Bischof Dr. Gebhard Fürst: Predigt zum 6. Jahrestag der Bischofsweihe

Rottenburg, Dom St. Martin

Schrifttext: Jak 2,14-18; Mk 8,31-34

Liebe Schwestern und Brüder!

Zuallererst möchte ich Ihnen sehr herzlich danken, dass Sie gekommen sind, um den sechsten Jahrtag meiner Weihe zum Bischof unserer Diözese mitzufeiern. Ich möchte den Tag meiner Weihe zum Bischof mit einer Eucharistiefeier begehen und Mitchristen einladen mit zu feiern.
Die Feier der Eucharistie ist ja der Ort des großen Dankes. Wir danken Gott für alles Gute, was er an uns im eigenen Leben und im Leben anderer getan hat und auch heute bewirkt. Und wir feiern in der Eucharistie die Liebe Gottes zu uns Menschen, die Liebe Gottes, die sich in Leib und Leben des Jesus von Nazareth ein menschliches Gefäß gebildet hat: Jesus Christus, ein Mensch, in dem die Liebe Gottes zu uns wirklich geworden, ganz Fleisch und Blut geworden ist, um uns Menschen als Gott zu erreichen und uns nahe zu sein.

Liebe Schwestern und Brüder,
ich spüre und erfahre seit einigen Jahren in unserer oft so harten und zerrissenen und uns fast zerreißenden Zeit ein neu erwachendes Suchen. Ein erwartungsreiches Suchen bei Menschen, wie sie mit den oft durch Leib und Seele gehen Rissen und Brüchen in ihrem Leben umgehen können. Ich spüre und erfahre gegenwärtig eine neue Empfänglichkeit, für Worte, die einem wirklich weiterhelfen, - ja einen Hunger nach Ereignissen und Erlebnissen, ja nach Taten, die dem zerrissenen und zerbrochenen Herzen wohl tun und niedergedrückte Menschen aufrichten. Ich spüre auch bei jungen Menschen diese Erwartung und zugleich die Freude an Menschen, die sich ihnen respektvoll und helfend zuwenden und ihnen viel zutrauen. Ich bemerke bei vielen Menschen eine Sehnsucht nach heilsamer Orientierung, nach einer Erfüllung im Leben, die weit über das Materielle und die eigenen Leistungen hinausgeht.

In all dem erkenne ich ein neues Erwachen des Interesses an Sinn, ja an Religiosität, ja ein neues Interesse an einem Gott, der ein ansprechbares Du und ein bergendes Gegenüber für mich ist. Wir leben selbst oft in unheilen Situationen, wo wir Mangel erfahren, wo wir Verluste schmerzlich erleiden müssen, ja wo wir die Erfüllung unserer unendlichen Sehnsucht nicht finden und uns doch unablässig nach ihr ausstrecken. Wir möchten gerne ganz sein und heil. - Gott will dieses unser Heil sein, unser Ganz sein. Deshalb gibt uns Gott nicht einfach ein paar Anweisungen zum seligen Leben und instruiert uns, was wir zu machen haben. Vielmehr sendet ER uns seinen Sohn in diese unsere Welt, um uns das Heil wirksam und wirklich zu erschließen: schon heute und dann in Gottes alles vollendender Gegenwart endgültiges Heil zu schenken.

Meinen Wahlspruch zum Bischofsamt habe ich vor 6 Jahren aus diesen Erfahrungen heraus gewählt. „Propter nostram Salutem“. Dieses Wort leitet mich in meinem Bischofsamt seither. „Propter nostram Salutem“ – „Um unseres Heiles willen“ ist die barmherzige Liebe Gottes in der Gestalt Jesu Christi zu uns Menschen gekommen. Das Wort signalisiert keine neue pastorale Methode, sondern spricht aus, warum Gott seinen Sohn in die Welt zu den Menschen sendet. Das Wort hält im Bekenntnis fest, was der Sinn und Zweck der ganzen Heilsveranstaltung ist.

Schon im ältesten Christuslied, das uns Paulus überliefert, hören wir:
„Er, der ewige Sohn war Gott gleich, ... aber er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen“(Phil 2,5ff). - Eines Menschen für uns Menschen und zu unserem Heil... Propter nostram salutem! Das Wort aus dem Großen Glaubensbekenntnis der Kirche nimmt diese Bewegung von Gott zu uns auf und erschließt uns Sinn und Zweck der Menschwerdung des Gottessohnes, Sinn und Zweck der Heilsereignisse in Jesus Christus.

