Bischof Dr. Gebhard Fürst: Statement bei der Pressekonferenz zur Vorstellung der Klima-Initiative 2007

Stuttgart-Degerloch

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

1. Die Aktualität und Notwendigkeit einer „Klima-Initiative“ bedarf kaum einer Begründung. Die Klimaberichte der Vereinten Nationen weisen erschreckende Perspektiven für die künftige Entwicklung der Erderwärmung mit ihren ökologischen, wirtschaftlichen, (geo-)politischen und sozialen Folgen auf. Die Zukunft der Erde und damit auch die Zukunft unserer Kinder und Kindeskinder ist durch den Klimawandel in hohem Maße gefährdet. Angesichts der Größe der Gefahr verbietet sich ein schlichtes „weiter wie gehabt“. Umkehr zu einem lebensfördernden, nachhaltig rücksichtsvollen Umgang mit der Umwelt und den natürlichen Ressourcen ist das Gebot der Stunde.

Das Klimaproblem ist eine Herausforderung von höchster Verbindlichkeit an die ethische Verantwortung aller - der politischen Akteure, der Wirtschaft, der öffentlichen Institutionen und der privaten Haushalte.

2. Maßnahmen des Klimaschutzes haben derzeit eine hohe und allgemein anerkannte Plausibilität, weil wir die unmittelbaren Folgen jetzt schon in den extremen Wetterentwicklungen und der Häufigkeit klimatisch bedingter Naturkatastrophen erleben. Klimaschutz-Maßnahmen sind freilich nur ein Teil und stehen stellvertretend für eine ganze Reihe anderer Bereiche, in denen ein schonender und verantwortungsbewusster Umgang mit der natürlichen Umwelt notwendig ist: Ich denke dabei etwa an den Tierschutz, an Bodenschutz und Gewässerschutz, an den Schutz der Vielfalt der lebenden und massiv bedrohten Arten in der Tier- und Pflanzenwelt. Ich übergehe andere Beispiele und verweise auf den Schutz des eigenen, des menschlichen Lebens – über dessen Geheimnis am Beginn und am Ende wir glauben rein technisch verfügen zu können; dessen Würde und dessen Grundrechte weltweit auf schreckliche Weise missachtet und mit Füßen getreten werden.

All dies gehört dazu, wenn wir von einem sorgsamen und ehrfürchtigen Umgang mit dem Leben reden – Leben verstanden in einem sehr umfassenden Sinn.

3. Einen sorgsamen Umgang gebietet uns allein schon unsere Vernunft – unabhängig von allen Glaubensüberzeugungen. Wenn wir aber in diesem „Aufstand für das Leben“ als Christen und als Kirche die Initiative ergreifen, dann erfährt unsere vernunft-begründete Ethik eine besondere Motivation, Sinngebung und Radikalisierung. Christen und Juden sprechen von „Schöpfung“ – das ist nicht einfach identisch mit der natürlichen Umwelt. Ich betone diesen Unterschied deshalb, weil der „Schöpfungs“-Begriff und der Schöpfungsglaube dem Phänomen „Natur“, deren Teil wir bei aller Differenziertheit sind, eine ganz besondere Sinndeutung gibt. „Schöpfung“ bedeutet, dass „Natur“ nicht einfach für uns verfügbar ist, sondern dass sie einen göttlichen Ursprung hat und ein Geschenk aus Gottes Fülle und Liebe ist.

4. Die Schöpfungserzählungen der Bibel stellen – im Verhältnis zu den anderen orientalischen Religionen im Umfeld des Volkes Israel – in gewissem Sinn eine „Säkularisierung“ dar. Sonne, Mond und Sterne, der Kosmos, die Erde, Pflanzen und Tiere werden zu Geschöpfen Gottes erklärt und verlieren ihre eigene Göttlichkeit – sie sind Geschöpfe und nicht mehr selbst Götter. Auch der Mensch ist Geschöpf, aber den anderen Geschöpfen übergeordnet und nicht mehr abhängig von ihren oft dämonischen Eigenschaften. Die Schöpfungserzählungen der Bibel sind ein Plädoyer für die Freiheit des Menschen. Den „ersten Freigelassenen der Schöpfung“ nennt der Philosoph Johann Gottfried Herder den Menschen. Aus dieser Frei-Setzung erwächst auch ein Auftrag: „Macht euch die Erde untertan.“ (Gen 1,28) Dieser Auftrag – erwachsen aus der Mündigkeit und Freiheit des Menschen gegenüber den Determinismen der Natur – stellt in seinen geschichtlichen Konsequenzen eine der Wurzeln des neuzeitlichen und modernen wissenschaftlichen Denkens dar, in dem der Mensch mit den Mitteln seiner Ratio die Gesetze der Natur erschließt und sich zu eigen und zunutze macht.

Und hier liegt auch eine Verkehrung mit weit reichenden Folgen: Nicht nur die einzelnen Naturphänomene wurden entgöttlicht und säkularisiert – in der Neuzeit, im Gefolge der Aufklärung und der aufkommenden Naturwissenschaften wird die Welt als ganze säkularisiert und der verfügenden, technisch-instrumentellen Ratio des Menschen preisgegeben, die sich alles unterwirft. Mit dem Erfolg, den ein Buchtitel der 80er-Jahre so formuliert: „Der tödliche Fortschritt.“ Und der Autor stellt eine Verbindung her zu dem „Säkularisierungs-Programm“ der biblischen Schöpfungserzählungen: „Von der Zerstörung der Erde und des Menschen im Erbe des Christentums“.

