Bischof Dr. Gebhard Fürst: Predigt beim Pontifikalamt Abschied der Mönche vom Kloster Weingarten

Weingarten, Basilika St. Martinus

Schrifttext: 2 Tim 3,14-4,2; Lk 18,1-8

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Benediktinerpatres und -brüder
hier in der Basilika St. Martin in Weingarten,

‚Bleibe bei dem, was du gelernt und wovon du dich überzeugt hast. Du weißt, von wem du es gelernt hast; denn du kennst von Kindheit an die heiligen Schriften, die dir Weisheit verleihen können, damit du durch den Glauben an Christus Jesus gerettet wirst.’ (2 Tim 3, 14f) Mit großer Selbstverständlichkeit beschreibt Paulus in seinem zweiten Brief an Timotheus, einen seiner Schüler, die wesentlichen Dinge, die für ihn in der Mitte christlicher Existenz stehen. Bei dem bleiben, was Timotheus als Christ gelernt hat und wovon er sich hat überzeugen lassen. Und dem vertrauen können, weil man weiß, von wem man es gelernt hat. Das Leben als Lernen der Gründe unseres Glaubens, auf denen wir unser Handeln und unseren Weg aufbauen können, die Nachfolge in den Spuren unseres Herrn und Meisters, Jesus Christus, weil hier die hoffende Zuversicht und die glaubende Gewissheit Raum finden kann, dass bei ihm Rettung möglich ist.

Christliches Leben als lernende Nachfolge, als festes Glauben und standfestes Bleiben bei den Überzeugungen, die unser Leben begründen und tragen können: Sie, liebe Brüder im Orden des Heiligen Benedikt, haben diese Verankerung des eigenen Lebens in exemplarischer Weise zur Grundlage ihrer Gemeinschaft gemacht und dadurch ihr Leben wirkmächtig prägen lassen. Für dieses Zeugnis gelebter Nachfolge danke ich Ihnen, denn Sie haben damit hier in Weingarten, in der ganzen Region Oberschwabens, aber auch weit darüber hinaus ein wichtiges Zeichen gesetzt. Nach rund tausendjähriger Geschichte geht damit benediktinisches Leben der traditionsreichen, in der Säkularisation aufgelösten und 1922 wiederbesiedelten Abtei zu Ende. Das Kloster auf dem Martinsberg war stets ein wichtiges Zeichen. Ein Zeichen, auf das unsere Kultur, unsere Welt und die Gesellschaft auch heute nicht verzichten kann. Im Zeitalter der vermeintlich so aufgeklärten Moderne vergessen wir leicht, dass die Klöster in der Geschichte des Abendlandes durch ihren Einsatz viele Schriften und mit ihnen unsere Kultur erhalten und gestaltet haben. Die biblischen Schriften, patristische Werke, liturgische Bücher, Gesetzessammlungen, Werke aus Philosophie, Geschichte und Dichtung wurden bewahrt und durch eine neue malerische Schriftkultur übertragen. Unsere philosophischen, theologischen oder etwa ethischen Diskussionen könnten nicht auf Niveau geführt werden, wenn nicht vor allem benediktinische Mönche Tradition im guten Sinn, nämlich Überlieferung konkretisiert hätten. Die Praxis und die Früchte benediktinischen Lebens erinnert uns aber zugleich an die Regel des Benedikt mit ihrem Kernpunkt ‚Ora et labora‘: Christliches Leben wird bestimmt durch die Bindung an Gott und den leidenschaftlichen Einsatz für die Welt zugleich. Gerade weil ich die große Tradition der Benediktiner kenne, macht mich die Beendigung hier traurig. Die Strahlkraft benediktinischen Lebens ist hier erloschen. Erinnern wir uns an die lebendige monastische Tradition in unserer Diözese: Ich verbinde damit meinen Dank an die Frauenorden und ihre Klöster hier in Oberschwaben. Es gibt 2.200 Schwestern: Benediktinerinnen, Vinzentinerinnen, Franziskanerinnen. Sie sind von unschätzbarer Bedeutung für unsere Diözese Rottenburg-Stuttgart, durch ihr Gebet, ihren Einsatz für die Bildung, für die Schwachen, Armen und Kranken, für Kinder und Jugendliche. Beten Sie, liebe Schwestern und Brüder, dass dieses klösterliche Leben uns allen erhalten bleibt und sich weiterentwickelt. Tun wir selbst unser Möglichstes, dass junge Menschen sich rufen lassen. Ich selbst möchte als Bischof versprechen, alles zu tun, damit monastisches Leben möglich bleibt und neu möglich wird.

