Sankt Martin

Der "evangelische" Sankt Martin

Matthias Krack, evangelischer Dekan in Biberach, vor der Martinsstatue in der Stadtpfarrkirche - Foto: DRS/Waggershauser

Dekan Matthias Krack spricht über Heiligenverehrung und Ökumene in der gemeinsam genutzten Biberacher Stadtpfarrkirche.

In Biberach nutzen Christinnen und Christen der beiden großen Konfessionen die Stadtpfarrkirche am Marktplatz schon seit August 1548 gemeinsam. Etwa einmal im Monat predigt dort auch der evangelische Dekan Matthias Krack. Im Interview nimmt der 53-Jährige den gemeinsamen Kirchenpatron Martin von Tours und das Zusammenspiel mit der katholischen Kirchengemeinde in den Blick.

Herr Dekan Krack, wie feiern evangelische Christinnen und Christen in Biberach das Patrozinium am 11. November?

Wir denken natürlich in den Sonntagsgottesdiensten um den 11. November an den heiligen Martin, der ja der Namensgeber unserer Kirche ist. Es gibt viele Mitglieder unserer Kirchengemeinde, die an den Martinsfeiern der katholischen Kirchengemeinde teilnehmen. Einen eigenen Gottesdienst zum Patrozinium am 11. November oder ein spezielles Gemeindefest haben wir jedoch nicht.

„Heiligenverehrung“ klingt erst mal typisch katholisch. Welche Bedeutung haben für Sie Gestalten wie der heilige Martin aus einer Zeit, als es noch keine unterschiedlichen christlichen Konfessionen gab?

Die Heiligen sind sehr große Vorbilder im Glauben. Martinus hat beispielhaft seinen Glauben gelebt. Und man kann von ihm auch lernen und Anregungen für seinen eigenen Glauben bekommen. Wir verehren ihn nicht im eigentlichen Sinne, aber wir schätzen ihn sehr.

Das Teilen des Mantels, von sich abzusehen und zu merken, dass, auch wenn ich teile, immer noch genug für mich da ist, das ist ein prägendes Beispiel für gelebtes Christentum.

Konnten Sie in den eineinhalb Jahren als Pfarrer und Dekan in einer Martinskirche schon einen Akzent setzen im Sinne des Heiligen?

Meine Heimatstadt Esslingen ist ja eine Weinstadt. Da gibt es den sogenannten Martiniwein, der seit 1276 ausgegeben wird. Und seit dieser Zeit geht immer die Hälfte des Erlöses aus dem Verkauf an ein sozialdiakonisches Projekt. Den Wein verschenke ich in der Martinsgemeinde nun immer gerne an Referentinnen und Referenten und an Mitarbeitende. Viele von ihnen teilen ja tatsächlich ihr Leben mit der Kirche und für die Kirche. Und dann haben wir natürlich während der Coronazeit und mit dem Beginn des Ukrainekrieges zusammen mit Diakonie und Caritas ganz unterschiedliche Hilfs- und Unterstützungsprojekte aufgespurt. Praktisch wie Martinus die Not konkret in den Blick genommen.

Wie erleben Sie heutzutage die Ökumene in der gemeinsam genutzten Martinskirche?

Durch die gemeinsame Stadtpfarrkirche ist das Thema Ökumene gesetzt. Wir müssen miteinander ins Gespräch kommen - allein damit wir die Kirche verwaltet und versorgt bekommen. Es ist aber nicht nur das, sondern eine lebendige Ökumene. Einmal im Monat verzichten beide Konfessionen auf ihren eigenen Gottesdienst und feiern gemeinsam. Und wir laden uns ganz oft gegenseitig zu unseren Gottesdiensten ein. Ich durfte in der Pandemiezeit bei der Feier der Osternacht mit dabei sein und das mit einer großen Selbstverständlichkeit. Und jetzt steht – nach coronabedingter Pause – endlich wieder die ökumenisch verantwortete Vesperkirche im Martin-Luther-Gemeindehaus an - ganz im Sinne von Martinus. 

