Allgegenwärtig – auf Kirchtürmen und im Herrgottswinkel, als Schmuckanhänger und nicht selten sogar als Tattoo – und doch irgendwie sperrig ist das Kreuz, dessen Ambivalenz am Fest der Kreuzerhöhung besonders in den Fokus tritt und dessen dunkle, schmerzvolle Seite sich vor allem in der Sprache widerspiegelt – in „durchkreuzten“ Plänen oder in Menschen, die als „Kreuz“ empfunden werden. Der Augsburger Bischof Dr. Bertram Meier legte als Festprediger beim Festgottesdienst in der Wiblinger Basilika den Finger in die Wunde, als er fragte: „Denken wir überhaupt noch etwas, wenn wir ein Kreuz sehen bzw. an einem Wegkreuz vorbeigehen – bewegt sich etwas in uns? Sprechen wir ein Gebet, halten wir kurz inne oder verneigen wir uns für einen Moment?" Vielen Menschen sei das Kreuz und insbesondere die Darstellung des Gekreuzigten „ein Anblick, dem wir uns unwillkürlich nicht lange aussetzen wollen". Denn die Haltung des Gekreuzigten entspreche der menschlichen Haltung der Wehrlosigkeit.
Der Vergänglichkeit den Stachel nehmen
Trotzdem: „Das Kreuz, grob aus zwei Balken zusammengezimmert, verbindet Himmel und Erde, die Vertikale und die Horizontale", sagte Meier. Die Haltung des Gekreuzigten sei auch die Haltung des Gebetes. „Die sogenannte Orantehaltung, die der Priester in der Heiligen Messe einnimmt und die allgemein wieder beliebt geworden ist, lässt uns mit offenen Armen und dem nach oben gerichteten Blick vor Gott hintreten." Für Christen sei das Kreuz ein Erinnerungszeichen, ein „Pluszeichen", das Welt und Gott in Beziehung setze und der Vergänglichkeit den Stachel nehme, sagte der Augsburger Bischof, der als einstiger Kaplan, dann Stadtpfarrer und Dekan in Neu-Ulm eine gute Verbindung in die Ulmer Region und das Dekanat Ehingen-Ulm hat.