Neujahrsempfang

Hoffnung in schweren Zeiten

Neujahrsempfang hat in Stuttgart stattgefunden

Bischof Dr. Gebhard Fürst (rechts) und Diözesanratssprecher Dr. Johannes Warmbrunn mit den Sternsingern beim Neujahrsempfang im Neuen Schloss. Bild: Diözese Rottenburg-Stuttgart / Franziska Kraufmann

Ganz unter das Zeichen von Hoffnung und Zuversicht hat Bischof Dr. Gebhard Fürst seine Neujahrsrede am Dreikönigstag, 6. Januar, gestellt.

Denn gerade vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs und vieler weiterer Krisen sei es wichtig, zuversichtlich zu bleiben. Schwinde die Hoffnung, stehe viel auf dem Spiel. „Bequemlichkeit, Gleichgültigkeit oder gar Gewalttätigkeit – eine Verrohung der Gesellschaft, wie wir sie gegenwärtig erleben, können wir nicht gebrauchen“, so Bischof Dr. Gebhard Fürst. Zum letzten Mal hat er als amtierender Bischof zum Neujahrsempfang in den Weißen Saal des Neuen Schlosses nach Stuttgart geladen. Da er im Dezember 75. Jahre alt wird, hat er angekündigt, dem Papst einige Monate vorher sein Rücktrittsgesuch zukommen zu lassen.

Einen Schock habe die Nachricht vom „bis heute mit größter Brutalität geführten völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Ukraine“ in der Diözese Rottenburg-Stuttgart (DRS) ausgelöst, berichtete der Bischof. Die Diözese unterhält seit 30 Jahren gute Verbindungen in die Ukraine, womit sofort nach Kriegsausbruch zusammen mit dem Caritasverband bis heute andauernde Hilfsmaßnahmen eingeleitet wurden. Auch der 102. Deutsche Katholikentag im Mai 2022 in Stuttgart war vom Krieg geprägt. Von dort sei ein bis heute eindrucksvolles Hoffnungszeichen ausgesandt worden, sagte der Bischof und erinnerte an die große Friedenskundgebung aus Solidarität mit der Ukraine, die im Zentrum des Glaubensfests stand. Auch für die Teilnehmenden sei der Katholikentag ein Erlebnis von Hoffnung, ein Aufatmen-Können in freudigen Begegnungen, lebendigen Gesprächen sowie Trost und Freude schenkenden Gottesdiensten gewesen, so der Bischof weiter.

Synodaler Weg: Strukturreformen müssen umgesetzt werden

Große Hoffnungen seien auch mit dem Synodalen Weg in Deutschland verbunden. „Sicherlich ist bisher nicht alles so verlaufen, wie es sich manche gewünscht haben. Aber von einem Scheitern kann keine Rede sein“, sagte Bischof Fürst und verwies als ein Beispiel auf den richtungsweisenden Text zu Macht und Gewaltenteilung in der Kirche, der von der Synodalversammlung verabschiedet wurde. Dieser impliziere starke Veränderungen in den Machtstrukturen der katholischen Kirche. Gerade hier sei eine nachhaltige Veränderung eine notwendige Reaktion auf den Vorwurf, dass hierarchische Kirchenstrukturen sexuellen Missbrauch begünstigten oder generierten. Nun liege es an der Kirche in Deutschland, „dieses Manifest der Hoffnung auf Strukturreformen in unserer Kirche in Deutschland umzusetzen“. Im Hinblick auf den synodalen Prozess der Weltkirche zeigte sich Bischof Fürst hoffnungsvoll, dass das Rottenburger Modell, welches der DRS seit mehr als 50 Jahren ein einmaliges Profil gebe, in den weltweiten synodalen Weg aufgenommen werden.

Missbrauch ist größte offen klaffende Wunde

Als „größte offen klaffende Wunde der katholischen Kirche“, die durch nichts wirklich wiedergutzumachen sei, bezeichnete er den sexuellen Missbrauch von Kindern und minderjährigen Jugendlichen durch Priester, Diakone und Ordensleute. „In der DRS versuchen wir mit größtem Nachdruck seit zwei Jahrzehnten sexuellen Missbrauch aufzuklären und sexuellem Missbrauch durch Präventionsmaßnahmen vorzubeugen bzw. ihn zu verhindern“, berichtete der Bischof. Er verwies auf die 2002 eingesetzte, weisungsunabhängige Kommission sexueller Missbrauch, die nun durch die Aufarbeitungskommission und den Betroffenenbeirat ergänzt wird. In diesem Zusammenhang erneuerte Bischof Fürst auch seinen Vorschlag aus der Neujahrsansprache 2019, eine Zertifizierung für kirchliche, gesellschaftliche und staatliche Einrichtungen zu ermöglichen, die sich in der Prävention sexuellen Missbrauchs angemessen und kompetent verhalten.

