Kirche am Ort

Da ist ja die Frau von der Kirche!

Silke Jourdan ist Kindergartenbeauftragte Pastoral für die Gesamtkirchengemeinde Stuttgart-Neckar. Foto: Diözese Rottenburg-Stuttgart / Nelly Swiebocki-Kisling

Silke Jourdan ist Kindergartenbeauftragte Pastoral und arbeitet für die Gesamtkirchengemeinde Stuttgart-Neckar in der frühkindlichen Bildung.

„Um ein Kind aufzuziehen, braucht es ein ganzes Dorf. “ Silke Jourdan zitiert das bekannte afrikanische Sprichwort, um deutlich zu machen, dass Bildung und Erziehung keine Sache allein der Eltern ist. Damit ein Kind zu einem zufriedenen und sozial kompetenten Menschen wird, ist ein Netzwerk aus vielen „Dorfbewohnern“ notwendig, die bei dieser Aufgabe mithelfen. Sie erklärt: „Das Netzwerk, das rund um die Kirche entstehen kann, ist für viele Familien wie ein Dorf.“ Und dieses Dorf soll Kinder stärken – so steht es auch im Infoflyer der Kirchengemeinde.

Silke Jourdans vielfältige Aufgaben haben sich kontinuierlich im Austausch mit Pfarrer Andreas Krause, mit den Erzieher: innen, mit den Eltern und Kindern entwickelt. Jourdan ist Ansprechperson für Eltern und Familie, stellt die pädagogische Qualität der Kita sicher, ist pastorale Unterstützung, begleitet die Mitarbeiter:innen und stellt bei allem, was sie tut den Kontakt zwischen der Kita oder dem Kindergarten, dem Familienzentrum sowie der Kirchengemeinde her. Sie ist zuständig für den Krabbel-, Kinder-, und Familiengottesdienst, für die Vorbereitung der Erstkommunion und neuerdings auch für Tauffeiern in Stuttgart. Vielfältige Aufgaben – Silke Jourdan netzwerkt und trägt dazu bei, dass für die Familien und Kinder die Kirche zum Dorf wird.

Wer hat Sie beauftragt, Frau Jourdan?

Der Rottenburger Kindergartenplan hat das so eingerichtet, dass in jeder Seelsorgeeinheit eine Kindergartenbeauftragte Pastoral ist.

Was sind Ihre Aufgaben?

Meine Aufgabe ist es genau hinzusehen, wo die Erzieher: innen Unterstützung brauchen, um in ihrer Kita religionssensibel zu arbeiten. Ich verantworte die pädagogische und konzeptionelle Arbeit. Das ist sowas wie ein Lehrplan für die Kitas. Darin ist auch das Thema Religion verankert, und zwar nicht nur in den christlichen Kitas, weil das ein Thema ist, das die Kinder in ihrem Alltag erleben. Auch wenn Kinder nicht religiös erzogen werden, sollen sie zu dem Thema sprachfähig gemacht werden. Die Aufgabe der Kita ist es, alles aufzugreifen, was die Kinder mitbringen – vom Sinn des Lebens bis zu den großen philosophischen Fragen. Und Erzieher:innen müssen reagieren können, wenn der Hase oder der Vogel gestorben ist.

Für wieviele Kitas sind Sie verantwortlich?

Ich bin für sieben Einrichtungen aus dem Stadtdekanat zuständig, sowie für vier weitere der St. Josef gGmbH und für einen von der Caritas – insgesamt also für 12 Kitas. Von den 12 haben sich fünf zu KiFaZ weiterentwickelt – also zu Kinder- und Familienzentren. Diese haben den Auftrag, auch die Eltern mehr zu unterstützen und engmaschiger zu begleiten. Für diese 12 Einrichtungen bin ich zu 66% Kindergartenbeauftragte Pastoral. Ich kann mir also Zeit nehmen für neue Konzepte, den Austausch mit anderen wichtigen Stellen pflegen, neue Erzieher:innen begleiten. Dreimal pro Jahr findet auch ein Treffen mit den Kitaleitungen statt.

Welche Themenschwerpunkte ergeben sich durch Ihre Begleitung?

Es gibt in der Gemeinde zwei große Martinsfeiern mit Beteiligung der Kitas. Jede Kita gestaltet einmal pro Jahr einen Familiengottesdienst. Wir feiern den Nikolaustag und mit den Sternsingern auch die drei Heiligen Könige. Vor den Sommerferien gibt es Segensfeiern für die Vorschulkinder. Zum Start ins neue Kitajahr im Oktober bieten wir einen Gottesdienst für die Mitarbeitenden an, bei dem auch die neuen Mitarbeitenden begrüßt werden. Und für jede Kita wird jedes Jahr eine Jesuskerze gesegnet. Es gibt also über das ganze Jahr Termine. Und auch für die nichtkirchlichen Familien gibt es Bezugspunkte zur Kirche vor Ort.

Wie sieht das Profil einer Katholischen Kita aus?

