Bischof Dr. Gebhard Fürst: "Über die Sorge für das gemeinsame Haus"

Statement zur Päpstlichen Enzyklika Laudato Si´ beim Beirat der Landesregierung für nachhaltige Entwicklung

Neues Schloss Stuttgart, 31. Oktober 2015

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
liebe Beiratsmitglieder,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

am 18. Juni dieses Jahres veröffentlichte Papst Franziskus die Enzyklika "Laudato si". Nach zwei anderen, beide stammen aus dem Jahr 2013, ist "Laudato si" das dritte Lehrschreiben dieses Papstes, mit dem er sich an die Öffentlichkeit wendet. Richteten sich jedoch die beiden erstgenannten an die kirchlichen Ämter und Dienste und alle Christgläubigen, so weitet Franziskus den Adressatenkreis nun deutlich aus. Weil das Thema Enzyklika im Kern für alle Lebewesen auf dieser Erde höchste Brisanz besitzt, wendet sich Franziskus in Laudato si nicht nur einer kircheninternen Öffentlichkeit zu, sondern der gesamten Weltöffentlichkeit. Im Zentrum von Laudato si steht die Frage, welche Art von Welt wollen wir denen überlassen, die nach uns kommen, den Kindern, die gerade aufwachsen. Deshalb wählt der Papst den Untertitel "Über die Sorge für das gemeinsame Haus". Franziskus stellt die These auf, die dringende Herausforderung, unser gemeinsames Haus zu schützen, schließt die Sorge ein, die gesamte Menschheitsfamilie in der Suche nach einer wahrheitlichen und ganzheitlichen Entwicklung zu vereinen.

Einige Vorbemerkungen noch: Laudato si, gelobt seist Du, mein Herr. So beginnt der Sonnengesang des heiligen Franziskus. Ein Lob der Schöpfung, so ist die Enzyklika überschrieben, so heißen die ersten Worte dieses Schreibens. Am Schluss steht ein Gebet: Für unsere Erde. Und zwar so formuliert, dass das nicht nur Katholiken, nicht nur evangelische Christen, sondern alle miteinander auch beten könnten. Diese Rahmung stellt die ganze Schrift Laudato si in einen religiösen Kontext, in den Kontext des jüdischen-christlichen Schöpfungsglaubens. Aber: Der Papst nützt für die Darstellung der großen und bedrängenden Sorgen für das gemeinsame Haus Erde, für unseren blauen Planeten die Vernunft des Menschen. In diesem Schreiben wird also aus der biblisch-christlichen Botschaft und ausgehend von Franziskus, von seinem Sonnengesang, nicht in fundamentalistischer Manier eine Lehre oder gar ein Konzept denunziert, das dann allen anderen übergestülpt wird, das dann zu befolgen ist, und das in den innerkirchlichen Kontext hinein gesprochen wird, vielmehr nützt der Verfasser, die säkularen Erkenntnisse der Naturwissenschaften, der Philosophie und der Theologie unter Absehung ihrer weltanschaulichen Positionierung und ihrer Religionszugehörigkeit.

Dann zu der Formulierung Sorge um: Sorge meint hier nicht Angst oder Besorgnis. (Es ist manchmal ein wenig üblich, dass die Kirche besorgt ist.) Das ist hier nicht gemeint. Es ist auch kein distanziertes Stirnrunzeln angesichts dessen, was in der schlimmen Welt vor sich geht. Sorge meint hier: Sorge für. Im Italienischen, in der Sprache ist der Text der Enzyklika verfasst, heißt Sorge "cura", das gleiche Wort wie im Lateinischen. Sorge für, Pflege, Sorgfalt, Behandlung, ja "Kur".

