Seit 20 Jahren fördert die Diözese Rottenburg-Stuttgart das Studium der Theologie im Fernkurs, um Interessierten neben ihrem Beruf eine theologische Ausbildung zu ermöglichen. 2023 zählte der dazugehörige „Theologische Begleitkurs“ in der Diözese Rottenburg-Stuttgart rund 35 Teilnehmende und war so einer der größten Begleitkurse in Deutschland. Kurs-Leiterin Dr. Petra Preunkert-Skálová aus Tübingen stellt das Angebot im Interview vor.
Frau Dr. Preunkert-Skálová‚Theologie im Fernkurs wird an der Domschule in Würzburg angeboten. Was genau ist dabei nun die Aufgabe des diözesanen Begleitkurses und wie kam es zu dessen Einrichtung?
Wir haben großen Respekt vor Frauen und Männern, die neben ihren familiären Verpflichtungen und ihrem Beruf Theologie im Fernkurs studieren möchten. Deswegen wollen wir diese Menschen mit einem Begleitkurs in unserer Diözese unterstützen, damit sie sich nicht allein durch das Theologie-Fernstudium durchkämpfen müssen.
Haben sich die Zielsetzung und der Adressatenkreis im Laufe der Zeit verändert?
Der Begleitkurs wurde vor etwa 20 Jahren gegründet. Die wichtigste Aufgabe war damals die Unterstützung der zukünftigen ständigen Diakone auf ihrem Weg zur Weihe. Diese Aufgabe erfüllt er heute immer noch, aber die Zusammensetzung und Motivation der Teilnehmer:innen ist deutlich vielfältiger geworden. Ein typisches Mitglied unseres Begleitkurses ist ein Mann oder eine Frau, der oder die sich weiterqualifizieren möchte, um haupt- und ehrenamtliche Aufgaben in der Liturgie, der Diakonie und der Sakramentenpastoral zu übernehmen. Ich bin davon überzeugt, dass theologisch gebildete Menschen im Ehrenamt maßgeblich die Zukunft unserer Kirche mitgestalten werden. Sie erreichen durch ihre außerkirchlichen Berufe die Gesellschaft noch einmal anders als wir hauptamtliche Mitarbeiter:innen.
Können Sie etwas genauer beschreiben, wer die Teilnehmenden im Blick auf Alter, Bildungshintergrund und Beruf sind?
Unsere aktuell etwa 35 Teilnehmer:innen sind in der Regel zwischen 30 und 65 Jahre alt und kommen aus unterschiedlichen Berufen und Bevölkerungsschichten. Zu unseren Kreis zählten in den letzten Jahren zum Beispiel ein Installateurmeister, ein Anwalt, eine Physiotherapeutin, ein Universitätsprofessor und eine Sparkassenmitarbeiterin. Ein formaler Bildungsnachweis ist für die Aufnahme des Fernstudiums nicht erforderlich. Die meisten unserer Teilnehmer:innen haben das Abitur, viele haben studiert, andere wiederum verfügen über den mittleren Bildungsabschluss und viel Berufserfahrung. Auch Menschen mit Migrationshintergrund sind mit dabei. Ich schätze, dass wir aktuell die Glaubenserfahrungen aus mindestens fünf anderen katholischen Ortskirchen in Europa mit an Bord haben. Gerade ist auch eine Teilnehmerin eingeschrieben, die einer anderen christlichen Kirche angehört. Einer unserer Absolventen, der sich als Transmann zu LGBTQ+ zählt, folgte seiner Berufung in einen der ältesten Orden des katholischen Mönchtums. Ein solches Glaubenszeugnis zählt für uns alle, die wir aus anderen katholischen Milieus kommen, oft mehr als viele Worte.
Mit welchem zeitlichen Aufwand müssen Interessierte rechnen, kommen Kosten auf sie zu und wie lange dauern die Kurse?
