Gabriele Pennekamp, die seit den 1980er Jahren in unterschiedlichen Funktionen ehrenamtlich für die keb tätig ist, blickt im Interview auf ein halbes Jahrhundert Bildung im Auftrag der Kirche zurück. Die gebürtige Düsseldorferin lebt seit mehr als 60 Jahren in Ludwigsburg und ist seit fast 20 Jahren Vorsitzende der keb in Württemberg.
Frau Pennekamp, Sie und die keb sind schon seit langem ein erfolgreiches Team. Können Sie Ihre Genese bei der Erwachsenenbildung kurz schildern?
Ich habe im Jahr 1985 zufällig die allererste Veranstaltung des „Vormittags-Programm für Frauen“ – heute ist das die „Akademie am Vormittag“ – des damaligen Bildungswerks in Ludwigsburg besucht. Da ging es um die Frage: „Sind Dogmen heute noch gefragt?“ Schon damals durchlebte die Kirche spannende Zeiten: Hans Küng hatte seine Lehrerlaubnis verloren, weil er die Unfehlbarkeit des Papstes anzweifelte. Deshalb fand ich die Frage nach den Dogmen sehr interessant. Damals saß ich zufällig neben dem Leiter des Bildungswerks, nachdem wir uns gegenseitig vorgestellt hatten, rief er mich am Nachmittag an und meinte: „Für den Vorstand des Bildungswerks suchen wir noch dringend eine Frau.“
Ich war Lehrerin für Deutsch und Kunsterziehung, habe mich aber zuhause um meine vier Kinder und meinen Mann gekümmert. Gleichwohl wollte ich nicht nur für die Familie da sein, deshalb habe ich das Amt als Beirätin im Vorstand des „Bildungswerks Ludwigsburg“ angenommen, aus dem später die „keb Ludwigsburg e.V.“ wurde. Zu deren Vorsitzenden wurde ich 1989 gewählt und hatte dieses Amt insgesamt 27 Jahre inne.
Ab 1993 war ich dann stellvertretende Vorsitzende des Dachverbands der keb in der Diözese und seit 2005 bin ich auch hier Vorsitzende. Da wir eine neue Leiterin und Geschäftsführerin auf diözesaner Ebene bekommen haben und der personelle Wechsel auch des Vorsitzes die keb nicht doppelt belasten sollte, habe ich das Amt noch immer inne. Nach Ende der Wahlperiode, das wird 2025 sein, werde ich es endgültig abgeben, wenn meine Gesundheit so lange mitspielt.
Ihre Kolleg:innen sagen, dass Sie für die Bildungswerke in der Diözese und die Geschäftsstelle Orientierungspunkt und eine wichtige Leitfigur sind. Welche Impulse geben Sie in die Erwachsenenbildung? Worauf kommt es Ihnen an?
Mir ist es wahnsinnig wichtig, dass wir Menschen Wissen bieten, das ihnen hilft, sich in der Welt zu orientieren. Unsere Lebenswelt ist geprägt von Pluralismus und Segmentierung, zudem leben wir durch die Digitalisierung und KI in einer Phase der Transformation. Da merken wir zunehmend, dass das Orientierungswissen fehlt, weil die Menschen die Zusammenhänge nicht mehr erkennen können. Diese zu vermitteln, ist Kernaufgabe der Erwachsenenbildung. So können Menschen ihre Kompetenzen erweitern und werden damit zur Teilhabe am gesellschaftlichen Diskurs befähigt, vor allem am interreligiösen und interkulturellen Dialog. Bei alldem hat die keb den Menschen in einem ganzheitlichen Sinn im Blick.
Sie setzt bei den Bedürfnissen, Anliegen, Fragen und Konflikten der Menschen an. Sie greift Lebensfragen auf, schafft Räume zur Begegnung, zur Reflexion, zum Dialog. Denn Bildung geht nicht ohne Begegnung, ohne miteinander ins Gespräch zu kommen.
Mit welchen Themen beschäftigt sich die keb?
Unsere Themen sind sehr vielfältig. Unterm Strich geht es um alle Fragen, die Menschen bewegen: Schöpfung und Umwelt, Theologie und Bibel, Interreligiöse Begegnungen, Ehe und Partnerschaft, Familie und Erziehung oder Sterbebegleitung. Vor allem sind es auch Fragen, die die Gesellschaft insgesamt bewegen, seien es der Klimaschutz, die Stärkung der Demokratie, politische Zusammenhänge, neue Technologien wie ChatGPT und den damit verbundenen Gefahren wie Desinformation und Fake News oder auch Philosophie, Literatur, Geschichte, Kunst und Kommunikation. Gerade bei letzterem ist es auch wichtig, sich damit zu beschäftigen, wie wir miteinander kommunizieren.
Wie entsteht Ihr Programm?
Ich kann hier nur für die „Akademie am Vormittag“ sprechen. Das Gesamtprogramm der keb Ludwigsburg entsteht in Zusammenarbeit des Leiters mit dem Vorstand, dem ich aber nicht mehr angehöre.
