Bischof Dr. Gebhard Fürst: Predigt beim Pontifikalrequiem für Generalvikar em. Prälat Eberhard Mühlbacher

Dom St. Martin, Rottenburg, 29. August 2016

Schrifttexte: L.: 2 Kor 5,17-21; Ev.: Joh 14,1-6

Verehrte liebe Angehörige von Prälat Eberhard Mühlbacher,
liebe Mitbrüder im geistlichen Dienst,
liebe im Glauben an unseren auferstandenen Herrn Jesus Christus versammelte Schwestern und Brüder!

„Wechselnde Pfade, Schatten und Licht, alles ist Gnade, fürchte dich nicht.“ Diese Worte, so schreibt Eberhard Mühlbacher selbst in seinen Lebenserinnerungen, „haben meinem gesamten Leben besondere Prägung verliehen“. Liebe Schwestern und Brüder, das sind Verse eines einfachen Kanons. Eberhard Mühlbacher hat ihn in seiner Jugendzeit gerne gesungen. Höhen und Tiefen, Schatten und Licht, all das sind Facetten unseres irdischen Lebens. Eberhard Mühlbacher hat die ihm zugedachten und erlebten Widerfahrnisse angenommen als Christ und weit über unsere Diözese hinaus hoch geschätzter Priester. Mit Prälat Eberhard Mühlbacher, unserem ehemaligen Domkapitular und Generalvikar, hat Gott einen Menschen zu sich gerufen, dessen Leben und Wirken über sechs Jahrzehnte hinweg aufs Engste verwoben war mit der Geschichte der Diözese Rottenburg-Stuttgart, ja verwoben mit der weltweiten katholischen Kirche. Jetzt möge er im Licht des ewigen Lebens leben.

Der Verstorbene gehört einer Priestergeneration an, die in besonderer Weise geprägt ist vom Zweiten Vatikanischen Konzil. Als Sekretär von Bischof Carl Joseph Leiprecht nahm er als sogenannter „Assignator“, als „Platzanweiser“, am Konzil teil. So war er mitten im Petersdom unter den Konzilsvätern und knüpfte damals schon, weltgewandt und sprachbegabt wie er war, viele Beziehungen, die er nach der Konzilszeit weiterentwickelt hat. Die lebendige Teilnahme am Konzil hat den jungen Priester in seinem Verständnis von Kirche und seinem seelsorgerlichen Handeln sehr beeinflusst. – In der Konstitution „Gaudium et spes“ sagt das Konzil: „Es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in den Herzen der Jünger Christi seinen Widerhall fände.“ Diese neue Ansage der Aufgabe der Kirche in der Welt von heute, „die Zeichen der Zeit zu erforschen und im Licht des Evangeliums zu deuten“, mit Sachverstand - wie er zu der Formulierung des Konzils immer hinzufügte - hat Eberhard Mühlbacher, wie er selbst rückblickend auf sein Wirken sagte, in all den Jahrzehnten die ihm geschenkt waren, geprägt. Es war für ihn eine lichte, eine lebendige Zeit: ein Schlüsselerlebnis, das ihm geschenkt wurde: „Alles ist Gnade“ – so sein Lebenskanon.

Doch das Leben hielt für den Verstorbenen nicht nur strahlende und leuchtende Momente bereit: Als er am 24. Mai 1927 in Ludwigsburg geboren wurde, stand die finstere Zeit des Nationalsozialismus und des Dritten Reiches vor der Tür. In seiner Jugend musste er durch diese dunkle Schatten-Zeit hindurch. Besonders durch die Teilnahme am Zweiten Weltkrieg. Er war in russischen Kriegsgefangenschaft. Wie durch ein Wunder schaffte der schwer gezeichnete und ausgezehrte junge Mann den Weg nach Hause. Er hat aus dieser Zeit gelernt und seine bisherigen Pfade gewechselt. Im Jahr 1949 trat er ins Tübinger Wilhelmstift ein, um Theologie zu studieren und Priester zu werden. Bischof Carl Josef Leiprecht spendete ihm 1953 das Sakrament der Priesterweihe. Er holte ihn nach seinen Vikarsjahren nach Rottenburg zurück als seinen Bischöflichen Sekretär. Zehn Jahre lang, bis 1967, durfte Mühlbacher diese Aufgabe ausüben. Insgesamt 32 Jahre gehörte er der Diözesanleitung an. Zunächst als Ordinariatsrat für die Bereiche Ausländerpastoral und Weltkirche und später dann bis 1981 als Domkapitular. Von 1981 bis 1993 war er bei Bischof Georg Moser und Bischof Walter Kasper Generalvikar. Bischof Moser war es, der ihm seinen großen persönlichen Herzenswunsch erfüllte, zusätzlich zum Amt des Generalvikars weiterhin das Referat Weltkirche zu leiten. Das war für ihn sicher eine Lichtzeit. „Mein Hobby“, so sagte Mühlbacher mit seinen manchmal gnitzen, schalkhaften Formulierungen, „war nicht das Reisen, sondern die Weltkirche. Und die war mir weniger ein Hobby, als eine Lebensaufgabe, für die ich beim Zweiten Vatikanischen Konzil motiviert wurde“. Bis heute blicken wir dankbar auf sein Engagement zurück, das reiche Früchte trägt. Denn aus diesen Anfängen ist mit Gottes Hilfe ein weltweites Partnernetzwerk entstanden, das unsere Diözese mit Diözesen in allen Kontinenten verbindet.