Nochmal zu den Adressaten: zu den Adressaten sagt Franziskus selber, angesichts der weltweiten Umweltschäden möchte ich mich jetzt an jeden Menschen wenden, der auf diesem Planeten wohnt. Er spricht alle an in ihrer Verantwortung für das gemeinsame Haus. Papst Franziskus schreibt nicht einfach an die katholische Kirche in Deutschland oder an die Gesellschaft und ihre Akteure in Deutschland und Europa. Er schreibt an alle Regionen der ganzen Menschheitsfamilie von Feuerland bis zum Nordkap, von Papua Neuguinea bis zur Ostküste der USA, von Amazonien bis zum Kongobecken, von Indien bis Argentinien, und die Großstädte wie Rio, Mumbai, Kalkutta, Bangladesch, Indonesien und Ozeanien. Der Papst hat den ganzen Planeten in den unterschiedlichsten Zivilisationen und ihren zeitlichen Unterschieden und Ausprägungen im Blick. Das bringt mit sich, dass das Schreiben in verschiedenen Regionen und Kulturen und Ländern unterschiedlich wahrgenommen wird und verschiedene Akzentuierungen zur Folge hat. Die aber alle auf das Wohlergehen des gemeinsamen Hauses ausgerichtet sein müssen. Franziskus wendet sich mit seinem Schreiben an jeden Menschen, der auf dem Planeten wohnt. Alle sind vereint in ein und derselben Sorge, im Sinne: sie sorgen sich für, Verantwortung zu übernehmen: Wissenschaft, Philosophen, Psychologen, soziale Organisationen, andere Kirchen, andere Religionen. Franziskus übernimmt zum Zweck der Analyse der aktuellen ökologischen Krise und der Vorschläge und Dringlichkeit, damit umzugehen, ich zitiere ihn: "Die besten Ergebnisse des heutigen Stands der wissenschaftlichen Forschung."

Sorge für das gemeinsame Haus: Das griechische Wort "oikos" heißt Haus. Davon ist der Begriff der "Ökologie" abgeleitet, unter dem zunächst nur in der Alltagssprache und auch anfänglich im politischen Handeln mehr als "Umweltschutz" verstanden wurde. Das hat sich im Laufe der letzten Jahre verändert. Der Papst nimmt das Wort oikos in seiner ganzen Weite und Größe und übersetzt es als: Das gemeinsame Haus. Er meint damit das Ganze, was lebt und Leben ermöglicht, von den Elementen, Wasser, Luft, Erde bis zu den Pflanzen, Tieren, Menschen. Und die Kultur, die geschaffen wurde und entstanden ist. Das Ganze, in dem wir als Menschen neben anderen Arten Mitbewohner sind. Wir stehen also nicht einfach gegenüber, sondern wir sind Mitbewohner in diesem gemeinsamen Haus. Ich denke, das ist eine wichtige Perspektive, dass wir selbst Bewohner sind. In diesem Brief des Papstes an die Menschheit wird die Umweltproblematik in engem Zusammenhang zur Frage von sozialer Gerechtigkeit gesehen und in den Kontext des aktuellen Wirtschaftssystems gesetzt. Manche von Ihnen, meine Damen und Herren, werden die großen Sozialenzyklen der Päpste des 19. und 20. Jahrhunderts kennen, die stark die Entwicklung des Sozialstaates in Deutschland, die Form und Gestalt, das Modell zur sozialen Marktwirtschaft mitgeprägt haben. Auch die evangelische Sozialkritik hat ihren wichtigen und wesentlichen Anteil. Diese katholische Soziallehre, auf die ich mich jetzt mal konzentrieren möchte, mit den Prinzipien der Personalität, der Solidarität, der Gemeinwohlverpflichtung und der Subsidiarität wird nun um das Prinzip der Nachhaltigkeit erweitert. Das ist das wirklich Neue und Überraschende. Der Papst schreibt hier nicht nur einfach eine Umweltenzyklika, sondern er nimmt diese ganze Frage des Ökologischen hinein in diese gesamte Soziallehre. Der Papst sieht seinen Brief in der Tradition der kirchlichlehramtlichen Soziallehre, die mit dem "ihr" um die ökologischen Dimension erweitert wird.

Franziskus beginnt die ersten Seiten seiner Enzyklika mit einem Statement: Der Papst äußert überzeugend, dass trotz aller gegenläufigen Tendenzen die Menschheit in der Lage ist zu kooperieren, um nachhaltige und integrale Entwicklung dieses gesamtgemeinsamen Hauses zu meistern. Damit bringt er das christliche Hoffnungspotential in die Thematik mit ein, auch wenn man vielleicht sagen muss: Hoffnung gegen alle Hoffnung.

