Bischof Dr. Gebhard Fürst: Predigt beim Religionslehrertag 2008

Obermarchtal

Schrifttexte: 2 Tim 4,1-8; Mk 12,38-44

Liebe Schwestern und Brüder,

‚verkünde das Wort, tritt dafür ein, ob man es hören will oder nicht’!

Dieser Imperativ aus dem 2. Timotheusbrief steht über diesem Gottesdienst. Damit ist im Grunde alles gesagt, was entscheidend ist für unsere Kirche, für unseren Auftrag als Christen, für unser Leben aus dem Glauben. Dies gilt auch für einen qualifizierten Religionsunterricht: Hier sind der Maßstab und der Orientierungspunkt gegeben, um mitten in einer säkular geprägten Welt, die Frohbotschaft zu verkünden. Um mitten in unserer Zeit Zeugnis abzulegen von der Hoffnung, die uns erfüllt.

Hierbei sind in der Formulierung drei Facetten bemerkenswert, die ich daher nochmals näher betrachten möchte: ‚verkünde das Wort’: Auch und gerade unsere Zeit braucht dringend die Botschaft, das lebensschaffende, erlösende Wort. Vor allem junge Menschen warten sehnsüchtig darauf, weil sie spüren, dass das, was die Welt der bunten Bilder, der Werbung und schreienden Medien, die Welt des ‚Geiz ist geil!’ nicht alles ist. Sie warten darauf, auch wenn diese Sehnsucht sich oft verbirgt unter dem Schein von Desinteresse und vermeintlicher Coolness. Da muss die Botschaft geduldig sein, liebevoll werben, vielleicht auch warten können auf den rechten Kairos für ein Gespräch, eine Begegnung, eine Geste, ein Zeichen. Und wir müssen findig sein, die eine Botschaft in immer neuen Geschichten zu erzählen, die richtigen Worte für das eine Wort zu finden, zu erfinden. Für eine missio-narische Kirche gilt: „Wovon wir überzeugt sind, davon reden wir, was wir erfahren haben, das bezeugen wir.“ (Joh 3,11)

Ein zweiter Gedanke: ‚verkünde das Wort, tritt dafür ein’:
Paulus selbst ist ein existentiell mitreißender Zeuge für die Botschaft des Evangeliums: Er macht ganz klar, dass christliche Verkündigung stets auch mit dem eigenen Leben zu tun hat, das derjenige führt, der sie verkündet.

Die Einheit von Glauben, Leben und Handeln können wir in einmaliger und anstiftender Weise bei Jesus von Nazareth erfahren. Sie ist auch der Maßstab für unser eigenes Leben als Christen. Die Botschaft, die wir verkünden, wird erst dadurch glaubwürdig, wenn wir mit dem Leben, das wir führen, dafür einstehen, dafür eintreten. Hier liegt der entscheidende Unterschied zwischen einem Berichterstatter und einem Glaubenszeugen. Hier unterscheidet sich, konkret gesprochen, das Halten eines weltanschaulich neutralen Ethikunterricht vom engagierten Zeugnis, das durch einen profilierten Religionsunterricht und von einem Religionslehrer ausgeht. Der Philosoph Max Scheler erwiderte auf die Anfrage, dass er nicht so lebe, wie seine Ethik es sage: ‚Ein Verkehrsschild muss auch nicht den Weg gehen, den es anzeigt.’

Liebe Schwestern und Brüder, genau hier liegt das unterscheidend Christliche und das Besondere des Religionsunterrichts: Glaubwürdig werden Verkündigung und Lehre durch ein Leben, das dieser Botschaft entspricht. Edith Stein sagte einmal: „Man kann nur in das einüben, was man selbst lebt.“

Jesus verleiht seiner Botschaft durch sein Leben ein glaubwürdiges Profil. Jesus selbst nimmt sich die Zeit, um sich mitzuteilen. Er gibt Menschen, die ihm begegnen, den nötigen Raum, ihn kennen lernen zu können. Er lädt dazu ein, gemeinsam Leben zu teilen und so Konturen seines Lebens zu lernen. Und er lädt uns ein, in seiner Nachfolge ebenso deutlich erkennbar zu sein, Profil zu entwickeln, immer mehr eins zu werden mit der Botschaft, die man vertritt. Gerade im Interesse eines Dialogs, einer Begegnung gilt, mit einem Wort von Hermann Hesse: Gestaltlose Schatten begegnen sich nicht. Christen sind keine konturlosen Schatten, sondern Zeitgenossen, die mit ihrem Profil im Denken, Leben und Handeln erkennbar sind, Menschen, die durch ihr Leben und ihre Botschaft der Zeit ein glaubwürdiges Zeichen der Hoffnung geben.

Und ein letzter Punkt: ‚verkünde das Wort, tritt dafür ein, ob man es hören will oder nicht’! Im christlichen Religionsunterricht geht es entscheidend um Inhalte und ihre verlässliche Weitergabe. Es bedarf auch der manchmal lästigen Erinnerung, wofür die Kirche steht. Und das ist auf den Punkt gebracht der christliche Glaube. Ihn dürfen wir nicht verschweigen und opportunistisch anpassen. Er darf weder selbstgenügsam noch fundamentalistisch werden. Entscheidend bleibt die Verkündigung des Wortes Gottes, und zwar ausdrücklich, sei es gelegen oder ungelegen für die Verkündiger oder die Adressaten. Ungelegen ist dieses Wort, wo es auch widerspricht, etwa der Ökonomisierung unserer Gesellschaft und des menschlichen Lebens.

Und hier sind wir heute mehr gefordert denn je. Die Welt und die Menschen unserer Tage, besonders die Kinder und Jugendlichen, sie brauchen keine Verdoppelung ihrer Resignation und Hoffnungslosigkeit. Sie brauchen dringend das Zeugnis unserer gelebten Hoffnung. Denn sie können nur Zukunft haben, wenn die Kraft der Hoffnung lebendig ist.

Sie brauchen die widerständige Erfahrung einer frohen Botschaft vom Leben, das ihrem Leben Sinn und Orientierung geben kann. Denn sie können nur gut leben, wenn sie souverän sind, nicht ohne Sinn, nicht ohne Orientierung: die frohe Botschaft des Glaubens gibt Sinn und Orientierung.

Das Missionarisch-Kirchesein verwirklicht sich auch in profiliertem, konturenreichen Religionsunterricht und in einer engagierten, die Schulkultur inspirierenden Pastoral: ‚verkünde das Wort, tritt dafür ein, ob man es hören will oder nicht’!

Amen.

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