Schwäbisch Gmünd, Münster Heilig-Kreuz
Schrifttexte: Ez 34, 12-16; Phil 3,8-14; Lk 5,1-11
Liebe Schwestern und Brüder, liebe Eltern, Verwandte und Freunde unserer Weihekandidaten!
Wir alle können in dieser Stunde Gott für 13 Neupriester danken. Mitten in dieser Zeit, aus ganz unterschiedlichen Lebenssituationen, auch mitten heraus aus jahrelang ausgeübten Berufen, hat Gott Menschen in seinen Dienst gerufen. Alle sind dem Ruf Jesu im Evangelium gefolgt: „Fahr hinaus auf den See“ (Lk 5,4b). Lass dich senden zu den Menschen!
„Dieser Ruf lässt uns nicht los!“, so haben Sie, liebe Weihekandidaten, selber formuliert. - „Uns verbindet die Entschlossenheit, gerade die heutige Situation als Herausforderung anzunehmen und aus dem Glauben zu gestalten.“ (KS, 27,10f) Wir danken Ihnen, liebe Weihekandidaten, für diese Entscheidung, für ihr starkes Zeichen der Hoffnung. Wir brauchen Sie, Christus braucht Sie und ihren seelsorgerlichen Dienst als Priester!
Der Wohlstand, in dem wir trotz allem leben, hat nämlich seinen Preis. Unser materieller Wohlstand ist kein Spiegelbild unseres seelischen Wohlstands: im Gegenteil! Manche von uns kommen mit dem Tempo der Veränderungen nicht mit. Viele werden zu Verlierern im unbarmherzigen Konkurrenzkampf, werden wie aus dem Zusammenleben Vertriebene. Alle sind heute so mobil, dass die Beziehungsnetze reißen. Menschen verlieren einander und fühlen sich wie Zersprengte und Vergessene. Manche werden verletzt im Innersten. - Aber es gibt auch Starke und Mächtige in unseren Tagen, die übermütig werden und so sich selbst und andere gefährden.
Zu Zeiten des Propheten Ezechiel, - wir haben die Lesung vom Hirten gehört - waren die Umstände zwar anders, ihre Auswirkungen auf die seelische Verfassung der Menschen war doch ganz ähnlich. Der biblische Gott, der bei Ezechiel von sich wie von einem guten Hirten der Menschen spricht, redet auch heute so zu uns. „Die Verlorengegangenen will ich suchen, die Vertriebenen zurückbringen, die Verletzten verbinden, die Schwachen kräftigen, die Starken behüten. Ich will ihr Hirt sein und für sie sorgen wie es recht ist.“ (Ez 34,16)
Sind nicht die Verlorengegangenen von heute die Menschen, die orientierungslos durchs Leben taumeln? – „Sie will ich suchen und ihnen nachgehen“ spricht Gott.
Sind nicht die Vertriebenen von heute die aus dem Zusammenleben weggeschoben und ausgegrenzten Menschen? – „Sie will ich zurückbringen ins Leben“ verspricht der Gute Hirt.
Sind nicht die Verletzten von heute die an ihrer Würde, in ihrem Ansehen beschädigte? – „Eure Wunden will ich verbinden und heilen“ ruft Gott ihnen zu.
Sind nicht die Schwachen von heute, Menschen, die nicht für sich selbst sprechen können und ausgenutzt werden? – „Sie will ich stark machen“ verkündet der Herr.
Sind nicht die Starken von heute Menschen, die sich selbst versorgen, auf andere nicht achten müssen und sich so leicht verschließen vor der Hilfsbedürftigkeit der Anderen? – „Sie will ich behüten“ verspricht der Gute Hirt. Gott sorgt für uns, wie es recht ist.
Gott als guter Hirt des Lebens wird anschaulich und erfahrbar für die Menschen im Leben Jesu Christi. „Ich bin der gute Hirte - sagt Jesus von sich - der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Menschen.“ (Joh, 10,11) Und die Menschen spüren und erfahren, dass das bei ihm wirklich so ist.
