Bischof Dr. Gebhard Fürst: Predigt zu Pfingsten 2003

Stuttgart, St. Eberhard

Schrifttext: Apg 2,1-11; Joh 20,19-23

Liebe Schwestern und Brüder!

‚Fun, fun, fun’, so singen die Kids und Angebote locken mit Spaß, Spaß, Spaß! Es hat sich wohl herum gesprochen: wir leben in einer Spaßgesellschaft. - Taugt ein solcher Aufhänger für die Predigt am Pfingstfest? Was hat Spaßgesellschaft mit Heiligem Geist zu tun? In der Tat, beide liegen weit, weit auseinander. Der Heilige Geist macht nicht einfach Spaß und wer Spaß will sucht ihn nicht beim Heiligem Geist.

Viele Menschen in unserer Zeit verspüren einen Durst nach Leben. Und viele Menschen, gerade auch junge, empfinden einen frustrierenden Mangel an Freude im grauen Alltag. Durst nach Leben und Sehnsucht nach Freude, das steckt tief in jedem von uns. Steckt nicht das hinter fun, fun, fun und dem ‚Gib Gas für Spaß’!? - Erfüllt die Spaßgesellschaft unseren Lebensdurst, erfüllt sie unsere Sehnsucht nach Freude? Nützt die Spaßindustrie beides nicht nur geschickt aus?

Leben und Freude? Wenn Menschen von einem Event zum anderen hasten?

Leben und Freude, wenn sich viele krumm legen, um die Kosten aufzubringen, die der ganze Spaß kostet?

Was verschafft uns Leben? Was verschafft uns Freude?

„Komm heiliger Geist, der Leben schafft, erfülle uns mit deiner Kraft“ (GL 241,1) so singen, ja so bitten wir in einem der schönsten Hymnen auf den Gottesgeist am Pfingstfest. Heiliger Geist, der Leben schafft und uns erfüllen kann. Das klingt verheißungsvoll, aber bleibt doch reichlich abstrakt und unanschaulich!

Da ist es gut, dass wir alle einen kennen, an dem wir ablesen können wie heiliger Geist Leben schafft. Der EINE, der Leben schafft aus Gotteskraft wie keiner sonst zuvor und auch danach ist Jesus von Nazaret. Er lässt uns sehen, hören, spüren, ja leibhaftig erfahren, wie das aussieht, ja was das bewirkt, wenn einer Leben schafft aus dem Gottesgeist.

Die Evangelien bezeugen uns, dass „Jesus ganz erfüllt ist von der Kraft des Heiligen Geistes“ (Lk 3,14; 4,1). Als Jesus in seiner Heimatstadt in die Synagoge geht, liest er aus dem Propheten Jesaja die bezeichnende Stelle vor: „Der Geist Gottes ruht auf mir; denn er hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; ... damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herr ausrufe.“ (Lk 4,18f) Soweit Jesaja. – Jetzt rollt Jesus die Schriftrolle zusammen und sagt: „Heute hat sich das Schriftwort erfüllt!“ Jesus also sagt von sich selbst jetzt: „der Geist Gottes ruht auf mir; denn er hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe, damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze...“ Jesus sagt von sich: Ich bin der von diesem heiligen Gottesgeist ganz und gar erfüllte, durch mich und durch meine Taten und Worte spricht und wirkt dieser Gottesgeist.

Liebe Schwestern und Brüder! In Jesu Dasein, in seinem Handeln, in seinem Verhalten, erleben wir, wie Gottes Geist sich äußert. Alle Worte Jesu und alles, was er getan hat an den Menschen und für sie, sind Wirkungen des Geistes, der Leben schafft. Das Erfülltsein von Gottes gutem Geist macht diesen Menschen aus Nazareth so attraktiv, so anziehend. Und sie, die Lebensdurstigen, kommen von überall her zu ihm: die armen, die unfeinen und ungebildeten Leute, die traurigen und hoffnungslos gescheiterten, die geplagten Leute, auch die, die sich verfehlt hatten, sie suchen seine Nähe und er schenkt sie ihnen. Ja noch mehr: Jesus geht auf sie zu, kommt ihnen nahe, den Verirrten geht er nach, ja, die Sünder verwandelt er durch den Geist, in dem er ihnen begegnet.

