Bischof Dr. Gebhard Fürst: Predigt zur Priesterweihe 2010

Ehingen, St. Blasius

Liebe Schwestern und Brüder!

Wir feiern Priesterweihe. Fünf Männer sind unter uns, die Gottes Ruf mit ihrem Ja beantworten.

Liebe Weihekandidaten! Sie sind für uns Anlass zu großer Freude und Dankbarkeit. Wir danken für Ihre Bereitschaft, als Priester unserer Kirche leben und arbeiten zu wollen. Sie sind ein großes Geschenk für unsere Kirche! Gerade auch und besonders in dieser schweren Zeit, die wir durchleben und die auch durch schweres Fehlverhalten von Priestern der Kirche mitverschuldet ist. Wir alle müssen uns in dieser Krisenzeit neu auf unseren Auftrag, auf die Botschaft Jesu Christi, auf die Gestalt der Kirche besinnen.

Viele wünschen sich die Erneuerung der Kirche aus der Kraft des Gottesgeistes! Ich verstehe die Kirchenkrise als Kairos, als Entscheidungssituation und Chance und möchte mit dem Beistand des Gottesgeistes und allen Mitverantwortlichen Wege der Erneuerung suchen und gehen. Viele Erwartungen und Wünsche stehen im Raum, mit denen wir alle verantwortungsvoll umgehen müssen, damit uns die Menschen wieder Vertrauen schenken.

All den Erwartungen und Wünschen zur Erneuerung unserer Kirche möchte ich heute am Tag der Priesterweihe noch einen eigenen Wunsch hinzufügen. Ich wünsche mir von Ihnen, liebe Schwestern und Brüder, von all den getauften und gefirmten Christen auf dem Weg der Erneuerung, dass wir alle den großen Wert unserer Priester für die Menschen und für unser Kirchesein neu sehen lernen und unsere Priester in ihrer Bedeutung für uns schätzen. Ich möchte die Wertschätzung, liebe Schwestern und Brüder, die ich mir für unsere Priester wünsche auch auf ihre zölibatäre Lebensform ausdehnen. Ich möchte die Ehelosigkeit unserer Priester nicht missen, weil ich weiß, was sie bedeutet, und was sie vermag. Sie ist ein Zeichen, dem widersprochen wird, gewiss. Ehelosigkeit und Keuschheit der Priester sollen vor allem ein unübersehbares Zeichen dafür sein, dass sie um Gottes willen in der Spur Jesu Christi für die Menschen – besonders in ihrer Not - da sein wollen, ihnen nahe sein wollen in den dunkelsten und verlorensten Situationen ihres Lebens. Und es gibt heute viel mehr Menschen, die wie Verlorene sind, als das Hochglanzdesign unserer Gesellschaft vermuten lässt. Wir können dankbar sein, dass ich als Bischof heute fünf Diakone zu Priestern weihen darf. Zu Priestern, die ihr Diakonsein nicht ablegen, sondern als Priester immer auch Diakone einer diakonischen, einer dem Menschen dienenden Kirche bleiben. Denn sie wollen und sollen sich vom Geist Jesu leiten lassen und mit ganzem Herzen und der ihnen zu Verfügung stehenden Kraft für Menschen da sein, die sie brauchen. Sie verkünden das rettende und erlösende Wort Gottes und sie spenden die heilsamen und heiligenden Sakramente. Das zu sehen und dafür auch wertgeschätzt zu werden, hilft Ihnen, ihre Lebensform glaubwürdig zu leben. Ich bitte Sie alle um diesen Dienst an unseren Priestern.

Gleichwohl bleiben Priester schwache Menschen, die auch zurückbleiben hinter dieser großen Berufung. Wir alle – sagt der Völkerapostel Paulus – „tragen unseren Schatz in irdenen Gefäßen.“ (2 Kor 4,6) Diese Art der Demut ist unserem Kirchesein wesentlich. Nur mit Blick auf den dienenden Christus und auf die erniedrigten Opfer der vielen bösen Geschichten, die es in unserer Welt gibt, kann ein Priester Priester sein – andernfalls verfehlt er sein Amt. Das ist ein hoher Anspruch an die Priester der Kirche Jesu Christi. Nur aus sich selbst vermag keiner dieser Berufung gerecht zu werden.

Aus der Gottesbeziehung, liebe Weihekandidaten, und deshalb aus dem immerwährenden Gebet, erwächst ihnen die Kraft für ihr priesterliches Leben. Suchen Sie und leben Sie, liebe Mitbrüder, täglich die lebendige Beziehung zu Gott, zu dem, in dem Er selbst zu uns gekommen ist, zu Jesus Christus: im persönlichen Gebet, im Nachsinnen über Gottes große Taten in der Meditation, im Hören auf Gottes Wort, wenn sie die Heilige Schrift lesen. Sie erfahren darin: Gottes Kraft geht alle Wege mit! Gott selbst erfüllt Sie, liebe Mitbrüder, mit der Kraft seines Geistes. Mit dieser Gewissheit können Sie aufbrechen und sich rufen lassen. Sie sind nicht allein!