Er dankt allen, die sich in verschiedenen Bereichen für diese gemeinsame Aufgabe schon engagieren und auch Wichtiges schon vorangebracht haben. Es geht ihm um eine aufrichtige und ehrliche Debatte. Er lädt alle ein, dringlich, zu einem neuen Dialog über die Art und Weise, wie wir die Zukunft unseres Planeten gestalten. Wir brauchen ein Gespräch, das uns alle zusammenführt. Diese Art, eine Enzyklika zu schreiben, ist neu. Es wird nicht eine Lehre von oben implementiert, top down, sondern es werden Impulse gegeben, mit hoher Sachkompetenz versehen, die einen globalen Dialog mit unterschiedlichen Dimensionen das Weltgeschehen zu dieser Frage der Ökologie initiieren.

Und er spricht in diesem ersten Statement von der schweren Verantwortung der internationalen und der lokalen Politik. Er nennt zu Beginn die zentralen Themen, die die gesamte Enzyklika durchziehen. Die enge Beziehung zwischen den Armen und der Anfälligkeit des Planeten, die Überzeugung, dass in der Welt alles miteinander verbunden ist. Die Kritik am neuen Machtmodell und den Formen der Macht, die sich allein aus der Technik ableitet. Die Einladung, bei einem anderen Verständnis von Wirtschaft und Fortschritt zu suchen. Den Eigenwert eines jeden Geschöpfes, nicht nur der Tiere und der Menschen, sondern eben allen Lebens und selbst auch den der Elemente zu achten und zu respektieren.

Im Folgenden möchte ich Ihnen einige zentrale Themen im ersten Kapitel er Enzyklika nennen. Es ist überschrieben: Was in unserem Haus passiert:

  1. Umweltverschmutzung und Klimawandel. Papst Franziskus nennt hier Verschmutzung, Abfall und die Wegwerfkultur. Die Schadstoffe in der Luft, denen die Menschen ausgesetzt sind, zeitigen Folgen für ihre Gesundheit besonders der Armen, und führen zum vorzeitigen Tod. Die Technologie, die mit dem Finanzwesen verknüpft ist, gibt vor, dieses Problem lösen zu können, zeigt sich aber in Wirklichkeit als unfähig dazu, weil sie die Komplexität der miteinander zusammenhängenden Ursachen nicht durchschaut und mit der Lösung eines Problems neue schafft. Es herrscht eine Wegwerfkultur, von der auch Menschen betroffen sind, das sind umfassende Begriffe: Wegwerfkultur z.B. Gegenüber den Arbeitslosen. Wegwerfkultur gegenüber den leistungsschwachen Menschen, die einfach auch gemieden werden, die ausgeschlossen werden vom gesamten Prozess. Es geht darum, sich dieser Kultur zu widersetzen und Ansätze zu einer Kultur der Wiederverwertung, also auch in diesem umfassenden Sinn. Es geht ihm darum, dass die gesamte Kultur nicht Menschen ausgrenzt, wegwirft und sie vergisst.

  2. Wasserfrage. Ein schwerwiegendes Problem ist die Frage nach sauberem, trinkbarem Wasser geworden, auch davon sind die Armen dieser Welt in besonderer Weise betroffen. Der Papst betont: Der Zugang zu trinkbarem, sicherem Wasser ist ein basales und universales Menschenrecht. Weil davon das Überleben der Menschen abhängig ist und folglich eine Bedingung, ein interessanter Gedanke, eine Bedingung für die Ausübung der übrigen Menschenrechte. Diese Welt hat eine schwere soziale Schuld den Armen gegenüber, die keinen Zugang zu trinkbarem Wasser haben, weil dort das Recht auf ein Leben negiert wird, das auf einer unveräußerlichen Würde basiert. Im Übrigen wird eine größere Verteilung des Wassers eine Verteuerung der Lebensmittel und verschiedener Lebensmittel zur Folge haben, was wiederum entsprechende, schwierige Konsequenzen hat.

  3. Zitat von Papst Franziskus: Jedes Jahr verschwinden tausende von Pflanzen- und Tierarten, die wir nicht mehr kennen können, die unsere Kinder nicht mehr sehen können. Sie gehen verloren für immer. Zu einem großen Teil ist das auf von Menschen getätigte zerstörerische Handgriffe in das Ökosystem zurückzuführen. Interessant ist, er spricht von der Zerstörung der biologischen Vielfalt als einer Selbstverletzung des Menschen, weil er die Vielfalt nicht mehr erleben wird, reduziert sich die Freude an dem, was ihn umgibt und ihm gegeben ist. Am meisten geht die Enzyklika auf die planetarischen Lungen am Amazonas und am Kongo ein, sowie auf die Verschmutzung der Ozeane. Anerkennenswert ist die Aufgabenstellung von internationalen Organisationen, schreibt er, und Vereinigungen der Zivilgesellschaften, welche die Bevölkerung sensibilisieren und kritisch begleiten. Auch unter Einsatz legitimer Druckmittel, damit jede Regierung ihre eigene und nicht revidierbare Pflicht erfüllt, die Umwelt und ihre natürlichen Ressourcen ihres Landes zu bewahren, ohne sich dann in unehrlichen lokalen und internationalen Interessen zu verkaufen.

