Bischof Dr. Gebhard Fürst: Zukunft wächst im Kindergarten 2006

Stuttgart, Liederhalle

Sehr geehrte Frau Koppenborg, sehr geehrter Herr Minister Rau, sehr geehrter Herr Scherer, sehr geehrte Erzieherinnen und Erzieher, Eltern und Trägervertreter aus den Kindergärten, meine sehr geehrten Damen und Herren!

„Dass Kinder geboren werden, in der Fürsorge ihrer Eltern und ihrer Umwelt aufwachsen, sich angemessen auf ihr eigenes Erwachsenenleben vorbereiten und so Verantwortung in der Zukunft übernehmen können: Dafür zu sorgen ist die wichtigste Aufgabe eines Landes, das eine Zukunft will.“ In ihrem zusammenfassenden Wort kommt die im Dezember 2005 publizierten Bosch-Studie zu diesem alarmierenden Schluss, der in seiner Bedeutung kaum zu überschätzen ist. Denn Kinderfreundlichkeit ist die nachhaltigste und effizienteste Zukunftspolitik. Hier setzt auch der heutige Kongress an. Denn Zukunft wächst im Kindergarten heißt doch im konsequenten Umkehrschluss: ‚Ohne Kinder keine Zukunft’, und dies nicht nur in einem poetisch übertragenen Sinn, sondern vielmehr ganz konkret: Ohne Kinder werden unsere Systeme sozialer Absicherung nicht mehr tragfähig sein. Nun soll aber niemand glauben, Zukunftsoffenheit der Menschen lassen sich allein durch solche Überlegungen erzeugen. Die Freude an Kindern und Bereitschaft Kindern das Leben zu schenken, kann man in Menschen nicht allein mit der Begründung wecken, dass nur so die Versicherungssysteme saniert werden können. Zwar müssen die politischen Maßnahmen mit Bemühungen der Wirtschaft und soziokulturellen Überlegungen zusammengehen. Die Verstärkung der Familienpolitik ist ein Zeichen dafür, dass unser Land und seine Menschen Zukunft wollen. Hier hat die Landesregierung Baden-Württemberg vor allem auch mit der Initiative zum ‚Kinderland BW’ ein wichtiges Zeichen gesetzt, dem gerne auch auf den verschiedensten Feldern noch viel mehr alltägliche Maßnahmen entsprechen dürften. Denn Familien zu stärken und Kindern so einen fruchtbaren, guten und fürsorglich-verantwortungsvollen Raum zu schaffen, ist grundlegend eine zentrale Option für die Zukunft. Kinderfreundlichkeit ist die nachhaltigste und effizienteste Zukunftspolitik. Hier treten wir als Kirche im öffentlichen und politischen Dialog auf und fordern von unseren Partnern in Staat und Gesellschaft auch deren entsprechende Leistungen und Maßnahmen. Im Rahmen unserer Möglichkeiten setzen wir als Kirche hier programmatische und exemplarisch-konkrete Zeichen: Für die Diözese Rottenburg-Stuttgart hat die Stärkung der Familie und die Option für die Kinder eine klare Priorität.

