Familie und Freunde, Sport, Musik, Glaube - Caroline Hesse schreibt mit Kreide an die Tafel, was im Leben wertvoll ist, was Kraft geben kann. Sie steht vor 15 Neuntklässler:innen in einem Raum der Heinrich-von-Kleist-Realschule Heilbronn und greift deren Stichworte dazu auf. „Mir geht es heute darum, euch zu stärken“, hat sie den Jugendlichen zu Beginn gesagt. Es geht um ein schwieriges Thema: Suizid.
Hesse ist hauptamtliche Mitarbeiterin beim Arbeitskreis Leben (AKL) Heilbronn. Der AKL, ein ökumenisch organisierter Verein, kümmert sich mit seinen Ehrenamtlichen um Menschen nach einem Suizidversuch. Angehörige von Menschen in suizidalen Krisen und Hinterbliebene nach Suizid finden beim AKL Unterstützung durch Gesprächsangebote. Außerdem leistet die Beratungsstelle im Heinrich-Fries-Haus in Heilbronn Präventionsarbeit. Eine besondere Zielgruppe sind dabei Jugendliche. Daher bietet der AKL spezielle Präventionsveranstaltungen für Jugendgruppen in Kirchengemeinden wie Firm- oder Konfirmandengruppen und für Schulen.
Wissen für mehr Handlungssicherheit
„Kinder müssen heute stärker mit Krisen umgehen können als früher“, sagt Hesse am Rande ihres Vortrags. Ein gutes Beispiel, wie auch junge Menschen von Krisen betroffen sein können, ist für sie die Corona-Pandemie.
In anderthalb Stunden vermittelt die 39-Jährige den Jugendlichen daher Faktenwissen zum Thema Suizid. Sie erklärt, wie persönliche Krisensituationen entstehen. Sie hilft, die Gedankenwelt suizidgefährdeter Menschen zu verstehen. Sie gibt Empfehlungen, was beim Umgang mit suizidalen Menschen zu beachten ist. Denn Wissen verschaffe Sicherheit, wie gehandelt werden soll. Die Schüler:innen folgen dem offenen und zugewandten Vortrag und machen bei verschiedenen Frage-Antwort-Spielen mit.
Steigende Nachfrage nach Veranstaltungen
Es sei wichtig, sich mit diesem Tabu-Thema auseinanderzusetzen, sagt Renate Widmaier. Widmaier bildet mit ihrer Kollegin Sabine Mäule das Team der Schulsozialarbeit an der Heinrich-von-Kleist-Realschule. Von der Schulsozialarbeit wurde das Präventionsangebot des AKL vor einigen Jahren aufgegriffen. Für die neunten Klassen an der Schule ist eine solche Veranstaltung seitdem fester Bestandteil des Ethik- und Religionsunterrichts. Hesse und Ehrenamtliche des AKL besuchen die Bildungseinrichtung meistens um das Frühjahr herum.
Die Präventionsarbeit des AKL an Schulen hat sich etabliert. Das belegt die Statistik. So stieg die Zahl der Präventionsveranstaltungen nach Angaben des AKL von 15 im Jahr 2018 auf 43 im Jahr 2022. Mit diesen erreichte der Verein im vergangenen Jahr an 13 Schulen 876 Schüler:innen und damit mehr als doppelt so viele Schüler:innen wie 2018. Das Angebot des AKL richtet sich an alle Schularten ab der achten Klasse.
Ausbau der Arbeit dank Förderung
Die Bischof-Moser-Stiftung der Diözese Rottenburg-Stuttgart unterstützte den AKL dabei, die Suizidprävention bei Jugendlichen systematisch auszubauen und bekannt zu machen: Von 2018 an förderte die Stiftung für drei Jahre einen Stellenanteil von 25 Prozent.
Aber nicht nur die reine Statistik ist ein Indikator dafür, dass der AKL Wirkung entfaltet. Wie Hesse berichtet, melden sich nach den Veranstaltungen auch schon mal Jugendliche zu einem Beratungsgespräch beim AKL. Die beiden Schulsozialarbeiterinnen Widmaier und Mäule haben ebenfalls die Erfahrung gemacht, dass sich nach den Veranstaltungen Schüler:innen öffneten.