  4. Verschlechterung der Lebensqualität und sozialer Niedergang. Als Phänomene werden angeführt:
  • Das unregulierte und die menschliche Würde verletzende Wachstum von Städten.
  • Die Privatisierung von bisher öffentlichen Räumen, u. a. mit der Folge, dass sich wohlhabende ökologische Reservate bilden.
  • Die soziale Exklusion. Die Ungleichheit, über etwas verfügen und konsumieren zu können.
  • Auswirkungen technologischer Neuerungen in der Arbeitswelt.
  • Energieverbund.
  • Die Zunahme von Gewalten, neue Formen der sozialen Aggressivität
  • Der zunehmende Drogenkonsum in den Medien und der digitalen Welt. Also eine Entfremdung von der direkten Kommunikation und ihren Eigenschaften.
  • Weltweite soziale Ungerechtigkeit.

Der Papst schreibt dies nicht als Europäer, er schreibt dies als Argentinier aus Buenos Aires, wo es ja große finanzielle Verwerfungen gegeben hat, die da jetzt entstanden sind, er spricht die gesamte Menschheitsfamilie an. Die menschliche Umwelt und die natürliche Umwelt verschlechtern sich gemeinsam und wir werden die Umweltzerstörung nicht sachgemäß angehen können. Wenn wir nicht auf Ursachen achten, die mit dem Niedergang auf menschlicher und sozialer Ebene zusammenhängen. Wiederum sind davon besonders die nächsten Planeten negativ betroffen.

Ausführlich geht ein Abschnitt auf diese Ausgeschlossenen ein. Der Papst unterstreicht: Wir kommen jedoch heute nicht umhin zu erkennen, dass ein wirklich ökologischer Ansatz sich immer in einem sozialen Ansatz wiederfindet. Oder sich in einen sozialen Ansatz verwandeln muss. Der die Gerechtigkeit in der Umweltdiskussion aufnehmen muss um die Klage der Armen ebenso zu hören wie die Klage der Erde.
Es geht vielmehr um Verteilungsgerechtigkeit, denn es gibt eine ökologische Schuld, das ist eine Formulierung von Franziskus, insbesondere zwischen der nördlichen und der südlichen Hemisphäre. Die Erwärmung, die durch den enormen Konsum in einigen reichen Ländern bewirkt worden ist, zeitigt Rückwirkungen auf die ärmeren Orte der Welt. Ein Zitat: "Der Erdboden der Armen im Süden ist fruchtbar und wenig umweltgeschädigt, doch in den Besitz dieser Güter und Ressourcen zu gelangen, um ihre Lebensbedürfnisse zu befriedigen, ist ihnen verwehrt, durch eine strukturelle Pervasivität von kommerziellen Beziehungen und Eigentumsverhältnissen. Es ist notwendig, dass die entwickelten Ländern zur Lösung dieser Schuld beitragen, indem sie den Konsum nicht erneuerbarer Energien in bedeutendem Maße einschränken und Hilfsmittel in die am meisten bedürftigen Länder bringen, um politische Konzepte und Programme für eine nachhaltige Entwicklung zu unterstützen. Gegen die Globalisierung der Gleichgültigkeit gilt es, das Bewusstsein zu stärken, dass wir eine einzige Menschheitsfamilie sind, Sie sehen, die inhaltliche auch Mutation im rationalen Bereich wird immer gekoppelt mit dem Einbringen von Haltungen und darf nach seinen Überzeugung nicht vergessen werden.

Das dritte Kapitel ist zweitrangig, das werde ich überspringen, Die menschliche Wurzel der ökologischen Welt.