Heil erfahren im Leben, heilsein, geheilt werden, ganz sein - ich habe den Eindruck, dass dies die Sehnsucht vieler Menschen heute ist. Deshalb ist die frohe Botschaft von Jesus Christus die Antwort auf das innere Verlangen der Menschen, ganz und heil zu sein und nicht zerrissen und zerbrochen dahinvegetieren zu müssen.

Zu diesem Heilsein, zum Ganz sein, gehört es in lebendiger Beziehung zu leben zu Gott, dem Urgrund meines Seines, zu Gott, der mich in Christus heilen, retten, ja erlösen möchte aus meiner Zerrissenheit. Wer das wegschiebt oder vergisst im Leben und im Lebensvollzug, der amputiert sich selbst und schneidet sich von der Ganzheit seines Glückes ab.
Die heute oft unbestimmte neue religiöse Offenheit und Sehnsucht findet in Jesus Christus ihre Antwort. Nicht umsonst nennt die religiöse Sprache Jesus Christus den Heiland, den der die Risse im Leben, die schmerzenden Mängel, die Verletzungen, unsere Gottesferne heil macht.
Liebe Schwestern und Brüder!

Christliche Religion ist eine lebensfördernde, heilsame Kraft und keine zerstörerische Macht und Gewalt. Das ist das große Anliegen unseres Heiligen Vaters. In seiner Predigt in München haben wir es hören können. Von der christlichen Religion muss die Wirkung der „heilenden Güte Gottes“ ausgehen, so Benedikt. Sonst ist christliche Religion nicht bei ihrer Sache. Jesus Christus, auf dessen Namen wir getauft sind, ist die „heilende Güte Gottes“ in Fleisch und Blut.

Deshalb ist es Papst Benedikt so wichtig, dass Religion aller lebenszerstörenden Gewalt absagt. Gerade wo sie missionarisch ist, kann und darf sie nicht mit Furcht und Zwang oder gar mit Gewalt und Schwert missionieren. Wenn die christliche Religion nicht Quelle der „heilenden Güte Gottes“ wäre, sondern gewalttätig würde, würde sie sich selbst verfehlen.

Darum geht es dem Papst als Lehrer der Kirche, dass wir keinen zerstörerischen Gott, sondern einen gütigen Gott verkünden und vorleben, der das Heil der Menschen will. Dass wir einen Gott verkünden und vorleben, der und uns die Vollendung des Lebens bringt. Gott ist Liebe! Darum geht es dem Papst auch im Dialog mit den Religionen, auch mit den Muslimen. Eine wider Menschen gerichtete Gewalt darf nie damit rechnen dürfen, religiös begründet zu werden, weder im Islam noch im Christentum. Religion darf nie Gewalt legitimieren. Wo sie dies tun würde, wäre sie krank, menschenverachtend und lebensfeindlich. Wo sie dies tun würde, würde sie zur Quelle des Unheils.

Christliche Religion, christlicher Glaube verkündet und lebt - als Christ als Kirche - die „heilende Güte Gottes“. Um dieser Botschaft willen ist Jesus Christus in die Welt gekommen. Um dieser Botschaft willen ging Jesus den Weg eines Menschen als Heilsbringer, als Heiland.

Der Heilbringer Jesus ist schon zu Lebzeiten um dieser seiner gelebten Botschaft willen umstritten. Und er wird abgelehnt, wenn er mit zerrissenen und bedrohten Menschen so umgeht, dass sie heil werden, eine neue Lebenschance erreichen, dass ihr Heilwerden und Heilsein über alles geht.

Denen, die die Sünderin steinigen, tritt er entgegen. Den Kranken heilt er gar am Sabbat und übertritt das höchste religiöse Gebot um seines Heilwerdens willen. Deshalb wird Jesus angefeindet und muss der Menschensohn viel leiden, ja gar den Tod erleiden. Liebe zum Nächsten um seines Heiles willen, kann dies zur Folge haben. Wir sind ja nicht nur Empfänger des Heiles, sondern als Christen auch heilsam lebende.

Wie entschlossen Jesus diesen seinen Weg verfolgt, zeigt die Szene des heutigen Evangeliums. „Geh weg von mir!“ herrscht Jesus Petrus an, der ihn von diesem Weg zu leiden um des Heiles der Menschen willen abbringen will. Wer nicht weg will von Christus, sondern ihm nachfolgen, der stelle den Menschen und sein Sehnsucht Heil zu erlangen und heil zu sein in die Mitte - auch wenn’s mir Ungemach bringt und mich leiden lässt.
„Um unseres Heiles willen“ begründet keine Wellnessreligion, sondern weist uns Christenmenschen ins alltägliche Christsein ein.
Amen.

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