Und als sie wieder weggehen von ihm, sind sie verwandelt: geheilt, aufgerichtet, zuversichtlich, versöhnt mit sich und den anderen, ohne Schuld, sündenfrei: mit aufrechtem Gang, heil an Leib und Seele. Jesus schafft ihr Leben neu durch den Geist, der von ihm ausgeht und in dem Geist, in dem er ihnen begegnet. „Komm heiliger Geist, der Leben schafft!“ Darum bitten wir heute!

Im Evangelium vom Pfingstfest (Joh 20,19-23) erfüllt Jesus seinen Jüngern diese Bitte. Der Auferstandene tritt in den Kreis seiner Jünger und sagt zu ihnen: „Friede sei mit euch! – Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Danach haucht er sie an und sagt: Empfangt den Heiligen Geist!“ - Liebe Schwestern und Brüder, Jesus gibt denen, die an ihm hängen, seinen Geist, der ihm von Gott gegeben ist. Der heilige Geist für uns ist christusförmig!

Das Pfingstereignis, das uns in der Apostelgeschichte berichtet wird, erzählt von nichts anderem als vom Empfangen des Geistes - in Szene gesetzt und in seinen Auswirkungen dargestellt: Gottes Geist wirkt mit großer Kraft, wie Sturm und Feuer! Wie Sturm und Feuer hat die Christusbotschaft die Menschen erfasst, erschüttert und verändert; hat die Jünger - begabt mit feurigen Zungen - zu leibhaftigen Boten des Jesus gemacht, auf dem Gottes Geist ruhte und der an den Armen seine sie verwandelnden Taten gewirkt hatte. Von jetzt an gehen die Geistbegabten selbst zu den armen, zu den unfeinen und ungebildeten Leuten, trösten die Traurigen und hoffnungslos Gescheiterten, begegnen den geplagten Leuten heilsam. Auch zu denen, die sich verfehlt haben, gehen sie und verwandeln sie in der Kraft des Geistes durch ihre Nähe, verwandeln sie durch den guten Geist, in dem sie ihnen begegnen. In dieser stürmischen Bewegung des Geistes wird die Kirche geboren. In ihr wohnt, wo sie bei ihrer Sache ist, Gottes Geist.

Der Geist weht, wo er will, das ist wahr. Aber – und dieses großartige Wort verdanken wir Martin Luther - Der Geist erinnert Christus! Der Geist stürmt und braust nicht einfach nur, um zu erschüttern. Er erschüttert uns, damit wir vom Geist Jesu Christ erfasst werden. Der Geist vergegenwärtigt uns Jesus, seinen Lebensweg, seine Art mit den Menschen umzugehen, für sie einzutreten und ihnen heilsam und heilend zu begegnen. Wo heute reklamiert wird: hier weht der Gottesgeist! da dürfen wir prüfend fragen: Ist dieses Wirken des proklamierten Gottesgeistes christusförmig? Wirkt durch ihn, das was Jesus Christus uns in seinem Leben, in seinen Worten, in seinen heilsamen Gesten und wunderbaren Taten gebracht hat? Prüft alles, das gute behaltet!

An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen! Paulus nennt heute im Galaterbrief die Früchte des Geistes. „Die Frucht des Geistes aber ist Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung.“ (Gal 5,22) Da hören wir es, das Wort Freude, Freude als Frucht des Geistes. Wer selbst von Jesu Gottesgeist geleitet und motiviert den Menschen tröstend, heilsam und heilend begegnet, auf den kommt ein Geschenk zurück: er wird von Freude erfüllt. Es erfüllt mit Freude für etwas einzutreten, das gut ist und gut tut; es erfüllt mit Freude, für Menschen da zu sein. Das, wofür wir da sind, das, was unserem Menschsein selbst Sinn gibt, ist die Begegnung mit unseren Mitmenschen im Geist Jesu Christi. Was viele im flüchtigen Spaß suchen, ein Mittel gegen den lähmenden Frust im Alltag, wird denen geschenkt, die im Geist Jesu Christi ihr Leben miteinander und füreinander gestalten - erfüllende Freude.

‚Komm heiliger Geist, der Leben schafft, erfülle uns mit deinen Kraft.’

Amen.

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