Über die Beschreibung des Symptoms hinaus, muss es um eine Analyse gehen, wo denn die Ursachen für die ökologische Krise zu suchen sind. Nur so kann ihr auch wirksam begegnet werden. Papst Franziskus macht dafür, wie er im Folgenden darlegt, vorwiegend die Vorherrschaft des technologischen Paradigmas verantwortlich. Weil, das ist eine gestandene These, da können wir auch nachher darüber diskutieren.

Letztlich Gentechnologie. Er weiß, dass wir viele Technologien brauchen, um mit der Situation umzugehen, aber es gilt die Ablösung und Separierung der Technologie als einziges Lösungskonzept, ohne an den Menschen zu denken usw. Es geht darum um das umfassende technologische Wissen und das, was sich daraus ergibt, das praktische Know How zur Verbesserung der Lebensqualität der Menschen und ihrer Umwelt einzusetzen. Oder um Eigeninteresse, weniger auf Kosten der vielen. Nie hatte die Menschheit so viel Macht über sich selbst. Doch das ethische Bewusstsein für das von dem, was getan wird, ist unterbelichtet und kommt den Entwicklungen nicht nach.

Jetzt noch einmal zu dieser Globalisierung des technokratischen Paradigmas, das ist noch einmal eine verschärfte Überschrift. Viele Krisen der Gegenwart haben der Enzyklika zufolge darin ihre Ursache, dass das Technokratische dominant geworden ist und mit seiner Logik alle Bereiche der Gesellschaft, vor allem Politik und Wirtschaft, sich unterzuordnen trachtet, ohne Rücksicht auf die negativen Auswirkungen. Weil die der Technologie eigene Spezialisierung nicht in der Lage ist, das Ganze in den Griff zu kriegen. Da kommt wieder dieses vernetzte Denken, das ganzheitliche Denken zum Ausdruck. Deswegen ist mit einem Setzen auf die Technik alleine auch keine Lösung der urbanen Krise zu erzielen. Dringlich ist es, in einer mutigen kulturellen Revolution voranzuschreiten. Das heißt, die Wirklichkeit auf eine andere Weise zu betrachten, die positiven und nachhaltigen Fortschritte zu sammeln. Und zugleich die Werte und die großen Ziele wieder zu gewinnen, die durch einen hemmungslosen Größenwahn vernichtet werden.

Damit wäre ich komplett zu Ende, ich möchte Ihnen aber in diesem Zusammenhang noch ein Zitat, jetzt nicht aus der Enzyklika, sondern eines Philosophen mitgeben, der Philosoph Günther Anders hat einmal gesagt: "Wenn die Maschinen perfekter würden als der Mensch, würde die Technik vom Objekt zum Subjekt der Geschichte, wir wären ihr also ausgeliefert. Dann könne der Mensch die Macht der Geräte nicht mehr erkennen. Und Sachzwänge emotional und kognitiv nicht mehr bewältigen." Das ist, wie gesagt, kein Zitat aus der Enzyklika, sondern von Günther Anders.

Der Papst sieht diese ganzen Krisen, die da sind, als Auswirkungen des modernen Anthropozentrismus. In der Moderne gab es eine große, anthropozentrische Maßlosigkeit, die unter anderer Gestalt heute weiterhin jeden gemeinsamen Bezug und jeden Versuch, die sozialen Bande zu stärken, schädigt. Deswegen ist der Moment gekommen, der Wirklichkeit mit den Grenzen, die sie auferlegt und die ihrerseits die Möglichkeit zu einer gesünderen und fruchtbareren menschlichen und sozialen Entwicklung geben, wieder Aufmerksamkeit zu schenken. Dazu gehört, wieder ein Zitat: "Die Botschaft zu erkennen, die in der Natur in ihren eigenen Strukturen eingeschränkt ist." Entscheidend geht es dabei um ein angemessenes Verständnis des Menschen. Es gibt keine Ökologie ohne eine angemessene Anthropologie. Der Mensch steht sowohl in Beziehung zu seiner Umwelt, als auch zu seiner Mitwelt und ist darüber hinaus offen für die Instanz, die uns die Erde geschenkt hat. Er spricht im Zusammenhang mit dem Anthropozentrismus natürlich auch davon, dass die Arbeit für die Menschen zu schützen ist usw., ich kann das jetzt nicht im Einzelnen ausführen. Aber nur eine kleine Sache: der Papst wirbt für eine Unterstützung der Kleinproduzenten und der Produktionsvielfalt.

