Katholikentag

Das Rottenburger Modell im Gendertest

Susanne Babila, Diözesanrätin, Stuttgart; Dr. Maximiliane Eisenmann, Mitglied des Diözesanrates, Stuttgart; Elisabeth Niggemeyer, Kirchengemeinderätin, Ditzingen; Stefanie Oeben, Diözesanreferentin, Stuttgart; Evelyn Schickner, stellv. Dekanatsrätin, Michelbach/Bilz. Text: Programm Katholikentag

Wie erleben Frauen die diözesane Gemeindearbeit? In einer Werkstatt wurden in kurzen Impulsen, Erfahrungen ausgetauscht.

Die Gremien in der Diözese – Kirchengemeinderat, Dekanatsrat, Diözesanrat – sind Leitungsgremien, die Mitglieder haben Sitz und Stimme in pastoralen und finanziellen Fragen, so die Theorie. Und wie sieht die Praxis aus? Wie erleben Frauen die diözesane Gremienarbeit? Inwieweit sind die Gremien Zeichen und Werkzeug einer gendergerechten Kirche und wo ist noch Luft nach oben? Diesen und vielen weiteren Fragen widmete sich die Veranstaltung „Das Rottenburger Modell im Gendertest“. In kurzen Impulsen berichteten Susanne Babila, Elisabeth Niggemeyer und Evelyn Schickner über ihre Erfahrungen. Die Moderation übernahmen Stephanie Oeben, Diözesanreferentin der Diözese Rottenburg-Stuttgart und Dr. Maximiliane Eisenmann, Leitung Zentrum für karitativ-diakonische Spiritualität TABOR.

„Weit entfernt von einer gendergerechten Kirche.“

Für Susanne Babila, neues Mitglied im Diözesanrat, ist das Rottenburger Modell ein kooperatives und partizipatives Leitungsmodell von Laien und Klerikern, von gewählten Christ:innen und Hauptamtlichen. Das Modell ist deutschlandweit einzigartig, weil der Rottenburger Diözesanrat als oberste Ebene im Drei-Stufen-Modell Haushaltsrecht hat, so Babila. Doch gibt sie zu bedenken, dass das Rottenburger Modell schon über 50 Jahre alt sei und nichts an den Machtverhältnissen zwischen Klerus und Laien, zwischen Frau und Mann ändere. Stattdessen ist es aus ihrer Sicht „weit entfernt von einer gendergerechten Kirche.“ Es passe nicht mehr ganz in die heutige Zeit und bedarf eines Up-dates.“ Ähnlich sieht es Elisabeth Niggemeyer, Kirchengemeinderätin und Diözesanrätin. Das Rottenburger Modell ist für sie ein gutes Modell, um aufzuzeigen, dass Laien in das kirchliche Geschehen und Handeln eingebunden werden müssen. Es biete Chancen, die moderne Kirche von heute abzubilden. Für Niggemeyer ist eine moderne Kirche, „eine offene, hierarchiefreie und geschlechtergerechte Kirche. Diese moderne Kirche ist ein Versammlungsort der Christ:innen, die sich mit Jesus um den Tisch versammeln und Mahl halten.“ Für Evelyn Schickner, stellvertretende Dekanatsrätin und gewählte Vorsitzende des Gesamtkirchengemeinderates von Schwäbisch Hall, stellt das Rottenburger Modell ein gutes Werkzeug dar und eine Richtschnur bei ihrer Gremien-Verantwortung. Doch gebe es noch Luft nach oben. Auch sie sieht aufgrund der aktuellen Diskussionen dringende und auch zwingende Anpassung hinsichtlich der Gleichberechtigung von Frauen in allen Ämtern.

Es folgte eine lebhafte Diskussion mit den Besucher:innen der Veranstaltung. Dabei wurden viele Fragen aufgeworfen, die in den Augen der Teilnehmenden auch schon Lösungsvorschläge beinhalten könnten. Weshalb besetze man den KGR-Vorsitz z.B. nicht paritätisch? Die Leitung einer Gemeinde könnte doch auch von jemandem aus dem Pastoralen Mitarbeiterteam übernommen werden – je nach Gabe und/oder Charisma. Das wäre für den Pfarrer eine Entlastung, er könne sich dann wieder mehr oder voll auf seine Seelsorgetätigkeit konzentrieren. Ein weiterer Vorschlag: eine Frauenquote für Redner:innenlisten. Diese würden von Männern dominiert, Frauen seien häufig nicht vertreten. Das warf die Frage auf, ob es daran läge, dass Frauen zurückhaltender seien oder aber angelernte Verhaltensweisen inne haben, die von aktiver Beteiligung abhalten.

Anpassungen an das Rottenburger Modell zwingend nötig

Eins wurde sehr deutlich, das Rottenburger Modell bedarf eines Up-dates, einer Weiterentwicklung angepasst an die heutige Zeit. „Dies sei überfällig,“ so Niggemeyer. „Die Frage ist, wo sehen wir Kirche in 30 oder 40 Jahren? Anpassungen sind dringend erforderlich. Es muss einen neuen Weg geben“, ergänzt Schickner und Babila fügt hinzu: „Die Veränderung muss nicht nur in äußeren Strukturen geschehen, vielmehr ist eine innere Veränderung, ein Umdenken erforderlich.“

Türen der Demokratie noch nie so offen wie jetzt

Eine Teilnehmerin sieht dafür gute Chancen und möchte Mut machen: „In der Gesellschaft ist im Moment sehr viel in Bewegung. Wir hatten für meine Begriffe noch nie so offene Türen in unserer Demokratie. Wir haben wahnsinnig viele Möglichkeiten, in der Kirche, im Staat und diese sollten wir nutzen.“

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