Wir setzen uns konsequent dafür ein, „die Freude an Kindern in Gesellschaft und Kirche, in Ehe und Familie zu fördern und familienfreundliche Strukturen weiter zu entwickeln.“ (Past. Prioritäten, Aufstehen für das Leben IV3)
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, dies ist nur eine Facette. Denn es geht vielmehr und viel tiefer um die Veränderung des Bewusstseins, d.h. es geht um die Voraussetzungen für alles Handeln. Es braucht eine gesamtgesellschaftliche Neubesinnung auf den Sinngehalt und die Wertschätzung eines Lebens mit Kindern. Doch schauen wir ehrlich hin: Oft stehen Kinder nicht im Mittelpunkt, sondern am Rande. Jesus hat sie in die Mitte gestellt: "Lasst die Kinder zu mir kommen." Das ist für uns Maßstab und bleibende Verpflichtung bei unseren Überlegungen und Optionen. Darum meine erste und zugleich wichtigste Bitte an Sie, die Sie täglich diese hohe Verantwortung tragen: Seien Sie aufmerksam für das, was die Kinder beschäftigt und womit sie sich beschäftigen! Lassen Sie den Kindern den großen Raum zu spielen, aber achten Sie darauf, womit und mit welchen Medien sie das tun. Achten Sie voll Liebe und Zuwendung, voll Geduld und Fürsorge auf die Kinder, die zu Ihnen kommen! Denn die bedingungslose Annahme der Kinder, jedes einzelnen Kindes ist eines der zentralen Glaubenszeugnisse, die wir dieser Welt und unserer Gesellschaft schuldig sind. Für jedes Kind, das in der Gemeinde getauft wird, trägt sie darüber hinaus eine bleibende eminente Verantwortung. Der christliche Glaube ruft hier in ganz besonderer Weise dazu auf, in unserer von Erwachsenen gestalteten und geprägten Welt den Kindern einen entsprechenden Raum und damit einen gelungenen Beginn für ein Leben in Würde zu ermöglichen. Hierzu tragen wir alle Verantwortung und Sie, liebe Erzieherinnen und Erzieher, sind hier in besonderer Weise tagtäglich gefordert. Natürlich kann der Kindergarten hierbei nicht die Ersatzfunktion sein für die in der Erziehung daheim in Familien heute leider oftmals ausfallende Familienwirklichkeit. Den Kindergarten mit der Erwartung als Reparaturwerkstatt für frühkindliche Schäden zu konfrontieren, würde ihn überfordern. Dennoch dürften viele von Ihnen nicht selten in solche Situationen kommen und ich bin sicher, dass Sie sich hier auch nicht entziehen. Im Gegenteil: Im Namen der vielen Kinder, im Namen der Eltern und auch im Namen unserer ganzen Gesellschaft danke ich Ihnen für diesen großen, tagtäglichen Einsatz, für Ihre Bemühungen und Ihren oft aufopfernden Einsatz. Im Kindergarten wächst Zukunft, und Sie alle sind an erster Stelle die im wahrsten Sinn lebenswichtigen Gärtnerinnen und Gärtner. Ohne ihr Zeugnis könnte diese Zukunft nicht so heranwachsen und darum danke ich Ihnen nochmals zutiefst!

Sicher erfahren Sie hier so manches Mal nicht die nötige Resonanz und würden sich auch zuweilen mehr öffentliche Unterstützung und auch kirchlicherseits mehr Wertschätzung wünschen. Sie haben sich auf Ihren oftmals sicher nicht leichten Beruf eingelassen und üben ihn in einer unserer katholischen Einrichtungen aus. Dafür sage ich Ihnen hier und heute meinen ausdrücklichen Dank und tue dies um so herzlicher, als ich sehr wohl weiß, dass die äußeren, gesellschaftlichen wie finanziellen Rahmenbedingungen keineswegs optimal sind. Doch seien Sie sicher: Der große Satz, dass im Kindergarten Zukunft wächst, bekommt erst durch Sie, liebe Erzieherinnen und Erzieher, seinen konkreten Gehalt und seinen guten Sinn. Viele Menschen wissen das und schätzen Ihren Einsatz und auch die Kirche weiß sehr wohl um Ihren großen Einsatz. Und manchmal, es mögen Einzelfälle sein, aber es gibt sie durchaus, manchmal geschieht es auch, dass Kinder, die heute Erwachsene sind, wieder kommen, weil sie ihre Erzieherin nie vergessen haben: Sie erinnern sich gerne an das gütige und freundliche Gesicht, das sie ermutigt und begleitet hat. Der kirchliche Kindergarten macht dabei nicht nur eine freundliche Stimmung, sondern erfüllt zugleich auch seine Sendung im Sinne der Frohbotschaft. Hier geschieht ganz konkret das, was ich ‚diakonische Dimension unseres Christentums’ nenne, das Zentrum von Glauben und Verkündigung. Hier können Kinder ganz früh, am Beginn ihres Lebensweges, erfahren und glaubwürdig erleben, wie heilsam die Nähe eines Menschen sein kann, der sich uns liebevoll zuwendet. Und dies ist mit das Größte und Wichtigste, was wir den Menschen geben können. Hier ereignet sich Christentum in seinem Kern, und darum ist uns diese Dimension auch kostbar und unverzichtbar. Ich bin zutiefst überzeugt, dass im Dienst der Kirche, wie er durch Sie, liebe Erzieherinnen und Erzieher ausgeübt wird, ganz wesentlich etwas von der befreienden Kraft des Evangeliums mitgeteilt wird, die Jesus Christus unserer Welt schenkt. Für uns sind Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, nicht nur die größte geschlossene Gruppe kirchlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern vor allem eine fundamental wichtige: Denn hier wächst Zukunft und bei Ihnen entscheidet sich zentral mit, wie diese Zukunft aussehen wird. Darum ist uns als Kirche diese Dimension so wichtig, sie ist absolute Priorität und darauf dürfen Sie in den Kindergärten und Kindertagesstätten auch stets die ganze Diözese und vor allem mich als Bischof auf Ihrer Seite wissen!

