Bischof Dr. Gebhard Fürst: Predigt zur Priesterweihe 2006

Untermarchtal, Klosterkirche St. Vinzenz

Liebe Schwestern und Brüder! Liebe Ordensschwestern von Untermarchtal!

Zu Beginn unseres Gottesdienstes sind sieben Diakone vorgetreten. Sie haben vor dem Bischof und vor der ganzen versammelten Gemeinde bekannt: „Hier bin ich!“ Mit diesem Bekenntnis „Hier bin ich!“ haben sie ihre Bereitschaft erklärt, das Sakrament der Priesterweihe zu empfangen. Sie lassen sich von Gott in den Dienst nehmen. Sie sind bereit, für Menschen in unserer Zeit die befreiende und heilsame Botschaft von Jesus Christus zu verkünden, lebendig werden zu lassen. Sie sind bereit, selbst heilsam zu wirken an den heute oft so aufgescheuchten Seelen und obdachlos gewordenen Menschen und verwundeten Herzen. „Hier bin ich!“ - das sind Worte, die uns allen Hoffnung machen. Allzu oft müssen ja Menschen erfahren, dass ihnen bedeutet wird: Sie du zu, wie du zurecht kommst! - Hier bin ich! Da für Dich! - das sind ganz andere, wohltuende Worte: Worte, die Hoffnung in uns stiften.

Liebe Weihekandidaten! Wir alle danken euch für diese hoffnungstiftende Bereitschaft zum priesterlichen Dienst. In diese Stunde ihrer Priesterweihe mündet heute Ihr ganzes bisheriges Leben. Gott hat gerufen und sie haben geantwortet. Viele verschlungene und bewegte Wegabschnitte liegen hinter Ihnen. Doch jeder von Ihnen ist mit Gottes Hilfe seinen Lebensweg gegangen. Wie unterschiedlich die Weg-Stationen doch aussehen, die wir anfahren, durchleben und durchleiden, bis wir ankommen. Heute sind aus Ihnen, liebe Weihekandidaten, sieben sichtbare Zeichen und sieben leibhaftige Zeugen geworden; Zeugen und Zeichen, dass Gottes Ruf Menschen erreicht. Sein Ruf hat in Ihnen leibhaftige Antwort gefunden.

Ja, liebe Schwestern und Brüder: es gibt sie: Menschen, die Ja sagen zu dem an sie ergangenen Ruf Gottes und dem unsichtbaren Gott ein Gesicht geben. Ja, es gibt sie: Menschen, die Ja sagen zur Lebensform der Ehelosigkeit, die auf ganz eigene Art freisetzt für den Dienst an Menschen in der Nachfolge Jesu. - Was mögen die Sieben erfahren haben, dass sie so weit gehen!? Sicher einen überwältigenden und sie zu Neuem freisetzenden Ruf. „Wer es fassen kann, der fasse es.“ – sagt Jesus seinen skeptischen Zeitgenossen.

Liebe Schwestern und Brüder. Sie sind aus vielen Kirchengemeinden unserer Diözese zu dieser Priesterweihe nach Untermarchtal gekommen. Und sie erleben heute, dass es Menschen gibt, die das Warten vieler Gemeinden auf einen Priester erfüllen, damit die Feier der Eucharistie lebendig bleibt. Damit wir alle in unserer Kirche aus dieser tiefsten Quelle der Christusbegegnung leben können.

Liebe Schwestern und Brüder, die Weihekandidaten haben sich für die Eucharistiefeier ihrer Priesterweihe das Evangelium der Fußwaschung (Johannes 13,1-20) ausgewählt. Sie finden darin ihre eigene Christusbegegnung und ihre priesterliche Sendung als Liebesdienst in besonderer Weise ausgedrückt.

„Da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung.“ Mit dieser Überschrift überschreibt Johannes die Szene der Fußwaschung. In der Fußwaschung wird der Erweis der Liebe Jesu zu seinen Jüngern anschaulich und erfahrbar: Liebe bis zur Vollendung wir dargestellt. So erschließt uns diese frohe Botschaft der Fußwaschung die Christusnachfolge in der Stunde der Priesterweihe in besonderer Weise.

Die Jünger sind zusammen und „es findet ein Mahl statt“ (13,2), berichtet Johannes. Und mitten im Mahl steht Jesus, ihr „Herr und Meister“, auf. Er legt sein Gewand ab und umgürtet sich mit einem Leinentuch und beginnt den Jüngern die Füße zu waschen. - Einem anderen die Füße zu waschen? - ein niederer Dienst, ein Nichts für Chefs, nichts für Herren und Meister, nur etwas für Knechte, für solche, die sonst zu nichts nutze sind.

Kein Wunder, dass Petrus nicht versteht warum und weshalb, dass er empört ablehnt, sich von Jesus die Füße waschen zu lassen, den er als seinen Herrn und Meister liebt. Kein Wunder, dass Petrus ausruft: „Niemals sollst du mir die Füße waschen!“ Der Herr macht sich ja zum Knecht! Da wird die Welt ja auf den Kopf gestellt!