Wie „organisieren“ Sie dieses Miteinander?

Wir haben praktisch einen ökumenischen Pastoralrat, in dem wir uns alle zwei Monate absprechen. Wir planen die ökumenischen Gottesdienste und schauen, was alles ökumenisch geschehen kann. Es ist ein schöner Glücksfall, dass der katholische Stadtpfarrer inzwischen auch Dekan ist und wir ganz oft miteinander unterwegs sind. Wir feiern ökumenische Gottesdienste wie neulich bei der Einführung des neuen Landrats. Auch die Notfallseelsorge ist in ökumenischer Trägerschaft. Ich sehe Dekan Ruf manchmal öfter als meine evangelischen Kollegen.

Prägt die Ökumene auch das Zusammenleben der Menschen in der Stadt?

Die Stadtgesellschaft in Biberach hat ein waches Auge auf ihr Gotteshaus. Die Stadtpfarrkirche gehört ja weder der katholischen noch der evangelischen Kirche. Denen ist wichtig, dass das zwischen den beiden funktioniert. Und überall sind Zeichen, wo dann Ökumene gelebt wird. Das nehmen sie sehr wohl wahr und schätzen das auch sehr.

Bei „Martin“ und „evangelisch“ denken viele zunächst an Martin Luther. Sehen Sie eine Verbindung zwischen dem Reformator und dessen Namenspatron Martin von Tours?

Auch in evangelischen Kindergärten spielt Martin von Tours eine große Rolle und in der Schule ist er im Lehrplan der Grundschule eingepflegt. Die meisten Menschen denken also, wenn sie „Martin“ hören, an Martin von Tours. Aber die Verbindung zu Martin Luther ist da. Martin Luther heißt so, weil er am Martinstag getauft wurde.

Man kann aber noch eine andere Verbindung zwischen beiden Martins ziehen. Beide haben sich ganz praktisch auf das Evangelium, auf die Schrift besonnen.

Apropos Reformation - die katholische Kirche befindet sich ja gerade in einem Erneuerungsprozess. Welche Reformvorschläge würden Sie aus evangelischer Sicht in den Synodalen Weg einbringen?

Es liegt mir als evangelischer Theologe natürlich fern, der katholischen Kirche Ratschläge zu geben, was sie zu tun hat. Aus dem ökumenischen Blickwinkel nehme ich wahr, dass sehr viel, was jetzt auf dem Synodalen Weg moniert wird, an der Basis – so erlebe ich es jedenfalls von außen – schon gelebt wird. Es wäre natürlich sehr schön, wenn beide Kirchen noch mehr miteinander unterwegs wären, mit großer Selbstverständlichkeit miteinander Gottesdienste feiern und sich dabei gegenseitig zum Abendmahl einladen könnten. Das wäre, glaube ich, schon einmal ein großer Schritt.

Zur Person

Während der Coronapandemie wechselte Matthias Krack (53) nach acht Jahren als evangelischer Pfarrer in Leonberg im Mai 2020 nach Oberschwaben. Er wurde zum Dekan des Kirchenbezirks Biberach gewählt und hat somit auch das Pfarramt I inne. In Esslingen aufgewachsen lernte der Theologe bereits an seiner ersten Pfarrstelle in Ehingen-Mundingen das schwäbische Oberland schätzen und lieben. Als Dekan hält er in der Regel einmal monatlich die Predigt in der Stadtpfarrkirche St. Martin,  leitet und verantwortet den Kirchenbezirk und die Biberacher Gesamtkirchengemeinde, begleitet im Bezirk Vakaturen,  feiert in den Bezirksgemeinden Gottesdienste, investiert und verabschiedet Pfarrerinnen und Pfarrer und ist bei Gemeindejubiläen mit dabei.

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