Bischof Dr. Gebhard Fürst: Predigt zum „Aschermittwoch der Künstler“ 2005

Stuttgart, Hohenheim

Schrifttext: Joel 2,12-18; Mt 6,1-6.16-18

Der Aschermittwoch ist das Portal zur Fastenzeit. Die österliche Bußzeit, die sich heute vor uns öffnet, will dazu provozieren und anleiten, unser eigenes Leben zu überdenken und Weichen neu zu stellen. Der Aschermittwoch verdankt seinen Namen dem liturgischen Zeichen, dass Katholiken sich an diesem Tag in einem eigenen Gottesdienst ein Kreuz aus Asche auf das Haupt streuen lassen. Asche ist ein Sinnbild der Vergänglichkeit: „Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zu Staub.“

Die Provokation vom Kreuz aus Asche verbindet sich mit der Bereiterklärung zur Umkehr, als Hinkehr zum neuen Leben.

Der Aschermittwoch eröffnet das vierzigtägige Fasten, in dem wir Christi Leben und Leiden meditieren, seinen Weg zum Menschen als Weg zum Kreuz in uns aufnehmen und uns so zur Osterfreude bereiten. Fasten ist Ausdruck der inneren Beteiligung. Fasten ist Verzicht, um im schrillen Allerlei die Konzentration auf die Mitte zu finden. Insofern ist christliches Fasten Beten mit Seele und Leib.

Verzicht ist die eine Seite des Fastens. Die Rückseite hat es dann mit dem zu tun, wofür man sich Zeit nimmt, für wen man sich öffnet. In der Fasten-Zeit suchen wir durch Unterbrechung so vieler alltäglicher Gewohnheiten und Bequemlich-keiten die Auseinandersetzung mit zentralen Fragen der Existenz, die Vertiefung in die Mitte unseres Lebens, die Begegnung mit jenem Anderen, das in den Religionen Transzendenz genannt wird. Fasten mit Außenseite und Innenseite als Portal zum ganz Anderen.

Und hier berühren sich Kirche und Kunst, die Frage nach Gott und die Werke der Künste in inniger Weise. Die Künste kennen die Sehnsucht nach jenem ganz Anderen, weil wir uns mit dem, was ist, nicht zufrieden geben können. Künstlerinnen und Künstler suchen in ihrem Schaffen auch Spuren zu diesem ganz anderen Ort.

Sie rufen ein ganz anderes Leben aus, anderes Sehen, anderes Hören, ein Herausgerissenwerden aus dem billig Allzu-Bekannten. Und in selten wertvollen Momenten des Widerfahrens, der gelingenden Kollision von Zeit, Raum und Können, leuchtet etwas von dem ganz Anderen auf, was als Ahnung und Sehnsucht in uns steckt, in dem aber noch niemand war. Kunst als Portal und Aschermittwoch als Portalzeit zum neuen, anderen Leben, in dem noch niemand war, zu dem wir alle erstehen wollen.

Künstlerinnen und Künstler können Deuter und Lehrer der Sinn- und Sinnenwelt werden, sie entdecken uns Kräfte und Kraftfelder, die alltäglich dem Auge verborgen bleiben, aber in der Kunst aufgedeckt werden. Kunst bildet ja nicht ab, sondern macht sichtbar. In Kunstwerken ereignet sich für uns heilsame Unterbrechung. Ein Innen wird sichtbar oder hörbar im Außen. Künstlerinnen und Künstler verweisen Menschen auf den Zwischenraum, auf eine geahnte Transzendenz hin.

Sie halten bewusst Möglichkeiten offen und aus. Sie schicken uns in die regelrechte Schule des Sehens des Anderen. Sie wollen wegführen von eingefahrenen Sehgewohnheiten, von der Flut der Bilder, von der Blindheit im Sehen, von der Taubheit im Hören. Sie wollen das Unsichtbare auf neue, oft unerhörte Weise sichtbar machen. Das Überhörte ganz neu zu Gehör bringen. Dabei geht es um das Zentrale, weit mehr um die Herzmitte als um schöne Fassaden. Mit dem Propheten Joel gesprochen, geht es um die ‚Umkehr von ganzem Herzen’, um das Zerreißen der Herzen und nicht bloß schöner Kleider. Kunst entwickelt für uns eine prophetische Kraft.

Romano Guardini sieht in jedem Kunstwerk eine Verheißung: „Es geht aus der Sehnsucht nach jenem vollkommenen Dasein hervor, das nicht ist, von dem aber der Mensch trotz aller Enttäuschung meint, es müsse werden.“

Diese Sehnsucht in uns wach halten oder gar erst wecken, das will der Prophet Joel, wenn er die Gemeinde aufruft zu ‚heiligem Fasten’. Um das Ziel dieser Sehnsucht, zu dem Menschen in Umkehr und Nachfolge gerufen werden, geht es auch Jesus von Nazareth. Er nannte Sehnsucht und Ziel: Reich Gottes. Um sich darauf zu konzentrieren gibt er seinen Jüngern Regeln für rechtes Fasten mit: Verzicht auf Allotria und Allerlei für ein Fasten als Unterbrechung.

Die Portalzeit wird zum Zeichen für anderes, neues Leben: ewiges Leben; Reich Gottes schon heute im Vorschein als Angeld für Vollendung. Jesus mahnt: Die Zeit drängt, alle sind gemeint. Verhärtet euch nicht. Sagt nicht, dass ihr nicht zuständig seid. Macht euch nicht unangreifbar, verweist nicht auf die anderen, wacht auf, werdet lebendig. Lasst euch zu herzzerreißendem Erbarmen bewegen – wie Gott! Wie Gott, den wir ahnen, nach dem wir auslangen und der sich uns zeigen will.


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