Doch damit kommt stets neu eine große Verantwortung und ein Anspruch auf Sie und Ihre Einrichtungen zu. Kirchliche Kindergärten und Kindertagesstätten müssen Flagge zeigen und erkennen lassen, auf welchem Fundament sie stehen. Der Kindergarten darf nicht als ein allgemeines soziales Dienstleistungsangebot betrachten werden, dessen volle Zielsetzung hingegen nicht zur Kenntnis genommen wird. Der Wille, ein kirchlicher Kindergarten zu sein, muss entschieden, konkret und täglich neu realisiert werden. Die Frage des Qualitätsmanagements, von der ich weiß, dass sie in den letzten Jahren offensiv, wirksam und erfolgreich angegangen worden ist, muss für mich ebenso klar von der Dimension der religiösen Kompetenz begleitet sein. Kirchengemeinden und Diözese haben in den letzten 15 Jahren die im Diözesanrat beschlossene konzeptionelle und strukturelle Weiterentwicklung ihrer Kindergärten konsequent vorangetrieben und größtenteils verwirklicht. Die Zukunft des katholischen Kindergartens liegt in der weiteren Entfaltung und Sicherung der Qualität seiner pädagogischen Konzeption, seiner bedarfsgerechten Angebotsstruktur und in seinem unverwechselbar religiösen Profil. Die stetige Weiterentwicklung des pädagogischen, aber auch des religiösen Profils ist für mich eine selbstverständliche Notwendigkeit und Herzensangelegenheit zugleich. (Konkrete, und in ihrer jeweiligen Bedeutsamkeit nicht zu unterschätzende, Einzelfragen wie die nach flexiblen Öffnungszeiten oder die nach der Möglichkeit, auch Kinder im Alter von 1-3 schon aufzunehmen, sind dagegen geradezu nachrangig.) Denn der Kindergarten in kirchlicher Trägerschaft ist Angebot und Einladung der Kirche in die Gesellschaft hinein. Je weiter er hineinreicht in das gesellschaftliche Umfeld mit seinen Nöten, um so mehr bedarf er der besonderen Zuwendung von Seiten der Gemeinde. Er bildet die Brücke, aber er darf nicht in der Luft hängen bleiben. Ein solcher Kindergarten ist weit hinein geöffnet in unsere Welt, gerade darum braucht er die Verwurzelung, eine Heimat und ein Zuhause. Deshalb ist er dann auch eindeutig ein kirchlicher Kindergarten, der dies auch offen und entschieden bekennt, ein konfessioneller Kindergarten im eigentlichen Wortsinn: Hier wird Zeugnis abgelegt, hier lernen Kinder unseren Glauben, seine Menschenfreundlichkeit und Welthaltigkeit von Anfang an kennen. In dieser tiefen Hinsicht haben Kinder ein Recht auf Religion, daher dürfen wir Kinder nicht um Gott betrügen. Kinder sind unsere Zukunft. Schon im Kindergarten werden Grundsteine fürs Leben gelegt. Hier erhalten sie Hilfen für die Entwicklung ihrer Persönlichkeit. Neugierde und Wissensdurst werden durch vielfältige Angebote und Aktionen gelockt und gestillt. Dabei geht es keineswegs um das Lernen einzelner religiöser Inhalte oder Sätze, sondern um die fundamentale Rolle des Glaubens bei der Sinnerschließung der Welt und bei der Bildung des eigenen Ich. Es geht um die Erfahrung, in der Welt angenommen und geborgen zu sein, es geht darum, gut begründetes Grundvertrauen in die Welt und die Mitmenschen zu vermitteln. Aber auch zu vermitteln, dass jede und jeder einzelne dazu beitragen kann, dass auch der andere uns geschwisterlich anvertraut ist.