Für den Anfang würde ich den Basiskurs Theologie empfehlen. Dafür sollte man etwa ein Jahr einplanen. Man bekommt neun sogenannte Lehrbriefe nach Hause geliefert und sollte sich wöchentlich etwa fünf Stunden Zeit zum Selbststudium nehmen. Jeder Lehrbrief befasst sich mit einem theologischen Thema: Welche sind die zentralen Texte des Alten und Neuen Testamens? Wer ist Jesus Christus? Wozu ist die Kirche da? Welche sind die wichtigsten Ereignisse der Kirchengeschichte? Was versteht man unter christlicher Spiritualität? Eine digitale Lernplattform ist ebenfalls vorhanden. Der Basiskurs kostet 220 Euro. Das Studium der Theologie im Fernkurs sollte in unserer Diözese nicht am Geld scheitern. Unser Diözesaner Begleitkurs, der die Studierenden während des Fernkursstudiums begleitet, ist kostenlos. Er ermöglicht es, Theologie nicht nur in den Lehrbriefen nachzulesen, sondern als eine lebendige Lebenshaltung einzuüben. Die meisten Teilnehmer:innen machen nach dem Basiskurs weiter beziehungsweise. schreiben sich gleich im Grundkurs und später im Aufbaukurs ein. Nahezu alle schließen nach etwa drei bis vier Jahren mit einer Abschlussprüfung erfolgreich den Aufbaukurs ab. Man darf auch wesentlich länger studieren, wenn man es möchte.
Gibt es Präsenzzeiten in Würzburg oder in der Diözese?
Im Rahmen des Basis-, Grund- und Aufbaukurses muss man jeweils nur ein Studienwochenende und eine Studienwoche besuchen. Diese zwei obligatorischen Präsenztermine finden an verschiedenen Orten in Deutschland statt, so dass man sie mit etwas Glück unweit vom eigenen Wohnort besuchen kann. In letzter Zeit wurden sie auch im Hirscherhaus angeboten – dem Tagungshaus unserer Diözese in Rottenburg. So konnten unsere Teilnehmer:innen gleich auch die eigene Bischofsstadt kennenlernen. Unser Diözesaner Begleitkurs trifft sich acht Mal im Jahr samstags zu einem ganztägigen Studientag in Tübingen. Es ist jedem freigestellt, wie oft er oder sie an unseren Präsenztreffen in Tübingen teilnimmt. Bei Bedarf gibt es im Rahmen des diözesanen Begleitkurses auch Online-Treffen und eine individuelle Online-Sprechstunde.
Und muss am Kursende eine Prüfung abgelegt werden?
Die meisten unserer Studierenden streben die Abschlussprüfung an. Sie besteht aus einer zwölfseitigen Hausarbeit und einer mündlichen Prüfung. Im Aufbaukurs wird zusätzlich eine Klausur geschrieben. Hin und wieder sagen uns Studierende, dass sie große Freude am fundierten Austausch über theologische Themen haben und deswegen zu uns kommen – einen Abschluss benötigten sie aber nicht. In diesem Sinne haben wir tatsächlich auch echte ‚Spaßstudenten‘ im Begleitkurs und das ist gut so. Dabei ist interessant, dass diese Frauen und Männer dann aber doch oft die Abschlussprüfung ablegen. Ich erinnere mich an einen Mann, der ‚nur aus Interesse‘ Theologie studieren wollte und dieses Jahr zum ständigen Diakon geweiht wird.
Nimmt der Fernkurs auch Bezug auf aktuelle kirchliche und gesellschaftliche Fragen?
Ja, das ist uns sogar sehr wichtig. Was in den Lehrbriefen steht, vergisst man im Detail möglicherweise schnell wieder. Uns liegt deswegen daran, den Menschen Freude am lebenslangen Lernen zu vermitteln und die Fähigkeit, theologische Sachverhalte in einen größeren Zusammenhang einordnen zu können. Diese Haltung ist uns wichtiger als das Auswendiglernen. Um up-to-date zu sein, laden wir jedes Jahr mehrere Gastdozent:innen ein. Meistens sind es Professor:innen und wissenschaftliche Mitarbeiter:innen der Tübinger Katholisch-Theologischen Fakultät, die an einem der Tübinger Studientage ihre Disziplin vorstellen und sie dann in einen Bezug zu den thematisch passenden Lehrbriefen setzen. Ich bewundere sie sehr dafür. Sie müssen in wenigen Stunden in verständlicher Sprache die Grundlagen ihres Faches darstellen und gleichzeitig noch alle Fragen beantworten.