Die beherzte Annahme des Wortes Gottes und der dem angemessene konkrete Lebensstil im Miteinander wird in Zusammenhang gebracht mit dem Verstehen, ja mit der Nähe Gottes. In Jesus Christus fallen Gottes und der Menschen Sache ununterscheidbar zusammen, in ihm sagt Gott uns zu: Ja, Mensch, ich bin ganz bei dir. Beherzige meine Worte, nimm zuerst und zuletzt mein tiefstes, mein schönstes Wort dir zu Herzen und folge ihm nach. Die Bindung an Gott und der Einsatz für die Menschen gehören zusammen. Daraus erwächst eine Kultur, wie sie hier in Oberschwaben lebendig ist. Deshalb haben wir Grund und Auftrag, den Boden unter den Füßen und die Kraft des Handelns, auch selbst ganz füreinander da zu sein. ‚Allezeit beten und darin nicht nachlassen’: Auf diese Quelle können wir immer wieder zurückgreifen, uns besinnen: dann werden wir fähig, Einheit zu stiften, weil wir um unsere erste und letzte Einheit wissen. Ora et labora! Betet, haltet Beziehung zum lebendigen Gott – und seid aus dieser lebendigen Bezie-hung tätig für ein gutes, geistlich geprägtes Miteinander in einer diako-nisch-missionarischen Kirche. Heute und auch in Zukunft.

So stellt uns alle der heutige Abend durchaus auch vor die Frage, wo denn der Ort des Ora et Labora in unserer Welt ist. Er stellt uns alle neu vor die Frage, wie es denn im eigenen Leben mit der Dimension des Gebetes, des Heiligen und des Heiles aussieht. Nehmen wir uns die notwendige Zeit, um im besten Sinn Zeiten des Gebets, der Ruhe und Stille vor Gott einzurichten, um jener ganz anderen Dimension begegnen zu können, die doch unser aller Leben und Handeln trägt? Dabei sprechen doch auch die gleichnishaften Worte des heutigen Evangeliums dazu eine nur allzu klare Sprache. ‚Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, auf der Erde noch Glauben vorfinden?’ Wahrlich, das ist eine bedrängende Frage, und der leise Abschied der Mönche hier aus Weingarten, den wir heute Abend miteinander begleiten, verstärkt die Sorge und die Bedrängnis, die aus dieser Frage sprechen.
Die Frage, ob Christus auf der Erde zukünftig noch Glauben antreffen wird, soll und will uns aufscheuchen, die Sache des Glaubens, unsere Kirche, zu unserer eigenen zu machen. Es ist Zeit der Bewährung, der Geduld und des beharrlichen Betens. Die Gemeinschaft der Benediktiner steht zeichenhaft dafür. Und unsere Kirche insgesamt ist eingeladen und gefordert, sich von diesem Zeichen herausfordern zu lassen. Sie ist auch gefordert, eine Antwort auf das Zeichen zu geben, das die Entwicklung hin zum Weggang der Mönche hier vom Martinsweg bedeutet. Wir sind als Christinnen und Christen, aber auch als Kirche insgesamt eine Antwort auf diese Frage zu geben. Eine Antwort auf die Frage, die uns letztlich der Herr selbst mit auf unseren Weg gibt: ‚Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, auf der Erde noch Glauben vorfinden?’ Jede und jeder von uns ist aufgerufen, mit seinem Lebenszeugnis, mit seinem Glaubenszeugnis den christlichen Glauben weiterzugeben. Nehmen wir aus dem Gebet und der Feier der Eucharistie die Kraft dazu.

Amen.

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