Das Christentum, und damit auch Sie, sehr geehrte Damen und Herren, braucht dabei keine Angst zu haben, den ganzen Reichtum des Kindseins anzunehmen und in ihrem jeweiligen Horizont zur Wirksamkeit kommen zu lassen. Hier erinnere ich an den ungeheuer tiefen, in seiner Bedeutung nicht zu überschätzenden jesuanischen Satz: Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder und zudem an das entscheidende Grunddatum unseres Glaubensbekenntnisses, dass Gott selbst schlichtweg in der Person seines Sohnes als Kind zur Welt gekommen ist. Aus dieser Perspektive betrachtet dürfte es wohl kaum etwas geben, was innerhalb der Glaubenswelt der Kinder nicht zur Sprache kommen könnte, nichts, was hier nicht höchst bedeutsam werden könnte, nichts, was nicht eminent wichtig und im tiefsten Sinn bedeutsam für die Zukunft wäre. Die Fragen der Kinder: ‚Wer bin ich, wer darf/soll ich sein?’, wird hierbei immer wieder ganz bewusst ins Gespräch gebracht werden mit dem, was nach unserer Überzeugung Gottes Bild vom Menschen und also auch und zuerst von den Kindern entspricht. Im Kindergarten werden die Kinder mit ihren Erfahrungen und Fragen nicht allein gelassen. Die Frage nach dem Sinn des Lebens, aber auch Erfahrungen, die über die Welt hinaus weisen. Hier werden diese Fragen zugelassen und in den Raum zum Transzendenten geöffnet: Aufbau einer Beziehung zwischen Gott und Kind, der das Kind kennt und liebt, von dem es gewollt und angenommen ist

Die wichtigste Frage scheint mir immer und in jedem Fall die Frage Gottes und des eigenen Lebenssinnes bzw. Zieles. Der Wiener Kardinal Franz König hat es einmal so formuliert: "Woher kommen wir, wohin gehen wir, wofür sind wir da?" Und das scheint mir auch beim jetzigen Papst die Grundthematik zu sein, die er immer wieder zum Anklingen bringt. Der Lebenssinn, die Berufung zum Ewigen Leben mit Gott macht am besten den Wert und die Wünsche jedes einzelnen Menschen bewusst. Mit diesem zentralen Thema ist untrennbar verbunden das Thema Liebe. "Deus Caritas est" -Gott ist die Liebe, und wir sind sein Abbild. Aus Liebe sind wir erschaffen und zur Liebe sind wir bestimmt. Um die Liebe kreisen die beiden Hauptgebote. Sie zu erlernen und zu entfalten ist das Wichtigste in unserem Leben, und Jesus Christus ist der Weg dazu.

