Bischof Dr. Gebhard Fürst: Predigt Chrisammesse 2002

Rottenburg, St. Moriz

Liebe Mitbrüder im priesterlichen Dienst!

Liebe Schwestern und Brüder!

‚Freudenöl statt Trauergewand, Jubel statt der Verzweiflung!‘ Was für ein treffender Ausruf aus der heutigen Lesung, ein Ausruf, der zugleich als Motto über unserer Eucharistiefeier stehen könnte, in der wir die Heiligen Öle weihen werden: das Katechumenen-Öl für die Taufbewerber, das Öl für die Kranken und den Heiligen Chrisam.

Ich begrüße Sie zu dieser feierlichen Eucharistiefeier, freue mich über unser Zusammensein und heiße Sie alle ganz herzlich willkommen! Aus allen Dekanaten unserer Diözese sind Sie heute hierher gekommen, wir sind so ein Zeichen der lebendigen Einheit und Verbundenheit zwischen allen Dekanaten und Pfarreien: vom Bodensee bis ins Hohenlohische, vom Schwarzwald bis zur Ostalb. Wenn Sie später die geweihten Öle mitnehmen und an all ihre Orte bringen werden, wird so in wirksamen Zeichen die spürbare und heilsame Nähe Gottes in unserer Communio ausgedrückt.

Aber besinnen wir uns zunächst auf sein Wort, wie es uns in den beiden Schrifttexten des Tages begegnet ist. Nutzen wir das Angebot zweier Worte aus der heiligen Schrift, die sich wechselseitig erschließen und uns so frohe Botschaft bringen.

Da ist zunächst der Abschnitt aus dem Prophetenbuch des Jesaja, verheißungsvoll und eine mitreißende Zusage auf die ausstehende Zukunft Gottes. Jesaja schreibt in einer Sprache, die Hoffnungspotentiale weckt und stiftet. ‚Die Armen erhalten frohe Botschaft, die zerbrochenen Herzen werden geheilt, die Gefangenen werden entlassen, die Gefesselten befreit, Trauernde werden getröstet ...‘

Ja: Die Zukunft Gottes ist nicht die langweilige Verlängerung des Bekannten in die Zukunft. Nein, sie ist die Zeit, in der Gottes Nähe spürbar und heilsam anbricht, in der Reich Gottes. Aber schon der Jesajatext sagt mehr aus, er zeigt, dass diese zugesagte Hoffnungsgröße in die Gegenwart hineinwirkt: ‚Ihr alle werdet Priester des Herrn genannt, man sagt zu euch Diener unseres Gottes. Jeder, der sie sieht, wird erkennen: Das sind die Nachkommen, die der Herr gesegnet hat.‘

Menschen, die gesalbt und gesegnet sind, leben in der Welt als Frohbotschafter des Reiches Gottes, sie sind ‚Anwalt‘ dieser Zukunft Gottes. Wer sich von dieser Zukunftsvision bestimmen läßt, für den verändert sich das Heute, er vollzieht Perspektivenwechsel und wird zum Mittäter bei der Veränderung der Gegenwart. Wer als Hoffnungsgeschichte so von Gottes Zukunft hört, findet sich auch mit der Gegenwart nicht ab. Jesaja ist kein Träumer und Utopist. Er überbringt die Zusage Gottes, die lautet: Wer diesen Perspektivenwechsel vollzieht, der hat Gott auf seiner Seite. ‚Freudenöl statt Trauergewand, Jubel statt der Verzweiflung!‘

Schauen wir den zweiten Text des heutigen Tages an und nehmen ihn nochmals aufmerksam zur Kenntnis. Jesus geht am Sabbat in die Synagoge und ergreift während des Gottesdienstes die Initiative. Er will die Schriftlesung vortragen und liest die Passage vor, die auch uns eben beschäftigt hat. Er trägt sie vor, setzt sich und alle Augen sind erwartungsvoll auf ihn gerichtet, ohne im Entferntesten zu ahnen, auf welch unglaubliche Weise dieser junge Mann, den alle doch als den Sohn des Zimmermanns kennen, die Schrift auslegen wird. Er sagt nur, und damit sagt er im wahrsten Sinne alles: ‚Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.‘ Jesaja hatte die Zukunft Gottes als Frohbotschaft verheißen und Jesus spricht, indem er sie vorliest, über sich selbst, er spricht sich selbst aus als die Frohbotschaft. Er sagt den Menschen zu, dass die Zukunft Gottes in ihm Gegenwart geworden ist. Hier und heute ist die Verheißung als Wahrheit eingetreten, sie hat sich erfüllt. Jesus faßt in einem Satz die Frohe Botschaft zusammen: Ich bin für euch die Gegenwart, die heilsame Nähe Gottes. Ich bringe das Heil, das Jesaja verkündet hatte, ich breche das Reich Gottes an für die Armen, die Gefangenen, die Blinden und die Zerschlagenen. Die Gnade Gottes ist heute erfahrbar!

Auch wenn sich die Szene nicht historisch so zugetragen hat, die Stelle nicht wörtlich so abgelaufen sein wird, so ist doch der Anspruch deutlich, mit dem Jesus aufgetreten ist, und es läßt sich ahnen, wie das auf die Menschen gewirkt hat und bis heute wirkt. Jesus ist die Erfüllung der Schrift, in ihm ereignet sich das, worum es Gott mit den Menschen geht. Jesus präsentiert sich als den Messias, er macht sich ganz präsent für die Menschen und verwirklicht zugleich sein Programm, die Zukunft Gottes im Heute der Menschen: Heil für die Menschen, gerade für die Armen, Niedergebeugten, die Ausgegrenzten, die Anderen. Sie sind die Adressaten der frohen Botschaft, heilsame Nähe Gottes für die Menschen – nicht nur im Wort, sondern in der befreienden Tat.

Wie geht es uns damit? Wir, die wir dem Anspruch Jesu glauben? Wir, die wir seinen Namen tragen, die wir ihm nachfolgen wollen, denen sein Programm unsere Frohbotschaft und unsere Verpflichtung ist? Wir sind getauft auf den Geist Jesu, seine Nachfolge fordert uns täglich auf, umzukehren, uns heute auszurichten auf seinen Ruf: ‚Armen Heil bringen, Gefangenen Freilassung, Blinde aufblicken lassen, Zerschlagene in Freiheit setzen...‘ Programm genug, und es ist nicht zweideutig, vielmehr zweifellos erkennbar. Jesaja hatte es bereits klargestellt: ‚Jeder, der sie sieht, wird erkennen: Das sind die Nachkommen, die der Herr gesegnet hat.‘

Wenn wir die Öle heute segnen und sie anschließend in unsere Gemeinden hineintragen, so mögen sie uns wirksam erinnern: ‚Der Herr hat uns gesalbt, der Geist Gottes, des Herrn, ruht auf uns.‘ Das ist Zusage und Anspruch, Frohe Botschaft und Ruf in die Umkehr in einem. Gehen wir in unser Heute, leben und handeln wir als gesalbte Menschen, die im Geist Jesu Christi die Zukunft Gottes in der Gegenwart anbrechen. Menschen, die die Trauergewänder der Welt mit Freudenöl verwandeln!

Amen.

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