Sie leiten den diözesanen Begleitkurs gemeinsam mit Dr. Christoph Schaefer vom Ambrosianum in Tübingen. Welche Ziele setzen Sie sich dabei gemeinsam?
Mein Kollege Dr. Christoph Schaefer ist ein hervorragender Bibelwissenschaftler. Sein Schwerpunkt liegt im Neuen Testament. Über die biblischen Sprachen und Fächer hinaus verfügt Christoph über ausgezeichnete Kenntnisse in Liturgiewissenschaft und Kirchengeschichte. Ich begeistere mich wiederum für die Dogmatik und Dogmengeschichte, die Ökumene und die pastorale Theologie. Christoph und ich ergänzen uns sehr gut, zumal wir auch immer wieder unterschiedliche Sichtweisen auf einzelne Themen einbringen. Neben der Unterstützung bei der Bewältigung der Lehrbrief-Inhalte wollen wir das eigenständige theologische Denken fördern und theologische Fragen auf die aktuelle kirchliche und gesellschaftliche Situation beziehen. Unser Kreis besteht aus sehr unterschiedlichen Menschen, so dass wir unweigerlich auch gemeinsam lernen müssen, Andersdenkenden zuzuhören und wertschätzend Argumente auszutauschen. Das sind Kompetenzen, die wir sowohl in der Kirche als auch in der Gesellschaft dringend brauchen.
Welche konkrete Unterstützung erhalten die Teilnehmenden im Begleitkurs?
Unsere Studierenden haben oft fachliche Fragen, die sich beim Lesen der Lehrbriefe daheim ergeben. Oder sie schreiben im Rahmen des Fernstudiums zum ersten Mal in ihrem Leben eine Hausarbeit und möchten von uns wissen, wie es geht. Für diese Situationen sind wir für sie werktags telefonisch und per Mail erreichbar. Wir bieten Wiederholungsfragen für die Prüfungen an und verfügen über eine Sammlung von anonymisierten Hausarbeiten unserer Absolvent:innen, dank denen unsere Studierenden sehen können, wie eine gute oder eine schlechte Arbeit aussieht. Gerade aus schlechten Bewertungen kann man viel lernen. Und der vertraute Umgang untereinander, der im Begleitkurs entsteht, stellt für viele eine große Hilfe dar.
Was ist aus Ihrer Sicht das Wertvolle, das die Fernkurs-Absolvent:innen mit in ihren Alltag nehmen können?
Unsere Studierenden lernen Grundlagen der Theologie. Sie üben sich in einer Diskussionskultur ein, die sie auch in anderen Bereichen ihres Alltags anwenden können. Sie erfahren Unterstützung und erleben Gemeinschaft, die sie trägt. Nicht zuletzt ermöglicht ihnen das Studium, sich beruflich und auch persönlich weiterzuentwickeln. Unsere Absolvent:innen können sich auf theologisches Wissen berufen, statt nur auf guten Willen und Bauchgefühl. Es steht zwar nicht im Vordergrund, aber ich bin davon überzeugt, dass das Theologiestudium auch dem eigenen Glauben tiefere Wurzeln schenkt und die Hoffnung wachsen lässt, dass ich im Hier und Jetzt das Reich Gottes mitgestalten kann und soll.
Und darüber hinaus: Welche Möglichkeiten eröffnet ein Kursabschluss mit Blick auf das Ehren- aber auch das Hauptamt?
Der erfolgreiche Abschluss qualifiziert für die Ausbildung für kirchliche Berufe in Schule und Gemeinde. Jedes Jahr nehmen nach dem erfolgreichen Fernkurs-Abschluss mehrere Teilnehmer die Ausbildung zum ständigen Diakon auf und werden Diakon im Zivilberuf oder arbeiten sogar hauptberuflich für unsere Diözese. Wir haben immer Absolvent:innen, die Religionslehrer:in im Kirchendienst oder Gemeindereferent:in werden wollen. Einige Frauen und Männer in unserem Begleitkurs wünschen sich dagegen keine berufliche Veränderung. Sie wollen sich einfach nur intensiver und kompetenter in ihrer Kirchengemeinde einbringen. Dafür gebührt ihnen von unserer Diözese großer Dank und konkrete Unterstützung in Form des diözesanen Theologischen Begleitkurses. Wir laden alle Interessierten herzlich ein, diesen kennenzulernen.