Und genau in dieser Perspektive lernen Kinder spielerisch, erfahren sie durch Teilnahme, durch gelebte Erfahrung, hilfsbereit zu sein, sozial zu handeln und andere zu akzeptieren. Dies wird dadurch gefördert, dass Kinder aus verschiedenen Altersstufen zusammen sind und in vielen Einrichtungen mit behinderten Kindern zusammenleben. Damit versuchen wir die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes im Leben erfahrbar zu machen. Kindertageseinrichtungen sind der spezifische Dienst der Kirche an den Familien in unserer pluralen Gesellschaft. Wir treffen heute, wer wüsste das besser als Sie, auf große Unterschiede in kultureller und finanzieller Art, hinzu kommen noch die verschiedensten familialen Lebensformen. Vielfach sind die uns noch selbstverständlichen Orientierungshilfen weggebrochen, hinzu kommt häufig noch die mangelnde häusliche Präsenz der Eltern durch die Berufstätigkeit beider Eltern. Genannt werden sollen hier durchaus auch noch die Faktoren, dass viele Kinder in der ersten, zweiten oder auch noch dritten Generation einen Migrationshintergrund aufweisen. Kurz: Wir stehen als Kirche, und hier die Kindergärten und Kindestagesstätten ganz besonders vor einer unüberschaubaren Pluralität von Lebensstilen und Wertevorstellungen. Toleranz und Akzeptanz sind uns aufgrund unseres Selbstverständnisses wichtig. Jedes Kind ist eine unverwechselbare Persönlichkeit mit je unterschiedlichen Bedürfnissen und Fähigkeiten. Deshalb werden bei uns Kinder unabhängig von ihrer Nationalität und Religion aufgenommen. Andere Glaubensüberzeugungen werden respektiert. In den Kindergärten leben Kinder aus verschiedenen Nationen, Konfessionen und Religionen zusammen. Es ist selbstverständlich, dass Kinder anderer Konfessionen und auch Religionen (und hier denke ich besonders und nenne sie ausdrücklich, an muslimische Kinder), uns herzlich willkommen sind. Kirche ist zwar nicht für alles da, aber doch stets für alle. Die Erzieherinnen und Erzieher beantworten dabei die Fragen der Kinder nach Gott, nach Leben und Tod, Freude und Leid jedoch auf der Basis ihres christlich-katholischen Selbstverständnisses. Christliche Feste und Bräuche sind dabei wichtige Elemente, die das Leben bereichern und Orientierung bieten.

Erzieherinnen und Erzieher sind in dieser Hinsicht eminent wichtige pastorale Mitarbeiterinnen, sie sind häufig die Mittlerinnen und Mittler zwischen Kindern und Eltern und dem Träger, häufig also der Kirchengemeinde. Die Sätze, die Prälat Adam hier vor fünf Jahren sagte, haben für mich nach wie vor selbstverständliche Gültigkeit: „Kindergärten und Kirchengemeinden sind nur gemeinsam denkbar, nur gemeinsam haben sie Zukunft. Von den Gemeinden reden wir gerne, aber auch ein bisschen gedankenlos, als den Trägern des Kindergartens. Wir verstehen das dann natürlich rein juristisch-administrativ. Aber warum nicht auch einmal biblisch? ‚Einer trage des anderen Last.’ (Gal 6,2)“ Als Kirche stehen wir bewusst und überzeugt zu dieser Trägerschaft und wir sind als Diözese Rottenburg-Stuttgart hier auch ein verlässlicher Partner.

Das heißt aber auch: Sie, die Erzieherinnen und Erzieher, die Kindergärten und Kindertagesstätten brauchen selbst die Begleitung durch den Träger auch in pastoraler Hinsicht (u.a. bei eigenen Glaubens- und Lebensthemen, bei der religionspädagogischen Arbeit mit Kindern und Eltern.) Sie brauchen weiterhin einen klaren Kompetenzrahmen zur selbstverantwortlichen Arbeit in den Kindergärten. Sie dürfen das gerne und mit Recht stets einfordern. Denn eine Gemeinde, die so, in diesem biblischweiten Sinn Trägerin sein will, schützt ihre Einrichtungen und deren Mitarbeiter vor Fremdinteressen und vor jedem Druck, sei es von außen oder auch von innen.

