Sternsinger

Das wurde mir in die Wiege gelegt

Ingeborg Kistner hat für die Sternsinger 2025 die neuen Kleider genäht. Foto: DRS/ Nelly Swiebocki-Kisling

Ingeborg Kistner hat die neuen Kleider für die Sternsinger in St. Eberhard in Stuttgart genäht – eine ihrer zahlreichen Ehrenämter für die Kirche.

Vor der Weihnachtskrippe in der Konkathedrale St. Eberhard stehen Ingeborg Kistner und Mesner Marcel Bierwagen und sprechen letzte Details für die Restaurierung ab. Die alte Landschaft, die Jesu Geburtsort Betlehem mit allen wichtigen Akteuren der Weihnachtszeit zeigen soll, hat Pfarrer Hermes nicht mehr gefallen. Deshalb bat er den Mesner, sich um eine Restaurierung der alten Krippe zu kümmern. Und dieser ging auf Ingeborg Kistner zu, um sie um Hilfe zu bitten.

Eine sehr treue Seele

So ist es immer. Wenn Not am Mann oder an der Frau ist und Hilfe gebraucht wird, wird die Rentnerin angefragt – das war schon ihr ganzes Leben so. Seit über 50 Jahren ist die ehemalige Religionslehrerin ehrenamtlich für die Kirche unterwegs. Zuerst in Liebfrauen in Cannstatt, wo Kistner groß geworden ist, dann in St. Georg in der Heilbronner Straße in Stuttgart. Es folgten St. Laurentius in Freiberg, die Dreifaltigkeitskirche in Roth, St. Augustinus in Neugereut und schließlich St. Eberhard in Stuttgart. Überall hatte sie zahlreiche Ehrenämter inne: „Sie ist eine sehr treue Seele, immer zuverlässig und immer gut drauf!“ sagt Marcel Bierwagen über sie.

Mitten in der Krippenszene steht ein Pirat mit Schwert

Nun also die Krippe. Und die Kleider für die Sternsinger auch. „An die Weihnachtskrippe habe ich zuerst gar nicht gedacht. Die hat immer der Blumenladen aufgebaut. Und ich war ja gut beschäftigt mit den Sternsingerkleidern, in denen mindestens 50 bis 60 Stunden Arbeit stecken. Ich habe mir also die Krippe angesehen und entdeckt, dass da mitten in der Szene ein Pirat steht, mit Schwert. Und eine schwangere Frau im Dirndl, die ein leeres Kissen trägt. Und ein Hirte, mit einem Babybettchen auf dem Rücken. Und keiner wusste, woher die Krippe eigentlich kam.“ Aufgrund der sonderbaren Figuren schloss man, es könne eine wertvolle Neapolitanische Krippe sein. Also entschloss sich Ingeborg Kistner, die verschlissenen Kleider neu zu nähen und zuerst einmal das Schwert des Piraten unter seinen Kleidern zu verstecken.

Nachts genäht, wenn alle schliefen

Für die schönen neuen Sternsingerkleider suchte sie zunächst die Stoffe und Materialien zusammen: Den goldenen Stoff hat sie von ihrer Tochter bekommen, Die Goldbordüren sind vom Stuttgarter Stoffmarkt und von einer Freundin bekam Ingeborg Kistner die herrliche Knopfsammlung ihrer Urgroßmutter. Auch alte Gardinen hat die Frau mit den goldenen Händen in Königsgewänder umgewandelt. „Ja, und dann hab ich mich abends zwischen zehn und ein Uhr in der Nacht, wenn alle schliefen, hingesetzt, und habe die Kleider genäht. Da habe ich gemerkt, dass ich in meinem Nähkurs viel gelernt habe und mir ganz selbstbewusst auch Abwandlungen des Schnittmusters zutraue. So sind sie entstanden, die Sternsingergewänder“, lacht die fleißige Frau. Diesmal hat sie ihren Namen und eine Jahreszahl in die Kleider eingenäht. Ihre Nachfolger: in irgendwann soll schließlich wissen, wie alt die Gewänder sind und wann es Zeit wird, den Königen neue Kleider zu nähen.

