Bischof Dr. Gebhard Fürst: Wort zum Sonntag in SWR 2

Stuttgart, Südwestrundfunk

In Stuttgart ist in diesen Tagen eine eindrucksvolle Ausstellung über die Bestattungskultur zu sehen. Sie heißt: ‚Lebe wohl – Der letzte Abschied’. Lebe wohl, ein Titel, der auch ein doppeldeutiges Wortspiel ist.

Lebe wohl: auf der einen Seite geht es um das Abschiednehmen des Menschen. Wie gehen wir mit dem Thema Sterben und Tod um? Wie ernsthaft stellen wir uns dieser letzten Frage, die uns radikal angeht und betrifft? Versuchen wir zu verharmlosen oder zu vertrösten?

Sterben und Tod sind aus dem öffentlichen Blickfeld der Menschen verschwunden. Jeder Mensch weiß zwar, dass Menschen sterben müssen. Dass diese Tatsache aber auch mit dem eigenen Leben zu tun hat, versuchen wir möglichst lange von uns wegzuhalten. Dabei könnte die Auseinandersetzung mit der eigenen Endlichkeit dazu beitragen, wirklich ‚wohl zu leben’. Hier zeigt sich die zweite Gedankenrichtung des Titels.

Lebe wohl: Das heißt dann, mit dem Blick auf die eigene Endlichkeit, mit dem Bewusstsein von Sterben und Tod als dem sichersten Datum im eigenen Leben anders leben zu lernen. Im Mittelalter gehörte daher das ‚carpe diem’ als Kehrseite zum ‚memento mori’ dazu. Also nutze den Tag und gedenke, dass du sterblich bist.

Eine gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Sterben und Tod wäre vielleicht ein wirksames Heilmittel gegen menschliche Allmachtsphantasien. Vergleichen wir eine Kultur des Sterben- und damit auch des Lebenlernens mit unserer öffentlichen Kultur: Die Stars aus Film, Fernsehen und den Boulevardblättern formen Menschheitsträume - und unsere neuen Bilder vom Menschen. Durch die Ideale unserer Zeit wie Schönheit und Gesundheit, Leistungs- und Genussfähigkeit, Leben ohne Grenzen geraten Menschen unter einen regelrechten Perfektionsdruck. Ungeheure Heilsversprechen aus Forschung und Medizin setzen den einzelnen Menschen unter einen enormen, unmenschlichen, ja mörderischen Druck.

In einer Gesellschaft, die Leistung und Erfolg anbetet, die Gewinner bewundert und Verlierer verachtet, bietet der christliche Glaube eine heilsame, geradezu befreiende Alternative: Statt ‚größer, schneller und immer endlos so weiter’ lässt der christliche Glaube das Kleine klein und das Schwache schwach sein. Durch die liebende Annahme des Schwachen wird seine Stärke erkennbar und die Größe des Kleinen. Statt des endlosen ‚weiter so’ ruft der christliche Glaube zur Umkehr auf. Jesus von Nazareth hat ein menschenfreundliches Modell vorgelebt, Leben im Angesichts des Todes sinnvoll zu gestalten: Er scheut sich nicht, Kranke zu berühren, er gibt Menschen ihre Würde zurück, er macht im Leben Erstarrte und tot Scheinende wieder lebendig.

Lebe wohl: Der Titel der Stuttgarter Ausstellung erinnert an eben diese Botschaft Jesu. Es geht darum, durch Sterben und Tod zu lernen, wie sich wohl leben läßt. Der Titel der Ausstellung wird so, ohne die Wirklichkeit zu verharmlosen und ohne den moralischen Zeigefinger zu erheben, zu einer heilsamen Erinnerung. Einer heilsamen Erinnerung daran, dass Verdichtung und nicht Verlängerung das Leben rettet. Den Menschen mit dieser Endlichkeit, mit seinen Schwächen und Grenzen zuzulassen, ist der Beginn einer Kultur der Liebe.

Lebe wohl: Der endliche, aber frei aufatmende Mensch kann in solcher Welt gut leben und gut sterben.

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