Deshalb kommen Sie zu Jesus und sagen staunend: noch nie hat einer Worte gesprochen wie er, die uns getroffen haben ins Herz, mitten in unser Leben, Worte, die uns verwandelt haben in Menschen voll neuer Selbstachtung und Zuversicht. Noch nie hat einer einer so heilsam gehandelt, noch nie einer Niedergeschlagene wieder so aufgerichtet. Noch nie hat einer sein Leben so bis zum Letzten drangegeben, um zu retten, was verloren ging. Noch nie ging eine solch attraktive und verwandelnde Kraft von einem Menschen aus wie von diesem guten Hirten Jesus Christus.
Ist es da überraschend, liebe Schwestern und Brüder, dass es auch heute Menschen gibt, die von diesem hingebungsvollen Jesus Christus begeistert sind und sagen: Ja, so zu leben ist es recht. Daran will ich mich orientieren, so will ich sein und wirken für die Menschen, die Christus brauchen?
Unsere Weihekandidaten, liebe Schwestern und Brüder, sind solche von Christus Begeisterte. Sie haben sich rufen lassen, weil sie Ergriffene sind von diesem guten Hirten.
Priester, liebe Gemeinde, sind berufen, die Hirtenhaltung Jesu Christi nachzuahmen und seine pastorale Haltung widerzuspiegeln. In der Eucharistie, die Sie, liebe Weihekandidaten, feiern werden, wird dieser Jesus Christus ganz gegenwärtig: der gute Hirt, der sein Leben gibt für uns Menschen und dessen Tod für uns und dessen Auferstehung zum neuen Leben wir preisen. Jesus Christus selbst teilt sich uns mit im Heiligen Mahl und nimmt uns hinein in sein hingebungsvolles, heilsames und uns verwandelndes Leben. Das priesterliche Handeln erreicht seinen Höhepunkt im eucharistischen Gottesdienst, durch den die ganze Kirche in das Geheimnis Christi geführt wird’.
Die Eucharistie wird erst lebendig, wenn der ein von Christus Ergriffener sie feiert. Paulus z.B. ist ein von diesem Jesus Christus Ergriffener. Im Brief an die Gemeinde in Philippi sagt er in seiner ihm eigenen Radikalität. „Ich sehe alles andere als Verlust an, weil die Erkenntnis Jesu Christi, meines Herrn, alles übertrifft.“ (Phil, 3,8) Paulus will Christus erkennen (Phil, 3, 10), diesen fürsorgenden und heilenden Christus macht er zu seinem eigenen Lebensmodell für die Menschen, zu denen er gesandt ist. Paulus gibt sich ganz an seinen Herrn her und empfängt gerade so seine große Kraft. So wird er die starke Persönlichkeit, die ihn zum Völkerapostel werden lässt. Für sie, liebe Weihekandidaten, in besonderer Weise ein Vorbild.
Auch Lukas berichtet von einigen, die sich von Jesus ergreifen lassen. Am Ende des wunderbaren Fischfangs (Lukas, 5,1-11) steht ebenso einfach wie stark. „Und sie zogen die Boote an Land, ließen alles zurück und folgten ihm nach“(Lk 5,11). Sie, liebe Weihekandidaten, treten als Berufene aus dem Üblichen ganz heraus und lassen sich in die Nachfolge Jesu hineinrufen. In dieser Nachfolge haben Sie teil am seelsorgerlichen Amt Jesu Christi. Priester sein heißt, sein pastorales Amt leben: Die verloren gegangenen suchen, die aus dem Leben vertriebenen ins Leben zurückbringen, die verletzten Seelen heilen, die schwachen kräftigen, die starken behüten.
Sie selbst, liebe Weihekandidaten, die sie diese Berufung verwirklichen, müssen nicht nur geben. Sie dürfen selbst alles empfangen und als Priester unter der guten Hirtenschaft Gottes leben. Sie können darauf vertrauen, dass sie von ihm gesucht werden, wenn sie sich verlaufen. Dass sie von ihm zurückgebracht werden wollen, wenn sie sich versteigen, dass er sie verbindet, wo sie verletzt werden, dass sie, wo sie schwach sind, von ihm gekräftigt werden. Und dass er sie auch behütet, wo sie übermütig werden. Aus der Gut-Hirten-Kraft Gottes können sie schöpfen und dafür mit ihrem ganzen Leben Zeugnis geben.
Amen.