Bischof Dr. Gebhard Fürst: Predigt zum Jahresabschluss 2011

Friedrichshafen, St. Canisius

Schrifttext: 1 Joh 2,18-21. Joh 1,11-18

Liebe Schwestern und Brüder!

Ein unruhiges, aufregendes, stürmisches Jahr 2011 haben wir erlebt! Auch in unserer Kirche! Es ist gut, dass wir in dieser so hektischen Zeit heute Abend miteinander die letzten Stunden dieses Jahres feiern. Hier können wir zur Ruhe kommen und zu uns selbst finden.

In diesen unruhigen Zeiten fällt mir immer wieder die Einladung Jesu an die Menschen von damals ein: „Kommt zu mir“, sagt Jesus, „ich will euch Ruhe verschaffen ... So werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen“ (Mt 11,28). Diese einladenden Worte Jesu gelten auch für uns heute. Heute sind Sie, liebe Schwestern und Brüder, dieser Einladung Jesu gefolgt, in der Feier der Liturgie zur Ruhe zu kommen und zu ihrer Mitte zu finden in Jesus Christus, der sich uns schenkt.

Schauen wir dabei ein wenig zurück auf das Jahr 2011 und voraus auf das neue Jahr 2012: Eines der großen Ereignisse 2011 war der Besuch des Papstes aus Deutschland in seiner Heimat bei uns. Ich konnte all die Tage mit dabei sein und die freudige Stimmung erleben, auch bei der Freiburger Rede von Benedikt XVI. am Ende seiner Reise. Das von ihm dort gebrauchte Wort „Entweltlichung“ hat manches Missverständnis erzeugt. Inzwischen nahm Papst Benedikt anlässlich der Akkreditierung des neuen Botschafters beim Heiligen Stuhl am 7. November 2011 in Rom direkt darauf Bezug, als er sagte: „Es ist erfreulich, dass die katholische Kirche in Deutschland ausgezeichnete Möglichkeiten des Wirkens hat, dass sie das Evangelium frei verkünden und in zahlreichen sozialen und karitativen Einrichtungen bedürftigen Menschen helfen kann ... Unter den vielen Aspekten einer positiven Zusammenarbeit zwischen dem Staat und der katholischen Kirche will ich nur als Beispiel den Schutz des kirchlichen Arbeitsrechts durch das staatliche Recht anführen sowie des Weiteren die Unterstützung der katholischen Schulen wie auch der kirchlichen Einrichtungen im karitativen Bereich, deren Arbeit ja letztlich dem Wohl aller Bürger dient.“ Papst Benedikt wollte also der Kirche in Deutschland nicht nahelegen, sich aus ihrem Engagement in der Welt und für die Menschen zurückzuziehen. Er sieht und schätzt sehr wohl die vielen missionarischen Wirkungsmöglichkeiten.

Sie, liebe Schwestern und Brüder, leisten ja gerade in ihrer Seelsorgeein-heit Friedrichshafen-Mitte als diakonische und missionarische Kirche Vieles und Vorbildliches. Ich freue mich über das, was hier in der Pastoral ganz im Sinne einer weltzugewandten, den Menschen nahen Kirche an Engagement aus dem Glauben, an tätiger Nächstenliebe, lebendig ist. Fast elf Jahre sind ihre Kirchengemeinden miteinander unterwegs. Vieles ist entstanden. Heute können Sie dankbar zurückblicken. Auch auf vieles, was Sie in diesem Jubiläumsjahr gemeinsam unternommen haben: Sie waren in diesem Jahr miteinander als Wallfahrer unterwegs nach Rom. Sie haben in einem Glaubensseminar durchgeführt. Sie sind den muttersprachlichen Mitchristen näher gekommen und sie Ihnen. Eine Reise hat Sie in ihre neue Partnerstadt Imperia geführt. Neben zahlreichen kirchenmusikalischen Höhepunkten erlebten Sie 2011 die Wiedereröffnung der Nikolauskirche. Sie feierten den zehnjährigen Geburtstag des Familientreffs „Windhägle“ im Oberndorf. Ich freue mich mit Ihnen und ich danke Ihnen allen, den Kirchengemeinderäten, den Ehrenamtlichen und den Hauptamtlichen in der Seelsorge, den Pfarrern und pastoralen Mitarbeitern für Ihren Einsatz zum Wohl der Gemeinden und der ganzen Seelsorgeeinheit.
Viele fragen: Wie geht es weiter mit der Pastoral in unserer Diözese? Manche haben Sorge, dass alles zentralisiert und damit anonymer wird und sie so Orte religiöser Beheimatung verlieren. Sie brauchen sich in dieser Richtung keine Sorge machen! Es wird keine verordneten zentralisierten Großpfarreien in der Diözese Rottenburg-Stuttgart geben! Aber das Miteinander der Gemeinden in der Seelsorgeeinheit macht vieles möglich, was eine Kirchengemeinde alleine gar nicht stemmen könnte. Viel Beeindruckendes ist ja hier schon gewachsen.

