Stuttgart-Hohenheim
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Online- und Social-Media-Redakteure,
liebe Blogger,
liebe Medienschaffende!
Zunächst einmal begrüße ich Sie noch einmal alle hier in der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Dass die Tagung „Kirche im Web 2.0“ auf ungebrochenes, ja, immer größeres Interesse stößt, zeigt, wie wichtig dieser Austausch für Sie als Medienexpertinnen und -experten ist – auch jenseits von den Bildschirmen Ihrer Laptops, Tablets und Smartphones. Ihr Netzwerk, das Sie über diese Tagung, wie man mir gesagt hat, auch über das Jahr hindurch, über diverse technische Kanäle pflegen, ist vorbildlich für die kirchliche Kommunikation insgesamt!
Bevor wir gleich hier auf dem Podium und untereinander miteinander ins Gespräch kommen, möchte ich kurz einige Überlegungen voranstellen:
Das Internet ist „ein Geschenk Gottes“[1]! – Diese Formulierung – ein Wort von Papst Franziskus – stammt aus der Botschaft zum diesjährigen Welttag der sozialen Kommunikationsmittel. In der Verlautbarung, die mit dem Titel „Kommunikation im Dienst einer authentischen Kultur der Begegnung“ überschrieben ist, stellt Papst Franziskus fest: „In dieser Welt können die Medien dazu verhelfen, dass wir uns einander näher fühlen, das wir ein neues Gefühl für die Einheit der Menschheitsfamilie entwickeln, das uns zur Solidarität und zum ernsthaften Einsatz für ein würdigeres Leben drängt.“ – Papst Franziskus zieht hier ausdrücklich das Internet mit ein.
Gerne möchte ich aber ein zweites Zitat anführen: Der Journalist Sascha Lobo, Aushängeschild der deutschsprachigen Bloggerszene, sagte kürzlich in einem Beitrag der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung: „Das Internet ist nicht das, wofür ich es gehalten habe. Es [das Internet] ist kaputt, die Idee der digitalen Vernetzung ist es nicht.“[2] Er habe sich geirrt, bekennt Lobo, und zwar auf die für Experten ungünstigste Art, durch Naivität!
Liebe Damen und Herren, die Frage, mit der dieses Podium überschrieben ist, lautet: „Wie ändert sich die Institution?“ Ich frage zurück: Muss sich die Institution – gemeint ist sicherlich die Kirche – ändern – und wenn ja, wie? Auf jeden Fall stellen uns die veränderten Kommunikationsbedingungen immer wieder vor neue Herausforderungen. Wie diese aussehen und was sie bewirken, danach fragen wir.
Seit 2013 erleben wir, so Sascha Lobo, die digitale Kränkung der Menschheit. Das Internet, das so viele für das ideale Medium der Demokratie, Freiheit und Emanzipation gehalten hatten, sei das genaue Gegenteil. Das zeigten die NSA-Spähaffäre und die neuen Erkenntnisse über den Kontrollwahn bei Konzernen wie Google oder Facebook. Das Internet hat an Glaubwürdigkeit deutlich verloren. Auf diesem Hintergrund möchte ich die Ausgangsfrage nochmal neu formulieren: Was müssen wir angehen, ja, vielleicht auch ändern, damit in geschützten Räumen humane Kommunikation und damit eine wesentliche Dimension des Lebens glücken und gelingen kann?
Unsere erste Aufgabe ist sicherlich, diejenigen, die mit uns in Kontakt stehen, anzunehmen, ernst zu nehmen und zu respektieren. Dazu brauchen wir eine Kommunikationskultur. Diese zu fördern oder dort zu schaffen, wo sie nicht vorhanden ist, das ist unsere Aufgabe als Christinnen und Christen in der Welt.