Erst Religionslehrerin, jetzt Schneiderin

Ingeborg Kistner erzählt, wie aus der Religionslehrerin die Schneiderin wurde: „Ich ging nach 40 Jahren als Relilehrerin in Rente, da habe ich mir zum Rentenbeginn eine sauteure Nähmaschine gekauft – und wusste erst einmal nicht, was ich damit machen soll, denn ich hatte schon lange nicht genäht. Während der Coronapandemie habe ich dann eine Werbung für einen Online-Nähkurs bei einem Schneider gesehen. So kam ich wieder zur Schneiderei. Jetzt nähe ich mir alles selbst: Meine Jeans, alle Oberteile, lauter schöne Sachen für mich und für meinen Mann. Und ich bin sehr zufrieden.“ Seitdem hat Kistner den Ambobehang für St. Augustinus genäht, es folgte ein seidener Tabernakelverhang, eine aufwändige Kreuzverhüllung, Krippenvorhänge und jetzt die Kleider für die Sternsinger in St. Eberhard.


„Ach, was würde die Kirche ohne uns Frauen machen!“ Ingeborg Kistner, Ehrenamtliche in St. Eberhard

Eine lange Liste ihrer Tätigkeiten

Doch damit nicht genug. Seit ihrem 16. Geburtstag ist Ingeborg Kistner in Ehrenämtern aktiv. Sie sagt: „Das wurde mir in die Wiege gelegt, sowas erbt man.“
Sie hat Mutter-Kind und Kommunionsgruppen geleitet, war in Firm- und Jugendgruppen aktiv, hat Kinderbibeltage, Kinderkreuzwege und Kinder- und Jugendgottesdienste durchgeführt und hat das Caféstüble in St. Laurentius mit aufgebaut, „eine Tankstelle für Frauen, die Nähe zu anderen Frauen suchen“, erklärt sie. Selbstverständlich war Ingeborg Kistner auch viele Jahre Mitglied im KGR. Kistner wundert sich selbst über die lange Liste ihrer Tätigkeiten.

Eine Gemeinde für alle, die eine gute Kirche suchen

In den 2000er Jahren kam sie schließlich nach St. Eberhardt, wo Pfarrer Hermes auf der Suche nach Lektor:innen war – und wieder übernahm Kistner ein Ehrenamt, das sie noch immer im Gottesdienst erfüllt. Wo sie außerdem noch Kommunionshelferin ist und Wortgottesdienstfeiern organisiert. Zu Fronleichnam machte viele Jahre die wunderbaren Blumenteppiche. Diese Aufgabe gibt sie nun an eine Glasmalerin weiter: „Das ist ein Wissen, das man nirgends lernt. Dieses Wissen möchte ich weitergeben.“

In St. Eberhard hat Ingeborg Kistner nach langer Suche die Gemeinde gefunden, in der sie sich zuhause fühlt. „St. Eberhard ist eine Gemeinde für die, die eine gute Kirche suchen. Das Gemeindeleben ist anders als in anderen Gemeinden. Die Leute leben oft nicht hier, wie in den Vororten. Deshalb ist es so bunt und lebendig hier“, sagt sie.

Was würde die Kirche ohne uns Frauen machen?

Ingeborg Kistner hat schon wieder viele Projekte. Für die Enkelin näht sie ein neues Kleid sowie Müllmannkleidung, damit sich das Kind an Fasching verkleiden kann, die Gemeinde in St. Georg fragte an, ob sie wohl die Knöpfe ihrer Sternsingergewänder annähen könne, und schließlich ist sie auch noch Ehefrau, Mutter, Oma und Tochter und kümmert sich um ihren 97jährigen Vater. Ingeborg Kistner lacht: „Ach, was würde die Kirche ohne uns Frauen machen!“

Weitere Nachrichten

Caritasverband
Der Caritas Journalistenpreis 2024 geht an Wolfgang Bauer. Lukas Fleischmann, Ralph Würschinger und Miriam Staber erhalten zweite Preise.
Weiterlesen
Seelsorge
Oliver Kübler (Pflegedienstleitung), Seelsorgerin Gabriele Hüben-Rösch und Doro Herrmann (Kunsttherapeutin und Sterbe- und Trauerbegleiterin) sitzen im Raum der Stille im neuen stationären Hospiz in Schwäbisch Hall
Der Tod ist in einem Hospiz sehr präsent. Welche Rolle Seelsorge dabei spielen kann, zeigt die Startphase der neuen Einrichtung in Schwäbisch Hall.
Weiterlesen