Im vierten Kapitel wird eine ganzheitliche integrale Ökonomie vorgestellt. Mit dem Begriff der ganzheitlichen integralen Ökonomie drückt der Papst aus, worum es ihm und nach ihm, mit Blick auf die Herausforderung der Umweltkrise zu tun ist. Ich möchte eine Dimension in diesem Zusammenhang noch ansprechen, wir haben auch heute morgen bei der Haushaltsplanung, bei der Bilanzplanung ja darüber schon ein Stück weit gesprochen, die generationsübergreifende Gerechtigkeit. Der Begriff des Gemeinwohls bezieht auch die zukünftigen Generationen mit ein. Ohne eine Solidarität zwischen den Generationen kann von einer nachhaltigen Entwicklung keine Rede mehr sein. Ich bin überrascht, das habe ich von einigen bekannten Professoren, die in nationalen Kongressen auch zu diesen Themen mitdiskutieren, manche sagten mir, dass die Plausibilität, dass die zukünftigen Generationen die gleichen Rechte und Berechtigungen haben wie die gegenwärtige Generation, gar nicht von allen geteilt wird. Auch von hoch reflektierten Leuten haben wir das gehört.

Der Papst fordert auf, einen anderen Lebensstil zu setzen, das will ich jetzt im eigentlichen Sinne nicht noch erläutern, und er fordert eine ökologische Umkehrung. Unter diesem Titel schlägt der Papst eigentlich die Leitlinien ökologischer Spiritualität vor, die aus den Überzeugungen des christlichen Glaubens entspringen, die aber auch aus einer Humaninspiration entspringen. Sie ist nicht etwas Fakultatives, noch ein sekundärer Aspekt der christlichen Erfahrung. Die ökologische Umkehr, die gefordert ist, ist nicht nur Sache von Einzelnen, sondern auch eine gemeinschaftliche Angelegenheit.

Ein letzter Satz, der der aktuellen Flüchtlingskrise geschuldet ist. Der Papst fordert eine gelebte Nachhaltigkeitskultur. Zwischen den sozialen und den Umwelt-Fragen besteht ein enger Zusammenhang. Klimawandel, Armut, Hunger, Verlust an Diversivität, das sind alles negative Konsequenzen einer alleinigen Fixierung auf den Konsum. Franziskus verknüpft in diesem Zusammenhang seine Überlegungen auch unmittelbar mit der Zunahme der Flüchtlinge. Ich darf ihn zum Schluss noch zitieren: "Tragisch ist die Zunahme der Migranten, die vor dem Elend flüchten, das durch die Umweltzerstörung immer schlimmer wird, und die in den internationalen Abkommen nicht als Flüchtlinge anerkannt werden." Dabei muss man sehen, dass er kulturelle Zerstörung auch immer als Umweltzerstörung erklärt. Sie, die Flüchtlinge, tragen die Last ihres Lebens in Verlassenheit und ohne jeglichen gesetzlichen Schutz. Leider herrscht eine allgemeine Gleichgültigkeit gegenüber diesen Tragödien, die sich gerade in bestimmten Teilen der Welt zutragen. Der Mangel an Reaktionen angesichts dieser Dramen steht als Zeichen für den Verlust jedes Verantwortungsgefühls für unsere Mitmenschen, auf die sich jede zivile Gesellschaft gründet.

Meine Damen und Herren, ich hätte noch Vieles dazu zu sagen, ich möchte damit abschließen. Man muss mit Franziskus natürlich nicht in allem 1:1 übereinstimmen, man muss ihm nicht überall zustimmen, aber wenn Sie das nur ausschnittsweise von mir gehört haben, bin ich überzeugt, dass wir an diesem aufrüttelnden Schreiben zur Zukunft unseres gemeinsamen Hauses nicht vorbei kommen werden.

Danke, dass Sie mir zugehört haben.

Weitere Nachrichten

Weltkirche
Schülerversammlung in der St. Karl Borromäus Schule in Kashinagar, Indien
Seit 22 Jahren besteht die Partnerschaft zwischen der Kirchengemeinde St. Karl Borromäus Winnenden und den Diözesen Berhampur und Rayagada in Indien.
Weiterlesen
Weltkirche
Diözesaner Eröffnungsgottesdienst zum Monat der Weltmission mit Domkapitular Msgr. Dr. Heinz-Detlef Stäps am 13.Oktober in Reichenbach an der Fils.
Weiterlesen