Netzwelten sind Menschenwelten; Welten in denen sich eine wesentliche Dimension des Lebens abspielt und das wirkt zurück auf die anderen Dimensionen des Lebens. Sie sind Lebenswelten. Deshalb wollen wir diese Lebenswelten als Kirche mit unserer Botschaft vom Leben und unserer Sprache des Evangeliums erreichen und begleiten. Als Kirche ist es unsere Aufgabe mit einer fundierten und reflektierten ethischen Position am medienkritischen Diskurs teilzunehmen. Christliche Medienethik ist Dienst am Menschen![3]
Die Pastoralkonstitution Gaudium et Spes verpflichtet die Kirche „allzeit […] nach den Zeichen der Zeit zu forschen und sie im Licht des Evangeliums zu deuten.“ (GS 4) Das ist der Schlüsselsatz und zugleich die Antwort auf die Frage, wie sich die Institution Kirche verändern muss. Als Kirche interessieren wir uns für die Qualität, die Menschendienlichkeit der Medienkommunikation in all ihren technischen Entfaltungen und Möglichkeiten. Aber auch als Institution, die sich nicht mehr monologisch, sondern auch kommunikativ-dialogisch verhalten muss: Plausibilitäten erzeugen, statt zu postulieren oder zu dekretieren. Dazu braucht es im Netz viele Akteure, die mit ihrer Position als Christen interaktiv tätig sind. Diese in Gaudium et spes grundgelegte Aufgabe zur kritischen Zeitgenossenschaft verpflichtet die Kirche folglich, Medienkompetenz zu fördern und medienpädagogische Möglichkeiten zu schaffen und Maßnahmen zu ergreifen.
Ich möchte dies an zwei Beispielen verdeutlichen:
So ist es beispielsweise unsere Aufgabe zu reflektieren, wie es um die Partizipation an der digitalen Kommunikation, wie es um die Teilhabe und Teilhabemöglichkeiten bestellt ist. Menschen, die aus ökonomischen, sozialen oder territorialen Gründen gesellschaftlich ausgeschlossen sind, sind oftmals auch ausgeschlossen von den Möglichkeiten des Netzes. Nicht zuletzt durch Papst Franziskus sind wir aufgerufen, dort genau hinzusehen.
Es ist unsere Aufgabe, zum Schutz der Privatsphäre im Internet beizutragen und einzufordern. Das Internet ist – ich habe es eingangs angesprochen – kein geschützter Raum. Wir unterliegen der Gefahr der möglichen totalen Enthüllung. Vor dieser sind wir umso weniger gefeit, wenn wir freiwillig und unbedacht alles über uns preisgeben. Der Mensch hat ein Recht auf Verborgenheit des Intimen und Privaten. Politisch wie kulturell ist es unsere Aufgabe, das Private vor der totalen Enthüllung zu bewahren.
Es wird mir nicht bange, wenn ich in die Zukunft und auch in die damit verbundenen Medienentwicklungen sehe. Der Spiegel fragte zu Beginn der Woche in einem Artikel: „Das Internet verändert die Welt – aber wer formt das Internet?“[4] Hier sehe ich uns Christen in der Pflicht! Hier müssen Politik, Wirtschaft und Kirche ihre Verantwortung zielführend wahrnehmen! Der Mensch ist Subjekt der sozialen Kommunikation, der in liebender, von Gott bejahter Kommunikation erst wirklich Mensch werden kann. So verstanden ist mediale Kommunikation sicherlich ein Segen!
Menschen werden aber auch zu Objekten der Kommunikation:
- durch das ökonomisch interessierte Abschöpfen ihrer Daten für Werbung und Verkaufsstrategien
- durch Abhören in großem Stil
- durch Denunziation und Beschimpfung, die zum Schaden für Menschen werde können bis hin zu Rufmord, ja Vernichtung.
So kann das Internet zum Fluch werden. Segen oder Fluch – es kommt darauf an, es kompetent zu nutzen und kompetent damit umzugehen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!
[1] Papst Franziskus: Kommunikation im Dienst einer authentischen Kultur der Begegnung – Botschaft zum 48. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel http://www.vatican.va/holy_father/francesco/messages/communications/documents/papa-francesco_20140124_messaggio-comunicazioni-sociali_ge.html.
[2] Sascha Lobo: Abschied von der Utopie – Die digitale Kränkung des Menschen, FAS, 11.01.2014, http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/abschied-von-der-utopie-die-digitale-kraenkung-des-menschen-12747258.html?printPagedArticle=true
[3] Vgl. Bischof Gebhard Fürst, Vorwort zu: Virtualität und Inszenierung, Bonn 2012, S. 7
[4] Die Welt des Eric Schmidt – Google Manager bei Tech-Konferenz-SXSW, der Spiegel, 8. März 2014