Es zeigt, dass die römisch-katholische Kirche immer wieder Überraschungen parat hat. Niemand hat mit dem neuen Papst gerechnet und der erste Auftritt auf der Loggia hat mich tief beeindruckt. Ein bescheidener Mann, der sich den Namen Franziskus gibt, das ist einmalig in der Papstgeschichte. Wer den Heiligen Franziskus kennt, wird sofort wissen, was sich damit verbindet. Der Papst ist aus Lateinamerika und er ist ein Anwalt der Armen, er ist ein Anwalt des Kontinents, wo die meisten Katholiken wohnen. Anteilmäßig sind 40 Prozent der Katholiken der Weltkirche aus Lateinamerika und die ersten Worte, die er gesagt hat, betonen, dass er als Bischof von Rom den Vorsitz hat. Das habe ich in dieser Weise noch nicht gehört. Und er hat sich unter das Gebet des Volkes gestellt. Auch ein starkes Zeichen, dass sich die Kardinäle so schnell auf diesen Papst geeinigt haben.
Ich wünsche mir, dass er den Namen, den gewählt hat, realisieren kann, ein großes Programm, das ich von einem Papst so noch nicht gehört habe. Er spricht von Geschwisterlichkeit, von Bewahrung der Schöpfung, ein hochmodernes, die ganze Menschheit betreffendes Thema. Ein ökologischer Papst in einem umfassenden Sinne, ein Mann, der einen Eindruck macht von einer inneren Souveränität, die geleitet ist von einer tiefen Frömmigkeit und Spiritualität. Deshalb bin ich mir sicher, dass er die Herzen aller Katholiken, der Menschen in aller Welt gewinnen wird.
Mein erstes Gefühl war ein ungläubiges Gefühl, dann Faszination, dass der 266ste Papst den Namen des Heiligen Franziskus gewählt hat. Franziskus, noch nie hat ein Papst sich so genannt, deshalb ist auch von vorneherein gar keine Spekulation notwendig. Es ist ein Mann, der sich in die Spur des Heiligen Franziskus stellt. Franziskus ist in seiner Zeit die Ikone Jesu Christi genannt worden. Damit stellt er sich in die Spur des Franziskus und dessen, dem dieser nachfolgt. Das ist ein ungeheures Zeichen, das wir noch ausloten müssen in seiner ganzen Tiefe.
Das Papst hat der Menge zugerufen: Guten Abend, ich grüße euch. Das ist ein erstes Zeichen der Geschwisterlichkeit und der Zuwendung zu den Menschen. Mich hat sehr beeindruckt, dass er mit einem Gebet für seinen Vorgänger begonnen hat. „Vater unser“ und „Gegrüßet seist du, Maria“ sind zentrale Gebete der Christenheit. Er hat sich dann verneigt und um das Gebet der Versammelten gebeten. Das, was er wünscht, die Geschwisterlichkeit der Kirche, das hat er schon mit dieser Geste gezeigt.
Johannes Paul II. war der erste Nichtitaliener auf dem Stuhl Petri seit Jahrhunderten. Dann Benedikt XVI., der deutsche Papst. Und jetzt ist aus Rom der Blick auf Lateinamerika gerichtet worden und das hat er außerordentlich feinsinnig aufgenommen. Er hat sich als Bischof von Rom vorgestellt und gesagt: Meine Kollegen Kardinäle haben sich weit aufgemacht, um mich aus Buenos Aires zu rufen. Das zeigt seine weltkirchliche Sicht und seinen weiten Blick und zugleich die Fokussierung auf den Bischof von Rom. Das ist eine gute alte Tradition, dass der Bischof von Rom der Vorsteher, der Papst der Kirche ist und nicht der Papst der Bischof von Rom. Das ist eine entscheidende Akzentuierung, die man auch nachklingen lassen muss.
Der Weg, der Camino, den der Papst erwähnt hat, verbindet sich mit dem Pilgerweg. Damit deutet er an, dass er als Pilger unterwegs sein will, mit einer pilgernden Kirche in der großen Verantwortung der Weltkirche, aber als Pilger. Das ist ein großes Zeichen. Pilgernde Kirche ist ein wesentliches Element der Ekklesiologie des Zweiten Vatikanischen Konzils. Die Geschwisterlichkeit, die er benannt hat, kann man in der Sprache des Konzils mit Communio, Gemeinschaft der Gläubigen, übersetzen. Damit knüpft er an das an, was Benedikt der XVI. gesagt hat: Wir sind eine Gemeinschaft, vom Heiligen Geist geführt, in der Kirche von Brüdern und Schwestern und die Personen, die Menschen stehen in der Mitte.
Ich wünsche mir, dass er mit dieser Botschaft, die eine starke und hoffnungsvolle Botschaft an die Welt ist, mit seiner Kurie zurechtkommt. Ich hoffe, dass alle in der Kurie dieses Signal verstehen und sich diesem Camino anschließen. Dann wird viel von dem, was wir gehört haben, nicht mehr geschehen. Ich vermute, dass Franziskus durch seine innere Kraft Autorität gewinnen wird, dass er seine Kurie von innen führt. Natürlich muss das auch durch äußere Entscheidungen geschehen, aber die Akzeptanz einer Autorität, die eine solche Spiritualität und ein solch klares Programm ausstrahlt, diese Autorität wird er sicher gewinnen. Das wünsche ich dem neuen Papst und dafür bete ich.
Bischof Dr. Gebhard Fürst