Bischof Dr. Gebhard Fürst: Predigt Vespergottesdienst

Esslingen

Schrifttext: Joh 21,1.15-19

Liebe Schwestern und Brüder!

Da war doch was. Da gab es etwas in der Geschichte des Petrus, was noch nicht in Ordnung gebracht war. Petrus hat es offenbar sofort gewusst, als Jesus mit ihm zu sprechen beginnt. Wir Zuhörer der Geschichte spüren es spätestens dann, wenn wir wahrnehmen, dass Jesus ihn drei mal dasselbe fragt. Es ist ein eigenartiges Fragen: Jesus, der hier fragt, erfährt von vornherein nichts Neues - und

Petrus ist das bewußt, und er spricht es aus: "Herr, du weißt alles." Neues jedoch soll hier offenbar der erfahren, der gefragt wird!

Wenn Gott fragt, da geht uns etwas auf. Da geht uns Gefragten etwas auf, da erfahren wir Neues, machen Erfahrungen, die unser Leben verändern.

Drei mal dasselbe gefragt werden - das saß in der Seele des Petrus wie ein Stachel. Im Innenhof des hohenpriesterlichen Palastes ist es gewesen, erst wenige Tage ist es her. Wie hatte er der Magd am Holzkohlenfeuer geantwortet? "Da fing er an, sich zu verfluchen und zu schwören: Ich kenne diesen Jesus gar nicht!" Drei mal dieselbe Frage, drei mal das feige Versagen, und dann der Hahnenschrei. Dann hatte er bitterlich geweint. Unwürdig bin ich, alles habe ich selber ausgelöscht, was Kern und Stern meines Lebens geworden war. Diese Erfahrung kommt nun wieder hoch: "Herr, du weißt alle Dinge": Du weißt, durch welche Hölle ich gegangen bin in diesen Tagen seit meinem Verrat. Du kennst meine schwächliche Begeisterung, meine hohle Tapferkeit, meine Tränen, meine brennende Scham. Alles liegt ausgebreitet vor dir wie ein Tuch.

Soweit also ist es mit Petrus gekommen: Er, der doch schon alles von Jesus wußte. Er hatte ihm die Botschaft vom Gottesreich, das kommen werde und zugleich schon mitten unter uns sei, geglaubt, hatte aus seinen Händen Brot und Wein empfangen, seinen Prozess gesehen und seinen Tod erlebt. Ja, er hat sogar die Kunde von seiner Auferstehung vernommen und in das leere Grab selbst hineingeschaut. Aber wir werden als Zuhörer seiner Geschichte den Eindruck nicht los, dass bisher alles irgendwie äußerlich geblieben ist und noch nicht wirklich Ostern für Petrus geworden ist. Erst hier, in dem Zwiegespräch mit dem Herrn, fängt sein wahrer Ostertag an. Erst bei dieser Begegnung am See macht er die entscheidende Erfahrung, weil sich der auferstandene Herr jetzt erst in das Leben des Petrus einhakt. Was vorher lautete: das ist so!, das heißt nun: das ist mit dir so! Dies verändert den Mann bis in die letzte Faser. So fängt lebendiger Osterglaube wohl immer an bis zum heutigen Tag. Er muss sich einhaken in unsere eigene Geschichte: Ich muß es erfahren, es geht um mich.

Und genau das geschieht da am See: Ob Petrus jetzt auch zum Weinen zumute war? Das Evangelium erwähnt, er sei traurig geworden bei der dritten Frage, und wir können uns die Tränen dazu gut denken. Aber es sind andere Tränen als die von damals, die Tränen der verzweifelten Scham. Jetzt sind es Tränen der Erleichterung, der Befreiung, des Glücks, trotz aller Traurigkeit. Nicht nur, dass er noch mit mir redet, nein, wie er es tut!

Denn an diesem Tag macht Petrus eine neue Erfahrung für sein Leben: Ich werde ja nicht fallen gelassen, sondern noch einmal gefragt, diesmal nicht nach meiner Schande, nein, nach meiner Liebe. Denn sein Fragen macht nicht herunter und zieht mich auch nicht in Zweifel. Es bringt mich zum Sehen, dazu, dass ich erkenne, wer ich bin, wo ich bin. Christ - bin ich Christ? Liebe ich den Herrn? Bei diesen Fragen befrage ich mich selbst, mein eigenes Leben gerät in den Blick, Zweifel kommen auf an oft zu Glattem und ich will profiliert Antwort geben. So muß es immer geschehen, ob Jesus Petrus begegnet oder mir.

Aber Jesu nächster Satz ist, als hätte er die Antwort gar nicht gehört, gar nicht zugehört: "Weide meine Lämmer!" Petrus soll Hirte sein, wird mit dem Hirtenamt betraut. Das ist der Auftrag, auf den alles zuläuft: Das Wort "Hirte" hat seit Jesus einen festen Ort in der christlichen Gemeinde. Wer das Johannesevangelium kennt, hat dabei im Hinterkopf: "Der gute Hirte läßt sein Leben für die Schafe." Der Hirte Petrus soll eins werden mit seinem Hirtenamt, so sehr, dass er ganz auf Eigenwege verzichten kann und seinem Herrn bis ins Letzte folgen wird. Das ist nämlich gemeint mit dem "führen, wohin du nicht willst". Daran soll sich erweisen, ob wir ihn lieben: indem wir uns dabei führen lassen, wohin wir nicht wollen, wohin wir um keinen Preis wollen, wovor wir Angst haben,wovon uns alle guten Gründe abraten, wovor der gesunde Menschenverstand uns dringend warnt, wovor unsere Seele zurückschaudert. Dass wir uns führen lassen - führen lassen auch auf Wegen, wo unsere tastenden Hände ins Leere greifen und wir selber abstürzen, den Boden verlieren, untergehen, "verbuttert" und "verheizt" werden.

Das ist das Vorzeichen über der Berufung: "Folge mir nach!"

Jeder Hirte, sei er nun Pastor, Pastoralreferentin, Religionslehrer, Mitarbeiter, Kirchenvorsteher, theologische Lehrerin, Kindergottesdiensthelfer, oder auch schlicht eine christliche Mutter und Vater für ihre Kinder (lauter Hirtenämter!) - sie alle sollen wissen: ich habe meinen Auftrag vom auferstandenen Herrn. Da hat er mich gerufen, da hat er sich in mein Leben eingehakt, seitdem bin ich sein.

Am Ende des Evangeliums steht ein neuer Anfang, da steht ein Mensch, der seine finstere Vergangenheit los ist und der einen neuen Auftrag hat. Das Leben kann noch einmal beginnen. Da fasst er sich ein Herz und sagt: Ja, Herr.

 

So sei es: Amen.

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