Beim „Vormittagsprogramm“ lief das anfangs etwas anders, der damalige Leiter hat das Programm mit interessierten Frauen gemeinsam geplant, irgendwann hat er sich aber zurückgezogen und es uns überlassen. Deshalb planen wir seit vielen Jahren das Programm allein. Dazu laden wir die Teilnehmenden unserer Kurse zu so genannten „Planungsgesprächen“ ein, an denen auch der Leiter teilnimmt; diese moderiere ich, frage geschätzte Referenten vorher an, erkundige mich nach möglichen Themen, die ich aber erst nach dem Brainstorming mit allen Anwesenden, vorschlage. Auf diese Weise sind alle, die daran Interesse haben, aktiv an der Entstehung unseres Angebots beteiligt. Das ist mir sehr wichtig.
Welche Auswirkungen hatte die Corona-Pandemie auf die keb?
Die Pandemie hat uns schwer getroffen. Unsere Besucherzahlen sind eingebrochen, es durfte niemand mehr in die Kurse kommen. Wir haben dann Angebote über Zoom gemacht, aber wir sind noch längst nicht wieder bei den Teilnehmerzahlen von der Zeit vor der Pandemie angekommen. Das ist für uns – die „Offene Erwachsenenbildung in kirchlicher Trägerschaft“ – auch ein finanzielles Problem, denn die Grundlage unserer Finanzierung ist die Anzahl der Unterrichtseinheiten. Sie sind entscheidend für die Höhe der diözesanen Zuschüsse sowie der Landesmittel über das Weiterbildungsgesetz des Landes Baden-Württemberg – und das zu einem nicht unerheblichen Teil. Das Gesetz schreibt vor, dass die keb von der sie tragenden Institution „organisatorisch ausreichend abgegrenzt“ ist. Wir dürfen also nicht ausschließlich pastorale Bildung betreiben. Wir sind somit offen für alle Menschen, egal welcher Konfession, ob sie überhaupt eine haben, und egal woher sie kommen. Gleiches gilt für unser Programm: Wir machen keine pastorale Bildung; wir greifen zwar Glaubensfragen auf, das aber nicht vorrangig. Ich sage immer: Wir stehen an der Schnittstelle zwischen Kirche und Gesellschaft. Ein Bild, das die Arbeit der keb anschaulich macht: Sie steht mit einem Bein in der Kirche und mit einem Bein vor der Kirchentür, draußen in der Gesellschaft. Genau das beschreibt das Spannungsgefüge, in dem sich die keb bewegt, was immer mal wieder Anlass zu kritischen Anfragen bietet. Gleichwohl kommen unsere Teilnehmenden auch, weil sie wissen, wo unser Angebot verortet ist, dass die Referenten sich z.B. auch Zeit für ein persönliches Gespräch nehmen und wir immer auf die Menschen zugehen.
Für viele unserer Teilnehmer:innen ist z.B. die „Akademie am Vormittag“ der keb ein Stück Heimat. Dort sind Freundschaften entstanden, fast alle duzen sich und gerade für Menschen, die allein sind, ist es ein schöner Ort der Begegnung und des Austauschs.
In den vergangenen 50 Jahren hat sich die Welt sehr verändert. Neue Medien sind gekommen, Menschen aus vielen Ländern leben in unserer Diözese und wir hatten mit der Corona-Pandemie ein für alle Lebensbereiche einschneidendes Ereignis. Wie hat sich das Bildungsgeschäft in diesen Jahren verändert?
Enorm. Als ich Mitte der 1980er Jahre angefangen habe, standen innerkirchliche, Erziehungs- und Lebensfragen im Mittelpunkt. Politik, Geschichte oder Literatur hat damals noch keine große Rolle gespielt. Auch die Referenten waren eher kirchliche Personen. Unterm Strich war die keb stärker kirchlich geprägt. Da kam auch mal, wenn Veranstaltungen außerhalb der kirchlichen Räume stattfanden, die Frage an die Referenten, ob sie denn überhaupt frei ihre Meinung zu allen Themen äußern dürften, da der Veranstalter das „Katholische Bildungswerk“ sei. Diese Frage kommt heute nicht mehr, zumal wir durchaus kirchenkritische Themen aufgreifen.
Die Pandemie hat, so sehr sie uns alle getroffen hat, eines mit sich gebracht, einen großen Schub für Online-Veranstaltungen. Auch Hybrid-Veranstaltungen haben wir mit im Angebot.
Was wünschen Sie der keb für die kommenden 50 Jahre?
Ich bin zwar als vom Bischof berufenes Mitglied seit 2007 im Diözesanrat vertreten, aber die keb hat dort keinen festen Sitz mit Stimmrecht – wie beispielsweise die Arbeitsgemeinschaft katholischer Organisationen und Verbände, da wir erst zwei Jahre später als der Diözesanrat entstanden und somit in der Satzung nicht verankert sind. Für unser Standing wäre das aber sehr wichtig – auch im Hinblick auf finanzielle Fragen. Deshalb wäre ein fester Sitz für die Leitung der keb im Diözesanrat mein schönstes Geschenk.
Zudem würde ich mir wünschen, dass alle Leiter:innen immer am ‚Puls der Zeit‘ bleiben und sehen, wie wichtig Bildung ist, wie wichtig es ist, dass Menschen Bescheid wissen, Orientierung bekommen und Unterstützung in den wichtigen Fragen ihres Lebens. So können sie ihr Leben besser bewältigen und sich aktiv in die Gesellschaft einbringen. Ich halte es mit JFK und finde, man sollte sich nicht nur im privaten Kreis aufregen, sondern einmischen und engagieren – ganz im Sinne von „Frage nicht, was dein Land für dich tut, sondern was du für dein Land tun kannst“.