Unter der 67 Meter hohen Kuppel der Weingartener Basilika kniet Johannes Paul Weiß auf dem kalten Steinboden und legt mit kleinen schlanken Kerzen ein Muster. Seine Mutter Silvia drapiert Teelichter um die aufrecht stehenden dickeren Kerzenexemplare. Die Leitidee sei dieses Jahr ein Stern, erklärt Mesner Klaus Weiß, der den Überblick behält. Als er vor 20 Jahren seine Stelle antrat, brachte er die Tradition des besonders gestalteten Kerzenarrangements zu Lichtmess, die er bereits in Baienfurt und Memmingen pflegte, mit in die Barockkirche auf dem Martinsberg.
Am Fest Darstellung des Herrn, wie der 2. Februar offiziell heißt, werden die Kerzen geweiht, die in den folgenden zwölf Monaten im Gotteshaus zum Einsatz kommen. In der großen Wallfahrtskirche sind das etwa 60 Altarkerzen, die zunächst neben dem Altar stehen, in dem die Blutreliquie ausgestellt ist. Sind sie kleiner geworden, dürfen sie auf den Seitenaltären weiterbrennen. Dazu kommen die Kerzen, die die Ministranten im Gottesdienst tragen und weit über 2.000 Opferlichter, die Gläubige und Touristen in ihren persönlichen Anliegen im hinteren Teil der Basilika entzünden.
Er wird ein Licht für die Menschen
"An Lichtmess hat man früher das Bienenwachs abgeliefert, um daraus die Kerzen zu machen", berichtet der Basilikamesner. Heute werfen die Leute einen Beitrag ins Opferkässchen oder machen eine Spende ans Pfarramt. Aber wie kommen die Kerzen zum Fest? Hintergrund sei ein Bibelvers aus dem Evangelium des Tages, erläutert Weiß. Maria und Josef brachten den kleinen Jesus gemäß jüdischer Tradition 40 Tage nach der Geburt in den Tempel. Dort pries der hochbetagte Simeon den Säugling in weiser Voraussicht als "Licht, das die Heiden erleuchtet."
Der Festsaal Gottes, wie Klaus Weiß seinen barocken Arbeitsplatz bezeichnet, ist tagsüber vom Licht durchflutet - besonders der Platz unter der Kuppel, der noch vom Baugerüst verschont ist. Die Muster in den Bodenplatten helfen bei der Symmetrie des Kerzenkunstwerks. Damit das Ambiente stimmt, lässt der Mesner auch Weihnachtsbäume und Krippe noch so lange stehen. Unter den aufgestellten Kerzen habe in den ersten Jahren eine Madonna gestanden, erklärt er. Denn ein Charakter des Festes sei ja die Reinigung Mariens nach der Entbindung. Inzwischen hat sich der theologische Schwerpunkt des Festes aber verlagert. Heute liegt in der Mitte auf einem roten Samtkissen - das Christkind.