Bischof Dr. Gebhard Fürst: Predigt zum „Aschermittwoch der Künstler“ 2006

Schrifttext: Joel 2,12-18; Mt 6,1-6.16-18

Mit dem Aschermittwoch beginnen die vierzig Tage der Vorbereitung auf die Feier von Tod und Auferstehung Jesu Christi. Diese österliche Bußzeit will Christen dazu anleiten, das eigene Leben zu überdenken und womöglich und wo nötig, Weichen neu zu stellen.

Wir kennen im deutschen Sprachraum die Bezeichnung Fastenzeit und erinnern so an das vierzigtägige Fasten Jesu in der Wüste. Doch von dieser strengen Art des Fastens sind heute häufig nur der Aschermittwoch und der Karfreitag als eigentliche Fastentage geblieben. Mehr, so meinen viele, ist unserer Spaßgesellschaft nicht zuzumuten.
In dieser Situation trifft uns der Lesungstext aus dem Propheten Joel.

Joel lebte in der ersten Hälfte des vierten Jahrhunderts vor Christus und litt mit seinem Volk unter einer dramatischen Heuschreckenplage, die nicht nur das Land verwüstete, sondern damit auch die Grundlagen des Lebens zerstörte. Joel begriff die Situation als Strafe Gottes, der er durch Aufruf zur radikalen Bekehrung begegnen wollte: ‚Auf dem Zion stoßt in das Horn, ordnet ein heiliges Fasten an, ruft einen Gottesdienst aus!’ Die Gemeinde, von Säuglingen bis zu den Alten, alle sollen zusammen kommen, es sollen Klagepsalmen und Bittgebete angestimmt werden und so ein öffentlicher Buß- und Bettag stattfinden.

Aber Joel geht noch einen Schritt weiter, denn jeder einzelne soll sich „von ganzem Herzen“ zu Gott bekehren und nicht nur im Rahmen der offiziellen Maßnahmen und Institutionen seine innere Abkehr vom Bösen und die Hinwendung zu Gott vollziehen: „Zerreißet eure Herzen und nicht (nur) eure Kleider“.

Gemeinsame und individuelle Fasten- und Bußzeiten werden bei Joel zusammengedacht. Und an diesem Punkt ist er aus meiner Sicht hochaktuell und hilfreich für unsere Zeit: Denn sowohl der einzelne als auch die Kirche insgesamt ist aufgerufen, Zeichen zu setzen in einer Zeit, in der geistig-geistlichen Leben immer mehr verödet und das öffentliche Leben zunehmend banalisiert wird. Hier verstehe ich Joels Weckruf durchaus so, dass wir eingeladen sind, die vielen guten Traditionen, die es in unserer Kirche gibt, wiederzuentdecken, sie einzuüben, zu verinnerlichen und sie so unser Leben prägen zu lassen.

Im Evangelium wird uns durch Jesus selbst der eigentliche Sinn des Fastens dargestellt, wenn er betont, dass es nicht um öffentlich demonstrierte Verzichtleistungen geht, sondern um die innere Erneuerung der Beziehung zu Gott und zu den Mitmenschen. Richtig verstanden meint Fasten somit ein ‚Beten mit Leib und Seele’. Fasten ist niemals gegen etwas oder jemanden gerichtet, auch nicht eine subtile Form der Selbstkasteiung, um religiöse Perfektion zu erreichen: Fasten ist immer für etwas angelegt, sei es ein innerer Klärungsprozess oder etwa das Klarwerden über Beziehungen zu anderen Menschen, zu sich selbst, zu Gott.

Joel hatte es seinerzeit mit einer Heuschreckenplage zu tun, die dann tatsächlich zu Ende ging. Doch sein Hinweis auf individuelle und gemeinsam-institutionelle Praxis des Fastens, um sich selbst, seinem Leben und vor allem um Gott selbst auf die Spur zu kommen, bleibt eine hilfreiche Mahnung auch für uns: Zerreißt eure Herzen, nicht eure Kleider – und Gott, gnädig und barmherzig, langmütig und reich an Güte, lässt Segen zurück!

Amen.

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