Brauchtum

Brauchtum, Glaube und Fest

Heilig-Blut-Reiter Ekkehard Schmid, Pfarrer in Weingarten und Dekan des Dekanats Allgäu-Oberschwaben, segnet die Reiter:innen auf dem äußeren Klosterhof - Foto: DRS/Waggershauser

1.808 Reiter:innen, Bischof Gerber aus Fulda und Diözesanbischof Fürst feiern mit den Gläubigen Blutfreitag in Weingarten.

Pferdegewieher und Hufgeklapper, Glockengeläut und Blasmusik - der Blutfreitag in Weingarten hat seine ganz eigene Atmosphäre. Am Tag nach Christi Himmelfahrt lockt er wieder Tausende Pilger:innen und Neugierige in die Welfenstadt. Im Zentrum der größten Reiterprozession Europas steht die Verehrung der Reliquie, die der Überlieferung nach mit Erde vermischtes Blut Jesu enthält. Ekkehard Schmid, Pfarrer in Weingarten und Dekan von Allgäu-Oberschwaben, trägt sie seit dem Weggang der Mönche vor 13 Jahren jährlich durch die Stadt und die umliegenden Fluren.

Der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Cem Özdemir, die Bischöfe von Fulda und Rottenburg-Stuttgart, Michael Gerber und Gebhard Fürst sowie weitere Vetreter aus Kirche, Politik und Gesellschaft verfolgen vom Balkon des Rathauses, wie die 96 Reitergruppen aus Orten der näheren und weiteren Umgebung vorbeiziehen. Immer wieder winken sie nach unten, wenn die Gruppenführer vor ihnen den Zylinder ziehen oder wenn sie Bekannte entdecken.

Pilgerinnen sind bewegt

Elke und Susanne haben ihren Platz gleich unterhalb der Barockbasilika gefunden. Die Frauen mittleren Alters sind mit Bahn und Bus aus Friedrichshafen angereist. Sie müssen heute nicht arbeiten und sind zum ersten Mal beim Blutfreitag. "Die Musikapellen mit den Prozessionsmärschen, dann die Pferde hinterher, das ist was Bewegendes", erzählt Elke. "Und das in aller Frühe", ergänzt Susanne. Sie bereuen es nicht gekommen zu sein.

Als sich gerade ein paar Sonnenstrahlen durch die Wolkendecke kämpfen, hat Bernhard Katzenmaier die größte Anstrengung schon hinter sich. Der Obstbauer war mit der Blutreitergruppe aus Ailingen in der Prozession ziemlich weit vorne und wartet nun im äußeren Klosterhof mit seinem Pferd auf die Rückkehr des Heilig-Blut-Reiters. "Außer dass es frisch war, war es richtig entspannt", berichtet er. Mit seinem Nebenreiter führte er draußen in der Ösch tiefe Gespräche. "Aber wir haben auch zwei Gesätzle vom Rosenkranz gebetet", verrät der Ailinger Kirchengemeinderat.

Seele kommt zum Schwingen

Kurze Zeit später kehrt Dekan Schmid mit der Heilig-Blut-Reliquie zurück und segnet Katzenmaier und die anderen Reiter:innen auf dem Platz. Gleichzeitig nähern sich die Ministrant:innen, Bischof Fürst und Bischof Gerber von der anderen Seite. Letzterer, der Festgast aus Fulda, hatte Schmid um 7 Uhr die Reliquie vor der Basilika übergeben und nimmt sie nun wieder in Empfang, um sie zum feierlichen Pontifikalamt in das Gotteshaus zurückzutragen.

In der mutmaßlich größten Barockkirche nördlich der Alpen hielt Bischof Gerber bereits am Vorabend die Festpredigt, bevor sich die Gläubigen auf den Weg zur Lichterprozession auf den Kreuzberg machten. Darin bezeichnete er die Blutfreitagsfeierlichkeiten als Musik, die die Seele anrührt und zum Schwingen bringt. Die Erfahrung von Gemeinschaft, das Erleben der Natur und die Liebe zur Heimat ließen den Menschen das Herz aufgehen. Die Reliquie mit dem Herzblut Jesu, die in der Mitte der Reiterprozession getragen werde, verweise auf die Mitte des Glaubens: die Erlösung in Jesus Christus.

Herzblut, Kraft und Wehmut

Die ersten Jüngerinnen und Jünger hätten stürmische Zeiten, Flucht und Vertreibung erlebt, fuhr Gerber fort. Die Erinnerung an die Momente, in denen sie mit dem Herzblut des auferstandenen Jesus in Berührung kamen, seien jedoch stärker gewesen als die Gefahr. Das gelte auch in den Krisen von heute wie der Krieg in der Ukraine, Migration, Klimawandel oder Energieengpass. Da brauche es Menschen, die aus dieser inneren Mitte heraus handeln. "Uns leitet die Botschaft, die seit Jahrhunderten hier von Weingarten ausgeht", betonte der Bischof. "Er, Jesus Christus, gibt sich in unser Herz, sein Blut schenkt uns Kraft und Leben."

Als er den Blutfreitag tags darauf erstmals selbst erlebt hat, freut sich Bischof Gerber über die vitale Frömmigkeit in Oberschwaben. "Das ist unglaublich, was da an ehrenamtlichem Engagement dahintersteckt", stellt er fest. Bei seinem Rottenburg-Stuttgarter Amtsbruder schwingt etwas Wehmut mit. "Ich war jetzt etwa zehnmal beim Blutritt, aber dieses Mal hat es mich besonders beeindruckt, weil ich zum letzten Mal als residierender Bischof hier war", sagt Bischof Fürst, der voraussichtlich Ende des Jahres altersbedingt aus dem Amt scheidet. Hier verbinde sich Brauchtum, tiefe Gläubigkeit und große Festlichkeit, was ihm selbst große Kraft gebe, ergänzt Bischof Fürst "Da wird mir was fehlen."

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