Liebe Weihekandidaten! Durch die Priesterweihe, besonders im Zeichen der Handauflegung werden Sie hineingenommen in die Gemeinschaft der Priester unserer Diözese. Sie sind nicht allein! Leben sie die Gemeinschaft im Presbyterium! Sie gibt Kraft und Geborgenheit. Und: Lassen sie sich gegenseitig nicht allein, liebe Brüder und Schwestern in den pastoralen Diensten und Ämtern. Nur gemeinsam werden wir mit Gottes Hilfe das Evangelium verkünden und die Zukunft unserer Kirche gestalten können.

Liebe Schwestern und Brüder! Unsere Kirche braucht Priester, sonst ist sie nicht das, was sie sein soll, nämlich eucharistische Kirche: Kirche, die aus Wort und Sakrament, aus der Verkündigung der Frohen Botschaft und der Feier der Eucharistie lebt. Die Kirchengemeinden, in die unsere Neugeweihten bald als Priester gesendet werden, haben dafür ein feines Gespür. Und die Gemeinden, denen ein Priester fehlt, spüren noch mehr den Mangel. Priester-Mangel bedeutet Mangel an Eucharistie; bedeutet Mangel an der lebendigen Vergegenwärtigung der großen Liebe Gottes, die von Jesus Christus, seinen Worten und Taten, seinem Tod und seiner Auferstehung, ausgeht. Der in der Eucharistie sich uns schenkende Christus ist es, der Sie, liebe Weihekandidaten, gerufen hat und begleiten wird alle Tage Ihres Lebens. „Er ist es!“, ruft Johannes der Täufer den Menschen zu: „Er ist es!“: Jesus von Nazareth, auf den Gottes Geist am Jordan herabgekommen ist. „Er ist es!“, der aus diesem Geist den Menschen begegnet, sie heilt, sie aufrichtet, sie lehrt, sie wirklich leben lässt. Der im Gefängnis sitzende Johannes der Täufer fragt nach der Geist-Taufe Jesu am Jordan – noch einmal selbst zum Zweifler geworden -: „Bist Du wirklich der, der kommen soll? Oder müssen wir auf einen anderen warten?“ Jesus beauftragt die ihn fragenden Johannesjünger: „Geht und berichtet Johannes, was ihr gesehen und gehört habt. Blinde sehen wieder, Lahme gehen, und Aussätzige werden rein; Taube hören, Tote stehen auf und den Armen wird das Evangelium verkündet.“ (Lk 7,22)

Das sind die Menschen, denen Jesus, auch heute nahe und ihnen als Heiland begegnen will: Menschen in den dunkelsten und verlorensten Situation des Lebens: an Leib uns Seele verarmte, seelisch obdachlos gewordene, vergessene, müde gewordene, von Enttäuschung und Verlust Gelähmte. Hinter der Fassade von Fitness, von Jugendkult und Leistungskraft gibt es viel mehr solche, als wir auf den ersten, oberflächlichen Blick sehen. In der Nachfolge Jesu bei ihnen zu sein, ist ihre Berufung, liebe Weihekandidaten!

Menschen brauchen Sie! Gott braucht Sie! Sie werden also erwartet! Sie werden also gebraucht!

Liebe zukünftige Priester, blicken Sie mit den Augen Jesu auf die Menschen, die nicht gebraucht werden, die nicht gewollt sind, auf die, die niemand vermisst, auf die, die niemand sonst liebt, die Lebensmüden, ja auf die, die manche loswerden möchten, weil sie belasten und zu viel Geld kosten! Die Zahl der belasteten, psychisch kranken Menschen steigt in den letzten Jahren sprunghaft an – das war gestern Abend eine Tagesschaumeldung wert. Solche Menschen sind heute die Verlorenen, zu deren Rettung Gott selbst in Jesus von Nazareth zu uns herabgestiegen ist. Vermitteln Sie den Verlorenen unserer Tage die Aufmerksamkeit, die Wertschätzung, ja die heilende Nähe Gottes. Vermitteln Sie ihnen Erfahrungen, dass sie willkommen sind, dass sie gebraucht werden, dass sie erwünscht, dass sie geliebt sind! Für viele sind solche Erfahrungen schon wie Erlösung: wie ein neues Leben. Wer erwünscht ist, wer spürt, dass er freudig erwartet wird und dass er selbst gebraucht wird, dem gehen die Augen auf für das Wunderbare am Leben, der erfährt schon mitten im Leben Auferstehung.

Liebe Mitbrüder, auf diesem Ihrem priesterlichen Weg dürfen Sie gewiss sein: Christus selbst geht mit Ihnen, auch Ihnen bricht er immer wieder das Brot des Lebens. Darin erfahren Sie IHN als gegenwärtig. Öffnen sie sich ihm tagtäglich neu! Er ist bei Ihnen, wie er uns allen zuruft: „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“ (Mt 28,20)

Amen.

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