Eine für die kommende Entwicklung entscheidende Anekdote aus der Konzilszeit darf ich erzählen. Ich habe sie selbst von Mühlbacher gehört: In seiner unnachahmlichen Art erzählt Mühlbacher folgende Szene: Der Sitznachbar von Bischof Leiprecht in der Konzilsaula war der Bischof der Diözese von Santiago del Estero in Argentinien. „Wenn Bischof Carl Joseph eintraf“, schreibt Mühlbacher in seinen Erinnerungen, „stellte der argentinische Bischof ein Bildchen des heiligen Karl Borromäus vor sich aufs Pult und betete „Heiliger Karl Borromäus, bewege doch das Herz meines Freundes Carl, dass er mir zwei Priester schenkt.“ Leiprecht, der des Spanischen nicht mächtig war, fragte Mühlbacher, was denn sein Nebensitzer da vor dem Bild seines Namenspatrons bete. Nachdem der Bischof aufgeklärt war über die Bitte seines Kollegen, sagte ihm Carl-Josef Leiprecht Priester aus unserer Diözese für die Diözese Santiago del Estero zu. Dies war der Beginn einer weltkirchlichen Partnerschaft, die über den halben Erdkreis hinweg bis heute besteht. Sie prägt und inspiriert das pastorale Handeln unserer Diözese nachhaltig.

Dass die Diözese Rottenburg-Stuttgart weit über die Diözesangrenzen hinaus zum Markenzeichen für die weltweite Zusammenarbeit und Hilfe wurde, das ist maßgeblich der Verdienst des Verstorbenen. Daran erinnern sich in großer Dankbarkeit und Verbundenheit Menschen in zahlreichen Ländern der Welt. Am Schluss des Requiems werden wir Auszüge aus Kondolenzschreiben hören.

„Wechselnde Pfade, Schatten und Licht“, Höhen und Tiefen musste der Verstorbene auch in den Jahren seines Ruhestandes seit 1999 immer wieder erfahren – insbesondere in den letzten Jahren, als seine Kräfte zu schwinden begannen. Trotz der Beschwernisse des Alters und der Krankheit hielt er in unerschütterlichem Glauben an dem fest, wovon er sein Leben lang zehrte: Der Erfahrung der Gnade des Lebens in der Nachfolge Christi. Am 18. August 2016 ist er im Altenheim Bischof Sproll in Horb versehen mit den Sterbesakramenten und gut begleitet verstorben.

„Wir sind also Gesandte an Christi statt, und Gott ist es, der durch uns mahnt“, so beginnt der Primizspruch Eberhard Mühlbachers. Wir haben dieses Wort aus dem zweiten Korintherbrief in der Lesung von heute im Liedheft unter das Bild des Menschen aus Not, Elend und Tod rettenden Auferstehungs-Christus geschrieben. Rückblickend auf das Leben des Verstorbenen lesen wir dieses Wort des Apostels Paulus als Leitwort des Lebens von Eberhard Mühlbacher. „Wir sind also Gesandte an Christi statt“. In die Nachfolge Jesu Christi hat Eberhard Mühlbacher sich senden lassen. Seinen priesterlichen Dienst hat er zugleich immer als prophetisch und diakonisch-missionarisch verstanden. Als Gesandter Jesu Christi hat er die frohe, versöhnende und heilende Botschaft des Evangeliums praktisch und ganz konkret hinausgetragen in die Welt und zu den Menschen zahlreicher Völker und verschiedener Herkunft. An Christi statt hat er zusammen mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unzählige Menschen durch die weltkirchliche Arbeit aus Not und Elend gerettet, aus den Fesseln todgeweihter Situationen befreien können und so Zukunft und Hoffnung ermöglicht.

Als selbst von den erschreckenden Schatten des Zweiten Weltkriegs Betroffener hat er auch die Versöhnung der Menschen untereinander und unter den verschiedenen Nationen zu seiner Lebensaufgabe gemacht.

„Wir bitten an Christi statt“, so fährt der Primizspruch fort, „lasst euch mit Gott versöhnen.“ Für uns heute und mehr denn je von großer Bedeutung: durch pastorales Handeln Versöhnung stiften. - Und Eberhard Mühlbacher wird dieses Wort auch auf sich selbst bezogen haben, dort wo er unversöhnt war mit seinem Leben mit den Menschen um ihn herum, mit der Welt, in der er lebte, mit den Schatten, die er erleben musste.

Die empfangende Versöhnung, davon ließ sich der Verstorbene erfüllen und motivieren. Im Tod wird ihm selbst die Versöhnung mit Gott von Gott geschenkt: alles ist Gnade … Jesus Christus, Weg, Wahrheit und Leben für uns ist durch seinen Tod und seine Auferstehung unserem Bruder vorausgegangen und hat ihm eine ewige Wohnung bereitet. Gott, der Vater, schenke ihm die ewige Ruhe! Ja, ewige Freude!

Amen.

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