Leben, dass wir leben wie ER.

Wenn heute das Kreuz da und dort entfernt wird, dann ist das nicht die Entfernung irgendeines Gegenstandes, sondern das Wegnehmen des Zeichens für dieses befreite und erlöste Leben, das uns in Jesus Christus begegnet, dann ist das das Wegnehmen des Zeichens für diesen Jesus Christus, der die Leistungsschwachen liebt, die Verkrüppelten an Leib und Seele achtet und in ihnen die Würde eines jeden Geschöpfes Gottes sieht.

Solche Heilstaten Jesu zu vergegenwärtigen wird uns heute das Kreuz Christi gezeigt. Dass ER unter uns gelebt hat und zwar so gelebt hat, wie er gelebt hat, daran sollen wir uns in Dankbarkeit erinnern. Und uns zu solchen heilenden Taten in der Nachfolge Jesu anspornen lassen: Die Schwachen stärken, den Bedürftigen unter uns das Ohr leihen und die Hand reichen.

Ich weiß, dass das leicht gesagt und schwer getan ist. Aber über solchem Maßnehmen an Christus liegt die Verheißung neuen, wahren, lebenswertem Leben.

Deshalb ruft Paulus seiner Lieblingsgemeinde in der Stadt Philippi zu: "Seid unter euch so gesinnt, wie es der Gemeinschaft in Christus entspricht" – Seid so gesinnt wie Jesus Christus selbst!

Auf das Heilsgeschehen, das dahinter liegt, haben die ersten Christen einen Hymnus gedichtet und gesungen. Paulus nimmt dieses Lied –wohl mit der älteste Text über Jesus als den Gottessohn- in seinen Brief auf.

Das Lied, in dem in dichter Weise das ganze Leben, Anliegen und Wesen Jesu verborgen ist: ‚Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen. Er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz.’ In der Liebe zu den Menschen und aus Liebe zu all denen, die wahrer Liebe bedürftig sind. In dieser Liebesbewegung des Gottessohnes zeigt sich die Lebens- und Liebesbewegung von Gott selbst für uns.

Liebe Schwestern und Brüder, auch wir können so „gesonnen“ sein wie Gott selbst. Wir können trotz unserer engen Gedanken in unserem engen Herzen groß sein im Geben und Vergeben.

Dafür ist der Blick auf Jesus Christus, die Geschichte seines Leidens und Sterbens, das wichtigste Zeugnis und zugleich die wichtigste Hilfe. Dieser Weg, den Christus mit uns auch durch die Tiefen unseres Lebens geht, führt uns auch zu uns selbst und lässt uns doch nicht bei uns selbst bleiben.

Dies steht heute als zentrale Botschaft dieses ersten Gottesdienstes nach den Ferien vor uns. Und diese zentrale Botschaft steht auch über der Einweisung der beiden Domkapitulare in ihr Amt: Wir Christen in der Kirche von Rottenburg-Stuttgart sind Menschen, die radikal und immer wieder aufbrechen, hinabsteigen und sich konsequent dem anderen, der es nötig hat, zuwenden. Ja, so soll uns die Welt immer neu kennenlernen: Als Mitmenschen, die ihr Leben für andere leben und es so anders und neu wiederfinden.

Amen.

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