Stuttgart, SWR
Wenn wir in diesen Tagen die blühende und vor grüner Kraft strotzende Natur sehen und mit allen Sinnen erleben, können wir von einer tiefen Dankbarkeit dafür erfüllt sein, wie wunderbar die Erde ist, auf der wir leben.
Aber schauen wir genauer hin, dann erweist sich bald das Gefühl einer harmonischen Schöpfungswelt als trügerisch:
Die Belastung unserer Umwelt durch Monokulturen, Massentierhaltung und der Einsatz chemischer Mittel zur Ertragssteigerung ist immer noch verbreitete Praxis.
Tiere werden zu bloßen Versuchsobjekten degradiert, zur ‚Vernutzung‘ gezüchtet und als Experimentierware für Kosmetikprodukte verkauft.
Die Umweltbelastung durch Abfall und Abgase, die Luft, Wasser und Erde vergiften, wird nur so langsam gebremst, dass von einer wirklichen Entlastung noch lange nicht gesprochen werden kann.
Die Zerstörung der Wälder, die wachsende Verwüstung der Erde und die Ausrottung vieler Tierarten sind weitere dramatische Punkte, die einen romantischen Blick auf die Schöpfung bald unterbrechen.
Die Frage des Umweltschutzes ist eine der Zukunftsfragen für die Erde und zugleich eine Überlebensfrage der Menschheit. Eine Liste möglicher Maßnahmen und praktischer Notwendigkeiten ist eigentlich schon mit den aufgezählten Gefährdungen gegeben. Sie ist lang. In vielen Punkten wurde sie schon oft vorgetragen. Aber: Nicht eine bloße Änderung des praktischen Verhaltens, sondern ein Umdenken ist notwendig.
Was kann ich als Christ dazu sagen? Oft wird wohl zu Recht gesagt, dass der biblische Schöpfungsbefehl, sich die Erde untertan zu machen, zumindest eine Mitursache für den Zustand unserer Erde sei.
Jesus von Nazareth hatte in unserem modernen Sinn kein ökologisches Bewußtsein, wie wir es heute brauchen. Aber er lebte und erlebte in der Schöpfung Gottes alltägliche Gegenwart. Er spricht in wunderbaren Gleichnissen von den Lilien des Feldes und den Vögeln des Himmels, er nimmt Brot und Fische, schöpft am Brunnen Wasser, erzählt von Weinstock und Weinberg, von den frischen Trieben des Feigenbaums, von Senfkorn und Weizenkorn. Natur ist ihm nie Material oder gar Objekt zur Ausbeutung, sondern die wunderbare Schöpfung Gottes, in der er dankbar lebt. Wenn Christen beschreiben sollten, was ihren Glauben kennzeichnet, dann ist es zusammen mit der Würde jedes Menschen die Treue zur Erde. Denn sie ist Ausdruck der schöpferischen Liebe Gottes.
Genau genommen ist für Christen Ökologie ein angemessener, voll Verantwortung gestalteter Schöpfungsglauben. Das Wort ‚Schöpfung‘ erinnert provozierend daran, dass der Mensch nicht isoliert tun und lassen kann, was er will. Der Mensch ist ein Teil der Wirklichkeit, an der eine Machermentalität letztlich zerbricht: Schöpfung kommt nicht von uns, sie geht über uns hinaus. Wenn der Mensch versucht, sich als Schöpfer aufzuspielen, scheitert er und es endet leicht in Katastrophen.
Wir müssen lernen, auch uns selbst wieder als einen Teil der Natur zu sehen, in der unsere Aufgabe nicht darin besteht, uns immer weiter gegen die Natur auszubreiten. Der Theologe und Arzt Albert Schweitzer formulierte dies einmal so, dass man ‚allem Willen zum Leben die gleiche Ehrfurcht vor dem Leben entgegenbringen müsse wie dem eigenen.‘ Und als Grundprinzip fügt er an: ‚Gut ist, Leben erhalten und Leben fördern; böse ist, Leben vernichten und Leben hemmen.‘
Wenn wir in diesen Tagen die blühende und vor grüner Kraft strotzende Natur sehen und mit allen Sinnen erleben, können wir durchaus von einer tiefen Dankbarkeit dafür erfüllt sein.
Wir sollten aber auch lernen, das Prinzip Verantwortung für alles, was lebt, konkret zu gestalten: Aufzustehen für das Leben in allen Dimensionen, die Schöpfung Gottes wahrzunehmen, zu hegen und zu pflegen: den Menschen, die Tiere und die Natur.