Eindrücke vom Neujahrsempfang im Neuen Schloss

 

Statt Sozialen Pflichtdienst Freiwilligendienste stärken

Besondere Aufmerksamkeit müsse derzeit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen gelten, forderte der Bischof. Denn gerade in ihrer Psyche hätten die Einschränkungen der Corona-Pandemie dramatische Langzeitspuren hinterlassen. Eine „lebendige Beziehung zu Gott“ könne eine große Kraftquelle für junge Menschen sein. Jedoch falle es der Kirche gerade in diesem Bereich immer schwerer, junge Menschen zu erreichen. In Zusammenhang mit der aktuellen Debatte um einen Sozialen Pflichtdienst, der gerade diese Altersgruppe neu für soziales Verhalten sensibilisieren soll, sprach sich der Bischof stattdessen für eine Stärkung der Freiwilligendienste aus. Schließlich engagierten sich jedes Jahr mehr als 1.300 jungen Menschen in den Freiwilligendiensten der DRS.

Als weiteres, besonderes Zeichen der Hoffnung griff der Bischof das Projekt „Friedensglocken für Europa“ auf, bei dem im Zweiten Weltkrieg geraubte Glocken zurück nach Polen und Tschechien gebracht werden. Nachdem bislang bereits Glocken aus vier Gemeinden in der Diözese in ihre Heimatgemeinden zurückgeführt wurden, kündigte er an, dass im Jahr 2023 zwei weitere Termine von Glockenrückgaben anstehen und da Projekt so weitergeführt wird.

Das Hoffnungszeichen schlechthin sei gleichwohl das Weihnachtsfest mit der Geburt Jesu selbst, so der Bischof zum Abschluss seiner Rede.

Warmbrunn: Nicht gleichgültig sein und nicht verstummen

Auf ihn folgten das Grußwort von Dr. Johannes Warmbrunn, dem Sprecher des Diözesanrats. Auch er griff das aktuelle Kriegsgeschehen auf: „Der Krieg in der Ukraine, die schwierigen Folgewirkungen, Not, Existenzängste und Verzweiflung der Menschen, all dies rückt immer näher an uns heran. Die Rufe nach Lösungen werden lauter, die Methoden härter. Absetzbewegungen und Spaltungen sind nicht mehr die Ausnahme. Das erleben wir nicht zuletzt auch in unserer Kirche. All das ist uns nicht gleichgültig. So dürfen wir weder gegenüber der Gesellschaft verstummen, noch den Blick nach innen, auf uns selbst vernachlässigen.“ Die Rede vom Miteinander auf Augenhöhe müsse durchgängig und überall gelebt werden und nicht nur bei passender Gelegenheit. „Dass wir alle vor Gott die gleiche Würde haben, darf niemals zur hohlen Phrase werden. Die Kunst und Herausforderung muss künftig sein, Vielfalt und Verbundenheit so in Frieden zu leben, damit in der Gemeinschaft mit Gott von uns Menschen das Werden und Vergehen gefeiert, aber auch ertragen werden kann.“

Glaube an Gott lässt seine Nähe spüren

Warmbrunn forderte, dass die für uns wichtigsten Fragen stets den Kern unseres Glaubens erreichen sollten: „Ja, wir haben kein Wissen über Gott. Aber wir können erkennen, dass eines der Schöpfungsprinzipien in einer Dynamik des Werdens und Vergehens besteht, in der alles mit allem in Vielfalt verbunden ist, auch wir Menschen untereinander. Im Glauben an Gott können wir seine allgegenwärtige Nähe spüren, erahnen, ja, wir können uns darin geborgen fühlen. Achtsam, einfühlsam, aufmerksam, ja, liebevoll in einer Gemeinschaft leben, denken und handeln, in der Familie, in der Gemeinde, in Stadt und Land, in der Weltgemeinschaft aller Menschen und in Gottes alles umfassender Schöpfung. Das sind die Kostbarkeiten der Zukunft.“

Zu Beginn des Neujahrsempfangs hatte der Generalvikar der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Dr. Clemens Stroppel, rund 260 Gäste begrüßt. Sternsinger aus der der Domgemeinde St. Eberhard brachten ihnen den Segen. Umrahmt wurde der Empfang vom Konzertchor der Mädchenkantorei Stuttgart unter der Leitung von Domkapellmeisterin Lydia Schimmer und Lukas Grimm am Klavier.

Neujahrsansprache 2023 von Bischof Dr. Gebhard Fürst

Neujahrswünsche von Dr. Johannes Warmbrunn vom Diözesanrat

Neujahrsempfang 2023

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