Das mag aus Marketing-Gründen übertrieben sein. Aber die Frage wurde oft gestellt und hat eine gewisse Berechtigung, ob die biblisch begründete und durch die Aufklärung bestätigte Mündigkeit und Souveränität des Menschen – ein hohes Gut, für das zu streiten sich immer lohnt – nicht in eine neue Art von Abhängigkeit geführt hat. Hat sich der Mensch, der seine eigene Ratio verabsolutiert hat, nicht selbst den Zwängen einer ausschließlich technisch-instrumentellen Vernunft ausgesetzt – einer Art von Vernunft, die keine Maßstäbe außerhalb ihrer selbst mehr gelten lässt? Wohin uns dies geführt hat, erleben wir heute in erschreckender Deutlichkeit.

5. Deshalb ist es unumgänglich, auch einen anderen Aspekt – und einen anderen Text – der biblischen Schöpfungserzählungen heranzuziehen. „Gott, der Herr, nahm ... den Menschen und setzte ihn in den Garten von Eden, damit er ihn bebaue und hüte.“ (Gen 2,15) Der Mensch ist nicht Herr über die Schöpfung, er ist ihr Hüter und Bewahrer. Er hat einen Gestaltungsauftrag; und er hat auch einen Auftraggeber, dem er Verantwortung schuldet. Der Mensch ist nicht „Shareholder“ der Schöpfung, sondern Treuhänder, „Gärtner“. Anders gesagt: Wir sind nicht die neuen Götter, nach dem – angeblich – Gott tot ist. Sondern wir stehen „in Verantwortung vor einer höheren Instanz“ (Hans-Jochen Vogel). Ich nenne diese Instanz Gott – den Schöpfergott, den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, den Gott Jesu Christi (Pascal). Zu welcher Gnadenlosigkeit und Zerstörungswut die Selbstvergötterung des Menschen geführt hat und führt, wissen wir zur Genüge.

6. Wir sind also in die Verantwortung genommen. Ver - antwortung – das bedeutet Antwort: Antwort auf einen Anspruch an uns, der unser Gewissen und unsere religiöse Glaubwürdigkeit betrifft. Antwort auf ein wunderbares Geschenk – nennen wir es Natur, Leben, Schöpfung.

Diese Antwort bedeutet auch Dank. „Dank“ hängt etymologisch mit „Denken“ zusammen. Ein dankbarer Umgang mit der Schöpfung und ihrer Lebensfülle ist sowohl eine Frage des Glaubens als auch des vernünftigen Denkens. Wie viel Verantwortungslosigkeit im Umgang mit der natürlichen Umwelt ist einfach Gedankenlosigkeit? Wie viel Verantwortungslosigkeit und Gedankenlosigkeit im Umgang mit der Schöpfung müssen wir als Gottlosigkeit bezeichnen?

7. Ich komme zurück auf die konkreten Bemühungen unserer Diözese, diesem hohen Anspruch gerecht zu werden. Die PV-Anlage, die wir heute morgen eingeweiht haben, ist nicht die erste PV-Anlage (Akademie, Bischofshaus, ca. 50 Kirchengemeinden), und sie wird auch nicht die letzte sein. Und die Bauplanungen der Diözese Rottenburg-Stuttgart berücksichtigen konsequent die Nutzung erneuerbarer Energien und den Einsatz CO2-neutraler Techniken. Solartechnik hat eine hohe Symbolkraft, und sie hat in unserer ökologischen Gesamtstrategie daher auch einen hohen Stellenwert. Aber sie ist Teil eines integrierten Konzepts, zu dem u. a. auch die ökologisch orientierte Weiterentwicklung des bestehenden Immobilienbestands sowie die Verhaltensmotivation von Verantwortlichen und Mitarbeitenden gehören. Dies wird anschließend dargestellt.

8. Ich komme noch einmal auf das Grundsätzliche zurück.

Ich habe als Bischof den Wahlspruch „Propter nostram salutem – um unseres Heiles willen“, ausgewählt. Dies wird meist als heilendes Handeln auf Menschen und ihr Zusammenleben hin interpretiert. Das ist sicher auch zentral. Heute erkennen wir aber auch immer deutlicher, dass wir unser heilendes Handeln ausdehnen müssen auf die ganze bedrohte und beschädigte Schöpfung.

Wir haben dieses Anliegen als eine der Prioritäten des pastoralen Handelns der Diözese Rottenburg-Stuttgart formuliert. In den Pastoralen Prioritäten der Diözese Rottenburg-Stuttgart, die ich am 11. Dezember 2003 in Kraft gesetzt habe, wird unter dem Abschnitt „Zum Wohl der Schöpfung handeln“ genannt: „Nachhaltiges Handeln im persönlichen Lebensbereich sowie in Kirche und Gesellschaft stärken.“ An Konkretisierungen wird dabei u. a. genannt: „Verbrauch von Energien und natürlichen Ressourcen reduzieren. Die Erzeugung und Nutzung regenerativer Energien fördern.“ Sowie: „Teilnahme von Gemeinden und kirchlichen Vereinigungen am Programm ‚Kirchliches Umwelt- und Nachhaltigkeitsmanagement’.“

Bestätigt wird dies durch eine Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz: Eine „breite Umsetzung beispielhaften und glaubwürdigen Handelns“ im Kontext der klimapolitischen Verantwortung müsse ein besonderes Anliegen der Kirche sein. „Das eigene praktische Handeln (ist) auch für die Kirche selbst Voraussetzung dafür, dass sich ihre ethische Kompetenz wirksam entfalten kann“ (Die deutschen Bischöfe, „Der Klimawandel“, September 2006, 4.4 [58]).

Und nun vom Grundsätzlichen wieder zum Konkreten: die Präsentation der „Klima-Initiative“.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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