Bischof Dr. Gebhard Fürst: Predigt in der Osternacht 2002

Rottenburg, St. Moriz

Liebe Schwestern und Brüder!

‚Christos anesti!‘ – Mit diesem freudigen Ruf begrüßen zu Ostern in Griechenland einander die Menschen. Christos anesti, das heißt: Christus ist auferstanden, und es greift den zentralen Satz des heutigen Evangeliums und der ganzen Osterbotschaft auf. Christos anesti, er ist auferstanden, mit eben diesem Satz begegnet der Engel am Grab den Frauen, die vergeblich nach dem Gekreuzigten und Begrabenen suchen.

Spüren wir dem Wort im gesamten Evangelium ein wenig nach, so stellen wir fest, dass das Aufstehen und die Auferstehung schon immer im Zentrum des Redens und Handelns des Jesus von Nazareth gestanden hat. Schauen wir auf einen ersten zentralen Bereich, seine Verkündigung vom Reich Gottes. Dazu erzählt Jesus häufig in mitreißenden Gleichnissen, besonders bekannt ist etwa das Gleichnis vom Verlorenen Sohn. Wir kennen das alle, der Sohn, der sich sein Erbe auszahlen läßt, in die Welt zieht, kläglich scheitert, bei den Schweinen landet und schließlich reumütig nach Hause zurückkehrt.

Auf die Geschichte kommt es mir jetzt nicht weiter an, aber auf das Verhalten des Vaters: Der geht seinem Sohn voller Freude entgegen und ehe dieser seine Umkehr kleinlaut begründen kann, nimmt der Vater ihn in seine einladend-offenen Arme auf. So malt Jesus seinen Zuhörern das Reich Gottes aus: die offenen Arme des entgegengehenden Vaters. Und dieser Vater veranstaltet ein großes Fest, und jetzt kommt die für unseren Tag so wichtige Begründung: ‚Mein Sohn war tot und lebt wieder.‘ (Lk 15,24) Das Zentrum der Reich Gottes-Verkündigung Jesu ist die Aussage, dass neues Leben entsteht, dass Menschen zu neuem Leben aufstehen.

Schauen wir kurz auf einen anderen zentralen Bereich Jesu, sein wundersam heilendes Handeln. Denken wir nur an die Tochter des Jairus, die bereits tot daliegt, als Jesus endlich durch die Menschenmenge zu ihr hindurchgekommen ist. Und entgegen der Trauer, der Skepsis und auch dem Spott der Menschen, faßt Jesus sie an der Hand und ruft: ‚Mädchen, steh auf!‘. Und dann heißt es sehr genau: ‚Da kehrte das Leben in sie zurück, und sie stand sofort auf.‘ (Lk 8,54f) Aufstehen zu neuem Leben: das Zentrum der Frohbotschaft, die Mitte der Worte und Taten Jesu.

Dieses Zentrum seiner Verkündigung, den Anbruch des Reich Gottes als Aufstehen zu neuem Leben, dieses Zentrum, wird mit dem heutigen Tag von Gott endgültig bewahrheitet. Gott steht zu seinem Wort, die Worte und Taten Jesu von Nazareth, dass Tod nicht das letzte Wort ist, sie werden eben durch seinen Tod hindurch als wirksam und glaubwürdig erwiesen.

Christos anesti – Christus ist auferstanden, das heißt mit dem heutigen Tag auch: Die Frohbotschaft, die er erzählte und vorlebte, sie ist gültig, ein und für allemal. Der Mensch Jesus Christus ruft in seine Nachfolge, die Christen sollen zu erkennen sein als Gemeinschaft, die aufsteht zu neuem Leben, als Gemeinde, die aufsteht für das Leben.

Liebe Schwestern und Brüder: Nehmen wir ihn ernst, nehmen wir ihn beim Wort, weil er das glaubwürdige Wort Gottes nicht nur verkündet, sondern lebt. Der Glaube an die Auferstehung, der Glaube an das Auferstehen verändert unser Leben. Es ist doch klar, erinnern wir uns an den verlorenen Sohn, erinnern wir uns an die Tochter des Jairus. In beiden Fällen wird das Aufstehen zu neuem Leben doch unerhörte, ganz konkrete Folgen für deren weitere Geschichten gehabt haben. Und so auch für uns:

Wenn wir an die Auferstehung glauben, dann halten wir fest, dass unser Leben in seiner Fülle an unserem Ende nicht einfach ausgelöscht wird. Wie eng und begrenzt ist doch die Auffassung von menschlichem Leben, die wir heute überall vorfinden? Wir stehen als Christen dafür ein, dass menschliches Leben in seiner Fülle weit über das hinausreicht, was für einen rein naturwissenschaftlichen Lebensbegriff faßbar ist. Der auferstandene Christus kündet vielmehr von einer ewigen Würde des Menschen, die Leiden, Demütigung und Tod überwindet. Der auferstandene Christus kündet von der liebenden und heilenden Zuwendung Gottes zu unserer Person in ihrer Einmaligkeit und Unverwechselbarkeit auch über den Tod hinaus.

Der Glaube an die Auferstehung ist ein Bekenntnis zur Würde der menschlichen Person auch über das bloße diesseitige Leben hinaus. Ich glaube, dass gerade diese Botschaft des Osterfestes in unserer Zeit mitten ins Schwarze trifft. Viele Menschen, das ist eine verhängnisvolle Grundstimmung unserer Zeit, sehen sich selbst nur noch im Zusammenhang und in den Grenzen ihrer biologischen Lebenszeit. Da gilt es erfolgreich zu sein und Leistung zu bringen; das eigene Leben muß auf Biegen und Brechen zum Erfolg werden, weil danach nichts mehr kommt.

Bei vielen, liebe Schwestern und Brüder, nimmt dabei aber auch das Gefühl der Austauschbarkeit und der Belanglosigkeit der eigenen Person zu. Es ist etwa eine eklatante Mißachtung der Würde des Menschen, wenn durch irreführende Begriffe wie "therapeutisches Klonen" falsche Hoffnungen geweckt werden und versucht wird, um Zustimmung zu Menschenversuchen zu werben. Der Glaube an die Auferstehung ist dagegen ein Bekenntnis dazu, dass einem jeden Menschen jenseits der diesseitigen Glück- und Leistungsbilanz seiner gesellschaftlichen Existenz eine unverlierbare Würde zukommt – das gilt für den ungeborenen wie für den alten, den gesunden und leistungsfähigen wie den kranken und behinderten Menschen.

Wir sind eingeladen, unser eigenes Leben und das menschliche Leben insgesamt in einem neuen Licht – dem Licht des Osterfestes – zu sehen. Das Leben ist mit dem Tod nicht aus und vorbei. Nicht unser eigenes Leben und nicht das Leben irgendeines Menschen wird vor Gott in der Gleichgültigeit und Vergessenheit versinken. Gott hat in der Auferstehung Christi den Tod überwunden und das Leben neu geschaffen.

Christos anesti, Christus ist auferstanden. Halleluja,

Amen.

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