Bischof Dr. Gebhard Fürst: Presseerklärung zum 40. Jahrestag der Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils 2002

Rottenburg

Am 11. Oktober 1962 eröffnete Papst Johannes XXIII. mit einer großen Rede das II. Vatikanische Konzil, das nach seinen Erwartungen für die Kirche ein ‚neues Pfingstfest’ bringen sollte. In der Tat hat sich in den letzten vierzig Jahren in der Kirche vieles verändert und die Impulse des Konzils haben vielerlei Spuren und Veränderungen bewirkt. Auch in der Diözese Rottenburg-Stuttgart sind viele Ansätze und Anregungen des Konzils aufgenommen und umgesetzt worden, was inzwischen selbstverständliche und erprobte Praxis ist. So nutze ich diesen Jahrestag, um auf einige wichtige Perspektiven hinzuweisen:

Um in der vielschichtigen und unübersichtlichen Welt von heute unsere Aufgaben im Dienst am Evangelium gut zu erfüllen, braucht es die Mitwirkung vieler! Das Konzil hat erklärt, dass es ‚Stellen und Verhältnisse’ gibt, ‚wo die Kirche nur durch die Laien zum Salz der Erde werden kann’ (Lumen Gentium 33). Es hat der Kirche mit einer ausdrücklichen Erklärung über das Apostolat der Laien in der Welt von heute eine neue Dimension eröffnet, dabei die Bedeutung der Laien für unsere Kirche nachhaltig bekräftigt und ihr Engagement in unserer Kirche gefördert.

Ich bin dankbar für die gegenwärtig ca. 200.000 ehrenamtlich tätigen getauften und gefirmten Christinnen und Christen in den Kirchengemeinden unserer Diözese. Sie schenken viel ihrer freien Zeit und ihrer Lebenskraft unserer Kirche im Einsatz für die Verwirklichung der uns anvertrauten Botschaft vom Reich Gottes. Dieses ehrenamtliche Engagement ist nicht selbstverständlich. Deshalb danke ich diesen vielen Christinnen und Christen, denn auch in ihnen wird Kirche eindrucksvoll sichtbar und für viele Menschen erfahrbar. Die Gemeinden leben von den vielen durch Heiligen Geist gewirkten Tätigkeiten der Getauften. Sie bereichern das Gemeindeleben nicht nur mit ihrer Glaubens- und Lebenserfahrung, sondern auch mit ihrem daraus entspringenden Zeugnis gebenden Handeln.

Ohne sie wäre die Pastoral längst unverantwortlich verarmt. Ich freue mich über die zahlreichen kirchlichen Vereine, Organisationen und Verbände, die große Anstrengungen unternehmen sich zu erneuern, zu verjüngen und die sich mühen, den Geist des Evangeliums auch in den eigenen Reihen lebendig zu gestalten. Ich freue mich über den hohen Anteil an Frauen in unseren Beratungsgremien, wie z. B. im Diözesanrat und in den Kirchengemeinderäten. Mit einem Frauenanteil von über 47 % haben wir – was aktive Mitwirkung der Frauen an den Entscheidungen betrifft - die kommunalen und landespolitischen Gremien weit hinter uns gelassen.

Die vergleichsweise hohe Wahlbeteiligung bei den KGR-Wahlen im vergangenen Jahr sind ein weiteres erfreuliches Zeichen für die aktive Teilnahme am Leben der Kirche. Unsere ca. 70 katholischen Schulen sind, getragen von engagierten Lehrerinnen und Lehrern, in der Gesellschaft so attraktiv, dass sie die hohen Anmeldezahlen von Schülern kaum mehr aufnehmen können. Ähnliches gilt für die vielen katholischen Kindergärten in unserer Diözese, in denen vielerorts gute religiöse Erziehung geleistet wird.

Dies sind nur einige Beispiele, auch vieles andere in der Jugend-, Frauen- und Männerarbeit zeigt, dass wir in unserer Diözese trotz aller Schwierigkeiten in der Glaubensweitergabe und der Evangelisierung und trotz allem gesellschaftlichen Druck, den wir spüren, eine lebendige Kirche sind. Die zahlreichen hauptberuflich in unserer Pastoral tätigen Priester und Diakone, die Pastoral- und GemeindereferentInnen haben die stürmische Entwicklung nach dem Konzil mitgetragen und mitgestaltet. Sie tun in den Gemeinden und kategorialen Feldern ihren Dienst in der Spendung der Sakramente, der Verkündigung des Wort Gottes, dem Bemühen um eine zeitgemäße Katechese, nicht zuletzt auf sozialen und karitativen Feldern.

Das Konzil hat mit gutem Grund zur Beratung des Bischofs verschiedene Räte eingerichtet. Als Bischof nehme ich diese Räte nicht nur in Kauf, sondern ich brauche sie mit ihrem Rat und ihrer Beratung. Aber nicht nur aus der Sicht des Bischofs und der Hauptamtlichen, die Verantwortung tragen, sondern auch aus der Sicht der betroffenen Menschen ist Rat und Beratung heute notwendig. Christen leben mitten in unserer Gesellschaft. Beratungs- und Mitspracherechte sind in unserer öffentlichen Kultur selbstverständliche Dimensionen bei der Findung von Entscheidungen.

