„In Deutschland und Europa waren Nationalismus und Rassismus über viele Jahrzehnte hinweg Nährboden für Feindseligkeit gegenüber Menschen anderer Länder oder anderen Glaubens. Die dahinterstehende Grundhaltung war mitverantwortlich für zwei grausame Weltkriege und die entsetzliche Vernichtung von Millionen Menschen jüdischen Glaubens. Gerade auch christlich geprägte Politikerinnen und Politiker erkannten bei der Neuordnung Europas und unseres Landes, dass nur die Achtung der Menschenwürde und die Förderung von Solidarität, Dialogbereitschaft und Weltoffenheit in einem demokratischen Rechtsstaat Frieden und Wohlstand dauerhaft sichern können.“
Mit diesen Worten beginnt ein im Jahr 2017 beschlossenes Statement des damals amtierenden 10. Diözesanrats gegen Fremdenfeindlichkeit, Hass und Spaltung und für Demokratie und Freiheit. Im Einklang mit dieser heute geradezu bedrückend aktuellen Positionierung erfüllt mich mit großer Sorge, dass politische Parteien und Gruppierungen in Deutschland und anderen europäischen Staaten wieder mit nationalen und rassistischen Parolen aufwarten. Erneut werden Ängste, Aggressionen, Hass, Vorurteile und Ressentiments geschürt. Größen- und Allmachtsphantasien werden kultiviert und Kriege geführt. Menschen und ganze Gruppen werden ausgegrenzt, allzu oft gerade die schwachen und wehrlosen.
All dem setzen wir unseren christlichen Glauben entgegen, aus dem wir Kraft und Zuversicht schöpfen! Jeder Mensch ist als Gottes Ebenbild geschaffen, mit Stärken und Schwächen. Wir wissen uns eins mit Gott, dessen Liebe für uns in seinem unfassbar vielfältigen und dynamischem Schöpfungswirken erfahrbar wird und dem wir alles verdanken, was wir auf Erden erleben dürfen. Daher treten wir ein für die Achtung der Würde eines jeden Menschen, für Frieden, Freiheit, soziale Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung. Eine Trennung in eine Welt des Glaubens an Gott und in eine nach eigenen Gesetzen funktionierende Welt gibt es für uns nicht. Eine Spaltung zwischen den Menschen, eine Unterteilung in gute und böse, ist zutiefst unmenschlich und geradezu unnatürlich. Wir wollen Begegnungen und Beziehungen der Menschen untereinander in einem achtsam geführten Dialog, in dem ethisch begründete Argumente, aber auch Ängste und Emotionen ernstgenommen werden. Probleme delegieren wir nicht an andere, sondern wollen sie wo immer möglich selbst lösen. Was durch Eigenleistung in der Familie, in den Gemeinschaften vor Ort und in den Gemeinden erledigt werden kann, soll ermöglicht werden, auch durch entsprechende Regelungen, Förderungen und Hilfestellungen. In diesem Sinne sehen wir Demokratie als ständigen und lebendigen Prozess des Miteinanders in Verantwortung vor Gott und den Menschen.
Dr. Johannes Warmbrunn
Sprecher des Katholiken- und Kirchensteuerrats
Rottenburg-Stuttgart