Bischof Dr. Gebhard Fürst: Predigt zum „Aschermittwoch der Künstler“ 2009

Stuttgart-Hohenheim, Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart

Schrifttext: Joel 2,12-18; Mt 6,1-6.16-18

Liebe Künstlerinnen und Künstler, liebe Schwestern und Brüder!

‚Quo vadis’, wohin gehst Du? Unter dieser Schicksals-Frage steht der diesjährige Aschermittwoch der Künstler. Kein Tag im kirchlichen Kalender ist dazu besser geeignet, sich diese Frage stellen zu lassen und sich ihr zu stellen. Denn mit dem Aschermittwoch beginnen die vierzig Tage der Vorbereitung auf die Feier von Tod und Auferstehung Jesu Christi, des Menschen, der als Sohn Gottes uns Helfer zum Leben, Retter aus Untergang und Zerstörung ist. Gott war in ihm ganz da bei uns. Dies ist das Wohin für Christen: Menschen zu sein und zu werden, die aus der Hoffnung leben, die uns in Jesus Christus geschenkt ist. Gehe ich auf Ihn zu? Lasse ich mich von Ihm her prägen? Lasse ich mich von dem Geist erfüllen, den er in die Welt gebracht hat? - Oder suche ich anderer Geister Gesellschaft und werde anderer Geister Kind?

Diese österliche Bußzeit will dazu anleiten, das eigene Leben zu überdenken und Lebens-Weichen neu zu stellen. Die vor uns liegende Zeit fordert jeden einzelnen auf, sich der eigenen Lebenswirklichkeit zu stellen, die Wahrheit des Glaubens zu ergreifen. Wir sollen ungeschminkt und redlich darauf schauen, wie wir leben, was uns leitet, ja wohin wir gehen?

Wohin gehst Du!? An mich persönlich geht die Frage - nicht an Ordnungen, Systeme und Regeln oder an die anderen. Ich als Person, als Verantwortungsträger, als Gestalter von Wirklichkeit, als Akteur im gesellschaftlichen, kulturellen Leben bin gefragt: Wohin gehst DU!? Jeder, jede wird gefordert nach der persönlichen Verantwortung für das eigene Leben und Handeln und seine Auswirkung auf andere.

Meine ganz persönliche Lebenseinstellung und Art zu leben hat Konsequenzen für die Qualität, wie wir alle heute und morgen leben werden. Die Propheten des alten Bundes wollen immer wieder dazu wachrütteln. Durch deine Lebensart, deine Entscheidungen heute, beeinflusst du mit, wie das Leben morgen aussehen wird. Und das gilt für jede und jeden einzelnen von uns. Mein Handeln hat Auswirkungen auf unsere Gesellschaft, auch für die Kirche. Ich bin gefragt nach meiner persönlichen Verantwortung als Christ mit christlicher Grundüber-zeugung. Übernehmen wir persönliche Verantwortung. Lassen wir nicht achselzuckend laufen und geschehen, was halt so kommt. Nein, wir Christen sind gerufen und gefordert, durch unser Handeln und bewusstes Verhalten, durch unser Schaffen mitzuwirken an dem, was schließlich alle betrifft.

Besonders von Seiten der Künstlerinnen und Künstler kann uns durch ihre Kunst Wirklichkeit erschlossen werden, die tiefer sieht und reicht, damit wir uns er-innern, wohin wir gehen – und wohin wir gehen sollen: selbst Verantwortung zu übernehmen und ein menschenwürdigeres Leben zu gestalten; mitzuleiden mit den Mitmenschen, sich einzusetzen für die anderen, ganz aus dem Geist, den Jesus Christus uns gebracht hat.

Der Dialog zwischen Kirche und Kultur, die Begegnung von christlichem Glauben und der Kunst ist von großer Bedeutung. Beide regen einander an und beflügeln sich gegenseitig. Ja, mehr noch, ich bin überzeugt, dass beide Seiten zutiefst um das gleiche Thema ringen: um den Menschen und sein Heil.

Unsere Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden lebt vom Gotteswort und auch durch die Kultur, die diese Botschaft hervorbringt durch verantwortungsbewusst schaffende Menschen. Kirche lebt mit Kultur, sie bringt selbst in ihren Menschen im reichen Maße Kultur hervor. Kirche ist den Fragen und Anliegen von Kultur und Kunst ausdrücklich und aus ihrem Wesen heraus aufgeschlossen, wenn sie denn Kirche sein will, die in der Gegenwart lebt und Menschen mit ihrer befreienden, heilsamen und Kraft gebenden Botschaft erreicht. Unsere Kirche muss heute menschlich ‚ästhetisch bewohnbar sein, bleiben und immer mehr werden.’ (A. Auer), das heißt sie soll eine Lebensform anbieten, die Glauben zum Ausdruck bringt und den Glaubenden zugleich eine Wohnung bereitet. Unsere Kirche ästhetisch bewohnbar halten und machen, dazu sind besonders Künstler aufgerufen. Tragen Sie dazu bei. Wo sie das tun, gilt ihnen ganz besonderer Dank.

Das eben gehörte Evangelium legt in deutlichen Worten den eigentlichen Sinn des Fastens dar, wenn Jesus unmissverständlich betont, dass es nicht um öffentlich demonstrierte Verzichtleistungen geht, sondern um die innere Erneuerung der Beziehung zu Gott und zu den Mitmenschen – was immer und immer wieder neu die Bereitschaft zu Umkehr einschließt. Der Frage wohin ich gehe und gehen soll, entspricht im Evangelium der Ruf: kehrt um, ‚metanoeite’.

Dieser Wechselbezug zwischen dem ‚quo vadis’ und dem ‚metanoeite’ erfährt in der Liturgie des Aschermittwoch und besonders im liturgischen Zeichen des Aschenkreuzes seine zeichenhafte ästhetische Verdichtung. Sich mit dem Aschenkreuz bestreuen lassen heißt also auch: ich will neu beginnen! Das Vernichtete hat keineswegs das letzte Wort. Die Asche kennzeichnet vielmehr den Wendepunkt, an dem Neues beginnen, ein guter Neuanfang gewagt werden kann. Wir sollen im Zeichen der Asche darauf schauen, wie viel Möglichkeiten wirklichen Lebens durch die Art zerstört werden, wie wir oft unser Leben führen - und wie viel Möglichkeiten guten Lebens entstehen durch unser bekehrtes Leben.

Zerreißt eure Herzen und nicht eure Kleider, und kehrt um zum Herrn, eurem Gott!’ (Joel 2,13) Den inneren Menschen gilt es zu erneuern, erneuern zu lassen, verwandeln zu lassen – von Gottes Liebe her.

‚Quo vadis’ ruft darum nach einer Bekehrung des Herzens, weg von unseren Götzen, hin zu dem lebendigen Gott, der Liebe ist, der auf uns zukommt in Jesus Christus.

Quo vadis? Ich begebe mich auf den Weg, immer wieder neu anzufangen, Christ zu werden, auf den Weg, in Verantwortung vor Gott und den Menschen zu leben, als zum neuen Leben Bekehrte zu leben. In der Freiheit des Christen, der aus der Liebe Gottes sein Leben zu führen und zu gestalten lernt selbst vor Gott ‚gnädig und barmherzig, langmütig und reich an Güte’ (Joel 2,13) zu werden.

Amen.

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