Petrus versteht nicht, worum es geht. Wie sollte er auch verstehen? Jesus deutet in dieser Geste sein eigenes Leben als liebenden Dienst an den Menschen, ja als Erniedrigung seiner selbst (Philipperhymnus). In der Fußwaschung, in dieser sprechenden Geste verdichtet sich das ganze Leben Jesu, symbolisiert sich seine ganze Sendung. Jesus tut an uns gute Dienste, und seien es die Verachtetsten, ohne auf sich zu achten. Nicht umsonst ereignet sich die Fußwaschung „am Abend vor seinem Leiden“ (Hochgebet). Diese Haltung des sich zu unseren beschmutzten Füßen, zu unserer Niedrigkeit herabbückenden und uns reinigenden Jesus – diese Geste ist nicht nur Petrus, sondern uns Menschen eigentlich immer zuwider. Wer will sich schon selbst bücken zu den Verlorenen und zum Niedrigen? Wir blicken lieber auf oder weisen an... Und wir möchten, dass das gut so ist und richtig.

Das aber stellt Jesus radikal in Frage und stellt ein anderes Modell zu leben und zu handeln vor: Diese Haltung des sich zu unseren Füßen, zu unserer Niedrigkeit herabbückenden Jesus und uns reinigenden Jesus – zeigt sich in seinem ganzen Leben und Handeln für uns Menschen. Nichts ist ihm zu schade an uns gutes zu tun. Gott ist in Jesus Christus Mensch geworden, um uns leibhaft zu zeigen, in Worten, Taten, Gesten, in Handlungen zu er schließen, wie Gott zu uns ist, dass wir einen Gott haben, der sich uns liebend zuneigt.

Keinen Anteil haben an Christus
Als Petrus sich wehrt, sagt Jesus zu ihm: „Wenn ich dich nicht wasche, hast du keinen Anteil an mir!“ Sich nicht selbst die Füße waschen lassen, trennt uns von Christus, bewirkt, dass wir keinen Anteil haben an Christus. Sich von Christus an den niedrigsten, ja an den schmutzigen Stellen des eigenen Lebens nicht reinwaschen zu lassen, das bedeutet, keinen Anteil an Christus zu haben.

Anteil haben an Christus
Sich aber von Christus die Füße waschen lassen. Sich von Christus an den niedrigsten, ja an den schmutzigen Stellen des Lebens, wo wir schuldig geworden sind, da sich von IHM reinwaschen zu lassen, das erst schenkt Anteil an Christus, bedeutet Anteil haben an Christus – an der Lebens- und Liebesgestalt Jesu.

Wer sich von Christus waschen lässt, wird verwandelt zum liebenden Menschen ohne Wenn und Aber. Wer sich von Jesus Christus den Liebes-Dienst des Waschens erweisen lässt, hat selbst wirklich Anteil an ihm.

Sinn der Sendung Jesu
Das Ziel des Lebens Jesu, seines Sterbens für uns, seiner Auferstehung ins neue Leben bei Gott, das Ziel des Lebens Jesu ist es, uns in seine Lebens- und Dienstpraxis hineinzunehmen, uns Anteil zu schenken an ihm: Das ist sein Dienst der Erlösung an uns. Das erlöst, befreit uns zu neuem Sein und Handeln. Wir werden dann nicht selbst zu Herren und Meister, sondern bleiben, was wir geworden sind: von Christi dienender, reinigender Liebeskraft durchforme Jünger. Im Evangelium der Fußwaschung gibt Jesus seinen Jüngern Anteil an seinem Leben, Anteil an ihm, dem Christus: Damit auch die Jünger so handeln, wie Er an ihnen gehandelt hat. „Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.“ (Joh 13) „Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben...“ (Joh, 13,34) Damit sich durch uns seine Liebe bis zur Vollendung erweise.

Die Weihe zum Priester
Die Weihe zum Priester bedeutet, beauftragt und dazu mit Gottes Kraft und seinem Geist befähigt zu werden, Christus darzustellen in der Vollgestalt seiner Liebe. Das priesterliche Amt hat darin seine Wurzel. Dem priesterlichen Amt, das Sie, liebe Mitbrüder, zu Verkündern der in Christus uns leibhaftig begegneten Liebe Gottes mit Geist, Verstand, Herz und Hand macht, ist eine Vollmacht gegeben. Sie begründet sich so daraus, wie Christus den Verlorenen, Verletzten, den Niedrigsten in dienender Liebe zu begegnen. Das Amt findet darin seinen inneren Sinn, im Dienst der Geste der Fußwaschung zu handeln.

So ist der Priester ein in Jesus Christus Lebender und von seinem Sein und Geist ganz Durchdrungener. Nur so ist seine Bestimmung nicht anmaßend, im priesterlichen Amt, Christus in seinem Leben und seinem Wirken lebendig darzustellen. Ihr seid als Priester Herausgerufene, in die Nachfolge Christ Berufene von Christus Ergriffene, von seiner Liebe Durchformte. Nicht ich handle, sondern Christus wirkt in mir und durch mich.

Liebe Weihekandidaten, Sie sind bereit, selbst als Menschen, die an Christus Anteil haben, heilsam zu wirken an den heute oft so aufgescheuchten Seelen und obdachlos gewordenen Menschen und verwundeten Herzen. Das „Hier bin ich!“ gewinnt von der Anteilnahme am Evangelium der Fußwaschung seine Tiefe und Christusförmigkeit: - Hier bin ich! Da für Dich! Für dich Mensch, für dich Gott, für dich Christus!

Amen.

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