Hierzu ist vor allem die dauerhafte Vernetzung aller in der Pastoral tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kirchengemeinde nötig. Es ist für mich ganz klar: Die Kindergärten sind Teil der Kirchengemeinde vor Ort. Mehr noch sind sie oft die einzige Kontaktmöglichkeit zwischen Familien und Kirchengemeinde. Sie sind das niedrigschwelligste Angebot für Kinder und so auch für deren Familien. Daher ist es ebenso ideal wie unverzichtbar, wenn es zu einer regelrechten Erziehungspartnerschaft zwischen Eltern, Erzieherinnen und SeelsorgerInnen kommt. Nimmt man die öffentliche geführte Erziehungs- und Bildungsdebatte vom „Notstand der Erziehung“, oder gar vom „Ende der Familie“ ernst, muss man Überlegungen anstellen, wie Eltern in ihrer Erziehungskraft gestärkt werden können. Quer durch alle gesellschaftlichen Bereiche und politische Lager wird die Befürchtung geäußert, die Familie als Keimzelle gesellschaftlichen Lebens drohe zu zerfallen, viele Eltern seien den Belastungen der Erziehung ihrer Kinder nicht mehr gewachsen und der Schule und dem Kindergarten wird eine mangelhafte Bildungsarbeit unterstellt. Darum geht es bei der genannten Erziehungspartnerschaft darum, die pädagogischen Arrangements für Kinder im Elternhaus, Kindergarten und Schule miteinander so zu gestalten, dass die für das Lernen von Kindern notwendigen Erziehungs- und Bildungsprozesse überhaupt ermöglicht und unterstützt werden. Ein wichtiger Schlüssel für die Zukunft des katholischen Kindergartens liegt in der Weiterentwicklung der Erziehungspartnerschaft mit Eltern als Chance zur Weitergabe des Glaubens.

So ist es für mich aber ebenso selbstverständlich, dass sie, liebe Erzieherinnen und Erzieher, in das pastorale Konzept der Gemeinde integriert und eingebunden werden. Denn in gewisser und, wie ausgeführt, durchaus bedeutsamer Hinsicht sind die Kindergärten und Kindertagesstätten Orte christlich-katholischer Verkündigung. Zudem sind sie jedenfalls diakonisches Angebot der Kirchengemeinde von zentraler Bedeutung. Treffender als in dem Beschluss unserer Diözesansynode von 1975 kann die Brückenfunktion des Kindergartens zwischen Diakonie und Verkündigung nicht beschrieben werden: „Der kirchliche Kindergarten ist ein Ort, an dem Diakonie und Verkündigung für und mit Kindern, Eltern und Familien geschehen sollte.

Daher ist dieser pastorale Dienst der Kirche für die Entfaltung der Lebensmöglichkeiten der Kinder, die gesamtmenschliche Erziehung, die Begegnung mit den Eltern und Familien sowie die besondere Verantwortung der Erzieherinnen und Erzieher sehr wichtig.“ (V Nr.72)
Wenn das aber so ist, bedeutet es umgekehrt auch, dass die Anliegen des Kindergartens, der Erzieherinnen und der Kinder und Eltern im Alltag der Gemeinde vorkommen müssen. Denn die Integrationsleistung der Kindergärten im Hinblick auf verschiedenste Fragenkomplexe (ich nenne hier nochmals ausdrücklich behinderte Kinder, Kinder mit Migrationshintergrund, Kinder verschiedenster Schichten oder Milieus, Kinder aus Groß-, Klein- und Kleinstfamilien...) kann überhaupt nicht hoch genug eingeschätzt werden. Dies verstärkt sich in einer Zeit, in der in unserer Gesellschaft viele unterstützende Hilfen aus dem sozialen Umfeld wegfallen. In einer Zeit, in der vielfach kindliche Lebenswelten auch in geistig-spiritueller Hinsicht ungeheuer verarmen. In einer Zeit, in der wir die Sprachlosigkeit vieler Eltern zur Kenntnis nehmen müssen, die mit ihren Kindern auf elementare Fragen des Lebens stoßen und selber schon keine Antworten gefunden haben. Hier ist also genauso vielfach die Unterstützung der Eltern nötig in Fragen der Erziehung und Bildung und insbesondere in Fragen nach Gott und Religion.

Hier wünsche ich mir eine partnerschaftliche Beziehung im Dienst für das Kind, und ich weiß, wie ich Sie, ihre Kräfte und Kompetenzen damit über alle Maßen herausfordere. So aber sehe ich auch die Chance, dass junge Eltern die Kirche als lebensbegleitend und lebensermöglichend erfahren können. In diesem Sinn können auch unsere Kindergärten und Kindertagesstätten in einem guten und menschenfreundlichen Sinn, nicht belehrend, sondern begleitend, nicht bevormundend, aber unterstützend, nicht vereinnahmend, aber durchaus werbend zu Wirkungsstätten einer missionarischen Kirche im Volk werden. Auch in dieser Hinsicht gilt: Zukunft wächst im Kindergarten.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

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