Im kommenden Jahr werden wir von der Diözesanebene aus solche Erfahrungen vor Ort anhören, aufnehmen und in Überlegungen einbeziehen, die dann Impulse setzten, die Pastoral weiterzuentwickeln. Vieles kann und muss neu gestaltet werden. Zusammen mit dem Priesterrat und Diözesanrat habe ich bei unserer Novembersitzung das Projekt „Gemeindepastoral“ auf den Weg gebracht. Es ist das erste große Projekt im Dialog- und Erneuerungsprozess, das auch herausentwickelt wurde aus einer Dialogveranstaltung des Diözesanrates. Wir können gemeinsam in unserer Ortskirche viel voranbringen: in der Qualität unserer Pastoral und in der Gestalt und den Strukturen unserer Kirche. So kann das Jahr 2012 zu einem Jahr der Chancen für die missionarische Kraft in den Seelsorgeeinheiten und Gemeinden werden. Die Voraussetzungen hierfür sind nicht schlecht. Finanziell sind wir insgesamt so ausgestattet, dass an seelsorgerlichem Personal nicht gespart werden muss. Die Stellen im Stellenplan auch für Ihre Seelsorgeeinheit sind in Zukunft finanzierbar und können besetzt werden. Auch vom Nachwuchs in den pastoralen Diensten her bin ich zuversichtlich. Wir werden auch 2012 wieder 8 Pastoralreferenten/innen und 12 Gemeindereferenten/tinnen einstellen können. Auch bei den verheirateten Ständigen Diakonen werden wir die Zahl der Neuzugänge wieder erreichen. Sorge macht mir der Nachwuchs bei den Priestern. Es herrscht wirklich Priestermangel. – Aber ich freue mich, dass wir derzeit 10 Alumnen im Priesterseminar in Rottenburg haben, die auf dem Weg zum Priestertum sind. Ich kann sie im kommenden Frühjahr zu Diakonen und dann - so Gott will - ein Jahr später zu Priestern weihen.

Seit Beginn des Jahres 2011 führen wir in der Diözese Rottenburg-Stuttgart den Dialog- und Erneuerungsprozess. Seit März bis Mitte 2012 haben wir uns eine „Zeit zum Hören“ vorgenommen. Manche sind skeptisch und sagen, dieser Dialog wird nichts bringen. Geben wir ihm doch eine Chance! Ich habe in den letzten Monaten schon viele Veranstaltungen besucht, mit vielen Reformgruppen gesprochen und die Erwartungen der Menschen in unserer Kirche gehört und mit ihnen viele Dialoge geführt. Dabei hat schon das offene Gespräch miteinander seinen Eigenwert. In unserer Kirche gibt es zur Pastoral, zur Gestalt unserer pastoralen Dienste und Ämter, zur Erneuerung der Kirche viele, oft auch sehr unterschiedliche Stimmen. Sie miteinander ins Gespräch zu bringen, damit Verständnis und Respekt füreinander wachsen, ist eine große Aufgabe für uns alle. In der Vielfalt der Positionen und Überzeugungen doch die Einheit im Glauben zu leben und in der Eu-charistie zu feiern, das ist ein hohes Gut.

Dass wir aber von diesem offenen Dialog miteinander auch zur wirklichen Erneuerung der Kirche kommen müssen, das ist für mich keine Frage. Die ins Werk gesetzte Erneuerung der Pastoral, ihrer Strukturen und Schwerpunkte im Projekt „Gemeindepastoral“ - ich habe oben schon davon gesprochen - ist eine erste Frucht des Dialogprozesses, den wir in unserer Ortskirche führen. Wir werden auch daran arbeiten, mehr Frauen in kirchliche Führungspositionen zu bringen. Vieles kann in unserer Ortskirche mutig angegangen werden und vieles ist bereits geschehen. Andere Fragen, die vielen, auch mir, am Herzen liegen, können wir hier in der Ortskirche nicht entscheiden. Ich werde sie aber in die Bischofskonferenz einbringen. Ich werde das mir Mögliche tun und bitte Sie um Vertrauen, dass wir vorankommen.

Am Ende des Gottesdienstes werden wir eucharistische Anbetung halten. Jesus Christus wollen wir als unsere Mitte verehren. Von IHM her wollen wir unser Leben und unser Kirchesein gestalten. In der Begegnung mit Jesus Christus werden wir die Ruhe finden, aus der die Kraft kommt, als Christen zu leben und zu handeln. Wo wir gemeinsam vor Gott knien, und aus seiner Gegenwart in Jesus Christus heraus handeln, da ist mir nicht bange um die Zukunft unserer Kirche.

Dass Sie, liebe Schwestern und Brüder, in Ihrem Leben den Gott-mit-uns erfahren, den gegenwärtigen Christus finden, Seinen Geist, der uns stark und lebendig macht und immer wieder erneuert, das wünsche ich Ihnen von Herzen für das Jahr 2012.

Amen

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