Auch deshalb sind Räte in einer zeitgenössischen Kirche nicht wegzudenken. Verantwortung mitzutragen und Entscheidungsprozesse mitgestalten zu können, stärkt die Identifikation mit der Kirche.

Beratung ermöglicht darüber hinaus, dass Entscheidungen mit breiterem und tieferem Sachverstand angebahnt werden und mit gutem Ergebnis getroffen werden können. Denn die unzähligen haupt- und ehrenamtlichen ‚Laien' tragen doch gerade ihr Wissen, ihre Erfahrungskompetenz, ihre Lebens- und Glaubenserfahrungen und die ihnen zugewachsene Urteilsfähigkeit in Fragen und Problemen unserer Zeit zu den Beratungen bei. Aus ihren Berufen bringen sie Sachkompetenz mit, Sach- und Fachwissen, das für viele Überlegungen, Projekte und Unternehmungen der Pastoral unabdingbar ist. All das minimiert die Entscheidungsverantwortung und die Gestaltungskraft des Bischofs nicht, sondern erhöht ihre Qualität, Kompetenz und auch die Akzeptanz dessen, was geplant und durchgeführt wird.

Ich möchte an diesem 40. Jahrestag der Konzilseröffnung ausdrücklich und nachhaltig allen herzlich danken, die sich in unserer Diözese engagieren.

Der Bischof, der in der Nachfolge der Apostel steht, trägt in der katholischem Kirche die Gesamtverantwortung. Bei ihm liegt auch die Kompetenz der „letzten Entscheidung“. Er steht ein für die rechte Verkündigung in den kirchlichen Grunddiensten der Liturgie, des Glaubenszeugnisses und der Zeugniskraft christlicher Nächstenliebe. Der Bischof trägt dafür Sorge, dass in der Kirche gemeinsam das Evangelium durch Wort und Tat für das Heil aller Menschen verkündigt wird. Er hat das Ganze der Kirche in den Blick zu nehmen und Brückenbauer zwischen den verschiedenen Gruppierungen und Überzeugungen zu sein. Er hat zu mahnen, aber vor allem auch und besonders die Schwestern und Brüder zu ermutigen. Das Konzil hat diese besondere Bedeutung des Bischofs betont und sie zugleich mit dem biblischen Bild des Hirten verknüpft, dem ‚die beständige tägliche Sorge in vollem Umfang anvertraut ist.’ (Lumen Gentium 27)

Das Konzil hat nicht nur Binnenperspektiven für die Kirche entwickelt, sondern den Blick auch zugleich von der Kirche auf ihren Ort in der Welt geworfen. Denn nicht nur die Kirche braucht den benannten Einsatz, sondern auch unsere Gesellschaft. Christen sind nicht für sich selbst da. In vielfacher Weise fehlen unserer Gesellschaft Licht, Orientierung, Werte, Lebensmodelle, um (über-)leben zu können. Unsere Gesellschaft braucht das Salz der Kirche, damit sie nicht fade wird und sich nicht mit Unrecht, das geschieht, zufrieden gibt. Deshalb sollten wir als Kirche in der Welt das Ziel im Auge behalten, mit christlichem Freimut das Evangelium zeitgenössisch zu verkünden, selbstbewusst von unserem Glauben Zeugnis abzulegen und uns kompetent in die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen einzumischen. Die Botschaft, die unserer Kirche anvertraut ist, ist ‚Licht für die Welt‘.

Ich bin deshalb besonders dankbar, dass ich zudem seit einem Jahr als Geistlicher Assistent des Zentralkomitees der deutschen Katholiken auch auf Bundesebene das Engagement der Laien miterleben und unterstützen kann. Ich bin beeindruckt von der Kompetenz und Vielseitigkeit, mit der Laien ihre Verantwortung für Kirche an ihrem jeweiligen Platz wahrnehmen. Auch hier gilt, dass es ‚Stellen und Verhältnisse’ gibt, ‚wo die Kirche nur durch die Laien zum Salz der Erde werden kann’. Beim ZdK wie in den genannten diözesanen Räten und Verbänden bauen Laien am Haus der Kirche mit; sie sind zusammen mit uns Bischöfen und den anderen pastoralen Diensten und Ämtern Kirche. Sie erbringen –Gott sei Dank und den Menschen zum Heil- ihren spezifischen Anteil zum Aufbau des Reiches Gottes.

Papst Johannes XXIII. hatte seine damalige Eröffnungsrede mit einem geradezu begeisternden Vergleich geschlossen: ‚Mit Beginn dieses Tages bricht in der Kirche ein strahlender, glückverheißender Tag an. Noch herrscht die Morgendämmerung, und schon fühlen wir uns bei den ersten Zeichen des anbrechenden Tages wohl.’ Auch wenn sich heute manches nüchterner darstellt, liegt es weiter an uns allen, die vielen Impulse des Konzils aufzugreifen und in der Kirche zu konkretisieren. Das Konzil ist auch zukünftig unser Erbe und Auftrag.

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