Corona

Bücher gehen in Quarantäne

Mit Maske und Handschuhen erklärt Leiterin Susanne Lechner, unter welchen Bedingungen die Bücherei trotz Corona ihre lesehungrige Kundschaft empfängt. Bild: DRS

Die Katholische Bücherei in Weil der Stadt hat als eine der ersten Anfang Mai ihre Türen wieder geöffnet – mit Herzblut und Hygienekonzept.

Seit mehr als 20 Jahren engagiert sich Susanne Lechner ehrenamtlich in der Büchereiarbeit. Doch was sie in den vergangenen Wochen seit Ausbruch der Corona-Pandemie erlebt hat, war auch für sie völlig neu. Gemeinsam mit ihrem Team aus sieben Frauen und einem Mann zwischen 50 und 70 Jahren stellte sie sich der Herausforderung, die der Virus mit sich brachte. Denn die plötzliche Schließung Mitte März lag allen schwer im Magen.

„Wir hatten hier einen heftigen Zustrom, als klar war, dass die Bücherei zumachen muss“, berichtet Lechner. „Die Leute wollten sich nochmals mit Romanen, Kurzgeschichten & Co. eindecken. Es war ja völlig unklar, wie und vor allem wann es weiter geht.“ Die Bücherei in Weil der Stadt muss parallel zu den Schulschließungen in Baden-Württemberg ihren Betrieb einstellen. Die rund 400 Leserinnen und Leser, viele davon Kinder im Grundschulalter, aber auch erwachsene Nutzer stehen gerade in einer Zeit, in der die meisten Freizeitaktivitäten wegfallen, ohne Lesestoff da.

Lesen bedeutet weniger Zeit vorm Fernseher oder Computer

Es folgen sieben Wochen, in denen keine Leserin und kein Leser die Räume der Bücherei betreten darf. Ausgeliehene Medien werden zwar automatisch verlängert und auch der Bedarf an E-Books erreicht einen Höhepunkt, doch viele der rund 6.500 Bücher & Co. fristen ihr Dasein in den Regalen. Während es nach außen hin auch in der Bücherei nach Shutdown aussieht, arbeitet die ehrenamtliche Leiterin Susanne Lechner im Hintergrund an einem Konzept, das die Grundlage für eine frühe Wiedereröffnung darstellt.

„Ich habe mir überlegt, wie können wir es unseren Leserinnen und Lesern wieder ermöglichen, Bücher auszuleihen“, sagt Lechner. „Das war mir ein großes Anliegen. Denn jedes ausgeliehene Buch bedeutet, dass vor allem die Kinder weniger Zeit vor dem PC oder der Glotze verbringen.“ Noch bevor offiziell von Hygienekonzepten gesprochen wird, macht sich die Leiterin im Internet schlau, beobachtet, wie die Geschäfte ihren Kundenverkehr meistern und nimmt mit Pfarrer Anton Gruber Kontakt auf, um mit ihm zu besprechen, unter welchen Voraussetzungen eine Wiedereröffnung möglich ist. „Ich finde es super, dass wir hier in Weil der Stadt solch ein motiviertes ehrenamtliches Team haben, das mit Herzblut die Katholische Pfarrbücherei führt und betreut“, sagt Pfarrer Gruber. „Bei der frühen Öffnung der Bücherei in coronakonformer Art waren wir mit unserem Konzept schneller als die Diözese selbst und haben auch dementsprechend frühzeitig wiedereröffnen können.“ Er habe dem Team um Susanne Lechner Rückendeckung gegeben und am Ende habe sich gezeigt, dass das Hygienekonzept alle Vorgaben der Diözese bereits vorweggenommen habe. „Großes Lob an sie“, freut sich Pfarrer Gruber. 

Mit Akribie zur Wiedereröffnung

Anfang Mai öffnet die Bücherei in Weil der Stadt ihre Türen – zu einem Zeitpunkt, an dem viele große Bibliotheken noch geschlossen haben, obwohl eine Öffnung seit kurzem unter Einhaltung von Hygienevorgaben und Abstandsregelungen wieder möglich ist. Damit gehören Büchereien zu den ersten Kultur- und Bildungseinrichtungen, die überhaupt wieder aufmachen dürfen.

