Denn gerade vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs und vieler weiterer Krisen sei es wichtig, zuversichtlich zu bleiben. Schwinde die Hoffnung, stehe viel auf dem Spiel. „Bequemlichkeit, Gleichgültigkeit oder gar Gewalttätigkeit – eine Verrohung der Gesellschaft, wie wir sie gegenwärtig erleben, können wir nicht gebrauchen“, so Bischof Dr. Gebhard Fürst. Zum letzten Mal hat er als amtierender Bischof zum Neujahrsempfang in den Weißen Saal des Neuen Schlosses nach Stuttgart geladen. Da er im Dezember 75. Jahre alt wird, hat er angekündigt, dem Papst einige Monate vorher sein Rücktrittsgesuch zukommen zu lassen.
Einen Schock habe die Nachricht vom „bis heute mit größter Brutalität geführten völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Ukraine“ in der Diözese Rottenburg-Stuttgart (DRS) ausgelöst, berichtete der Bischof. Die Diözese unterhält seit 30 Jahren gute Verbindungen in die Ukraine, womit sofort nach Kriegsausbruch zusammen mit dem Caritasverband bis heute andauernde Hilfsmaßnahmen eingeleitet wurden. Auch der 102. Deutsche Katholikentag im Mai 2022 in Stuttgart war vom Krieg geprägt. Von dort sei ein bis heute eindrucksvolles Hoffnungszeichen ausgesandt worden, sagte der Bischof und erinnerte an die große Friedenskundgebung aus Solidarität mit der Ukraine, die im Zentrum des Glaubensfests stand. Auch für die Teilnehmenden sei der Katholikentag ein Erlebnis von Hoffnung, ein Aufatmen-Können in freudigen Begegnungen, lebendigen Gesprächen sowie Trost und Freude schenkenden Gottesdiensten gewesen, so der Bischof weiter.
Synodaler Weg: Strukturreformen müssen umgesetzt werden
Große Hoffnungen seien auch mit dem Synodalen Weg in Deutschland verbunden. „Sicherlich ist bisher nicht alles so verlaufen, wie es sich manche gewünscht haben. Aber von einem Scheitern kann keine Rede sein“, sagte Bischof Fürst und verwies als ein Beispiel auf den richtungsweisenden Text zu Macht und Gewaltenteilung in der Kirche, der von der Synodalversammlung verabschiedet wurde. Dieser impliziere starke Veränderungen in den Machtstrukturen der katholischen Kirche. Gerade hier sei eine nachhaltige Veränderung eine notwendige Reaktion auf den Vorwurf, dass hierarchische Kirchenstrukturen sexuellen Missbrauch begünstigten oder generierten. Nun liege es an der Kirche in Deutschland, „dieses Manifest der Hoffnung auf Strukturreformen in unserer Kirche in Deutschland umzusetzen“. Im Hinblick auf den synodalen Prozess der Weltkirche zeigte sich Bischof Fürst hoffnungsvoll, dass das Rottenburger Modell, welches der DRS seit mehr als 50 Jahren ein einmaliges Profil gebe, in den weltweiten synodalen Weg aufgenommen werden.
Missbrauch ist größte offen klaffende Wunde
Als „größte offen klaffende Wunde der katholischen Kirche“, die durch nichts wirklich wiedergutzumachen sei, bezeichnete er den sexuellen Missbrauch von Kindern und minderjährigen Jugendlichen durch Priester, Diakone und Ordensleute. „In der DRS versuchen wir mit größtem Nachdruck seit zwei Jahrzehnten sexuellen Missbrauch aufzuklären und sexuellem Missbrauch durch Präventionsmaßnahmen vorzubeugen bzw. ihn zu verhindern“, berichtete der Bischof. Er verwies auf die 2002 eingesetzte, weisungsunabhängige Kommission sexueller Missbrauch, die nun durch die Aufarbeitungskommission und den Betroffenenbeirat ergänzt wird. In diesem Zusammenhang erneuerte Bischof Fürst auch seinen Vorschlag aus der Neujahrsansprache 2019, eine Zertifizierung für kirchliche, gesellschaftliche und staatliche Einrichtungen zu ermöglichen, die sich in der Prävention sexuellen Missbrauchs angemessen und kompetent verhalten.