Von außen gesehen ist es die religiöse Lebensbildung. Für mich ist es manchmal mehr diese Vernetzung in der Kirche. „Man braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind aufzuziehen.“ Das Tolle ist ja, dass wir hier ganz viel von diesem Dorf sind. Wir suchten zum Beispiel eine Vorlesepatin. Ich wusste von einer engagierten Frau in der Gemeinde – und nun ist sie als Vorlesepatin aktiv. Oder in der Kita fragte eine Hochschwangere die Erzieherin nach einer Hebamme. Das erzählte sie mir bei meinem Besuch in der Kita. Auf dem Heimweg mit dem Fahrrad traf ich zufällig eine Hebamme, die ich kannte. Bis ich zu Hause war konnte ich der Erzieherin eine Mail senden, dass ich eine Hebamme gefunden habe. Wir haben einen großen Schatz, den wir zu wenig nutzen. Wir können Menschen hier gut zusammenbringen.

Worin unterscheidet sich eine christliche Kita von einer städtischen?

Bei uns hängen zum Beispiel Bilder zum Jahreskreis oder Wandregale mit Ostheimer Figuren zu den jeweiligen Themen. Wir beten vor dem Essen, auch mit Kindern unterschiedlicher Religionen, aber keiner muss ein Kreuzzeichen machen, muslimische Kinder dürfen selbstverständlich so beten, wie sie es gewöhnt sind.

Profitieren davon auch Kinder anderer Konfessionen?

Kinder aller Konfessionen lernen, dass wir nicht stören, wenn andere Kinder beten. Dafür lernen alle Kinder, dass Muslime während des Ramadans nichts essen dürfen – auch auf dem Sommerfest nicht. Wir beantworten den Kindern ihre interreligiösen Fragen, also die Fragen zu anderen Religionen. Es ist ein Gewinn, dass alle Kinder Diversität erleben und Fragen stellen dürfen. Und vor allem lernen sie, andere Menschen und ihre Religionen zu achten.

Und das ist das Besondere an einer christlichen Kita?

Es geht vor allem um die religiöse Bildung und Sensibilisierung – immer vom Kind aus gedacht. Die Kinder sollen hier zur Ruhe kommen und Religion, vor allem Gemeinschaft und Verlässlichkeit, als etwas Schönes erleben. Sie lernen, Gott hat hier einen Platz. Das hat viel mit unserem Glauben zu tun, wie Jesus den Menschen begegnet ist. Nach dem Rottenburger Kindergartenplan sind Kitas ein Dienst an der Gesellschaft. Das Leitmotto des Stadtdekanats im Aufbruchprozess heißt: „Kirche in der Stadt und für die Stadt!“ Und das Motto der Diözese bei ihrer 175 Jahre-Feier hieß: „Gott und den Menschen nahe.“

Welchen Mehrwert bringt eine pastorale Begleitung für die Einrichtung?

Kitas bieten das Potential und die Chance, mit den Familien früh in Kontakt zu kommen und sie zu prägen. Als Kirchengemeinde kommen wir so mit Familien am Beginn ihres Familienlebens in Kontakt. Mit Krabbelgottesdiensten, der Familienkirche oder dem Babysegen bieten wir den Familien auch gottesdienstliche Formen an, die in ihre Lebensphase passen.

Wie profitieren Kinder von einer pastoralen Begleitung der Kita?

Ganz viel, was wir heute mit dem Thema Resilienz beschreiben, wird schon in der Kita angelegt. Für Kinder ist es schön, jemand zu haben, der Halt gibt, an einem Ort, an dem sie auch über die schweren Situationen des Lebens sprechen können, wie etwa den Tod. In der Kita gibt es keine Tabus – bei schwierigen Themen zieht mich die Erzieher: in auch hinzu, damit ich das Kind und die Familie unterstützen kann. Ich bin ganz nah an den Kindern, an den Familien sowie an den Mitarbeitenden und habe für sie auch eine Seelsorgefunktion. Die Kinder kennen mich ja auch und wenn sie mich sehen rufen sie: „Da ist ja die Frau von der Kirche!“

Welchen Herausforderungen müssen auch Sie sich stellen?

Der Fachkräftemangel betrifft auch die Kitas. Gruppen müssen geschlossen werden, Öffnungszeiten geändert, die Erzieher: innen können ihre Arbeit nicht wie sonst machen, die Anforderungen an die Leitung werden immer mehr. Für die Eltern und Erzieher: innen entsteht durch diese Unsicherheit ein großer Druck, weil das ganze System durcheinandergebracht wird. Ich kann von Glück sagen, dass wir sehr vorausschauend geplant haben. Und unsere Eltern springen auch mal ein, wenn Not am Mann ist. Zum Beispiel bei den Ausflügen.

Würden Sie Ihren Beruf heute nochmal ausüben wollen?

Nach 12 Jahren als Kindergartenbeauftragte Pastoral bin ich noch immer begeistert von der Vielfalt der Aufgaben. Wenn man mich als Kind nach meinem Berufswunsch gefragt hat, habe ich immer Kindergärtnerin gesagt. Und so bin ich hier gelandet.

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