Hinter der Öffnung in Weil der Stadt steckt die akribische Arbeit von Susanne Lechner. Sie hat im Internet einen großen Spender für Desinfektionsmittel gefunden. Der funktioniert kontaktlos. Zudem hat sie Schutzmasken für ihre Kolleginnen und Kollegen in der Bücherei selbst genäht. Mit Handschuhen haben sich die Ehrenamtlichen aus heimischen Vorräten zunächst ebenfalls selbst versorgt. „Wir haben uns einfach irgendwie beholfen“, berichtet Lechner. „Schließlich war der Markt mit allen Corona-relevanten Materialien entweder leergefegt oder die Produkte waren nahezu unbezahlbar.“ Statt dreimal wöchentlich, öffnet die Bücherei nur montags und donnerstags. Denn auch einige der Ehrenamtlichen zählen zur Risikogruppe oder haben Angehörige, die besonders vor dem Virus geschützt werden müssen. Eine Informationstafel erläutert den Leserinnen und Lesern, was in der Bücherei und bei der Ausleihe zu beachten ist. Dazu zählt auch, dass nur jeweils zwei Leserfamilien, neuen Geschichten stöbern dürfen.

Bücher werden desinfiziert

Die Rückgabe ausgeliehener Medien erfolgt bereits vor dem Eingang. Dort wurde extra ein Tisch bereitgestellt, auf dem die Kunden ihre Bücher und Hörbücher ablegen. Das Bücherei-Team desinfiziert die Medien und legt sie anschließend auf einen Bücherwagen, wo sie erst mal in Quarantäne verharren, bevor sie am Folgetag in die Regale für eine erneute Ausleihe zurückgestellt werden. „Keiner unserer Leser muss sich Sorgen machen, dass er sich über unsere Bücher mit dem Corona-Virus infiziert“, erläutert Lechner. Auch bei der Ausleihe sind Leser und Ehrenamtliche mittels einer Plexiglasscheibe vor einer etwaigen Ansteckung geschützt. Sogar der Dienstplan wurde den Corona-Bedingungen angepasst.

Etwas zögerlich sind die Leserinnen und Leser am ersten Tag der Wiedereröffnung dann doch. „Es lief alles sehr diszipliniert ab. Alle habe automatisch ihre Maske getragen und sich in die Schlange eingereicht“, erinnert sich Lechner. Das Feedback auf die Wiedereröffnung ist sehr positiv. Vor allem die Familien sind froh, nun wieder neuen Nachschub an Bilderbüchern und Geschichten ausleihen zu können. Büchereileiterin Lechner freut sich, dass es ihr mit ihrem Team gelungen ist, schon so früh wieder die Tore der Katholischen Bücherei zu öffnen. „Es ist mir einfach ein Herzensanliegen seit vielen Jahren, dass wir hier dieses Angebot haben. Deshalb haben wir nicht den Kopf in den Sand gesteckt, sondern direkt nach der Schließung überlegt, wie wir wiedereröffnen können.“

Dass ihr Hygienekonzept aufgeht, haben die vergangenen Monate gezeigt. Schließlich gab es keinerlei Corona-Probleme, obwohl die Bücherei nun seit einem Vierteljahr wieder fast im Normalbetrieb ist. Wenn alles gut geht, soll es nach den Sommerferien auch wieder mit drei Öffnungstagen in der Woche klappen. „Unsere Bücherei ist zwar klein. Sie wird aber ehrenamtlich von sehr freundlichen und motivierten Mitarbeitern betrieben“, sagt Pfarrer Gruber abschließend. „Dies hat sich bei der Renovierung der Bücherei im vergangenen Jahr gezeigt, welche mit großem Enthusiasmus und Engagement angegangen wurde. Und dies merken unsere Kunden bei jedem Besuch vor Ort – auch in Corona-Zeiten.“

Hintergrund: Katholische Öffentliche Büchereien

In der Diözese Rottenburg-Stuttgart gibt es insgesamt rund 170 Katholische Öffentliche Büchereien (KÖBs). Die KÖBs fördern das Lesen als Schlüsselkompetenz und die Vermittlung von Literatur zur Bildung, Information und sinnvollen Freizeitgestaltung. Darüber hinaus sind die Büchereien Orte der Begegnung und des Gesprächs in der Pfarrgemeinde. Insgesamt engagieren sich rund 1.000 ehrenamtliche Büchereimitarbeiterinnen und -mitarbeiter in den KÖBs.

Weitere Informationen finden Sie unter www.fachstelle-medien.de/buechereiarbeit.

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