„Die Arbeitswelt nimmt einen immer größeren Raum im Leben der Menschen ein. Umso wichtiger ist ein Tag der Ruhe, ein Tag, der den Rhythmus unterbricht und den Menschen die Freiheit gibt, sich anderen Dingen zuzuwenden.“ Mit dem historischen Datum beschäftigt sich am Mittwoch, 3. März, um 17 Uhr eine Videoveranstaltung mit Vertreterinnen und Vertretern von vier Parteien, der Kirchen und der Gewerkschaft Verdi. Organisiert wird der Abend von der Allianz für den freien Sonntag.
Herr Görg, auf welches historische Ereignis geht der staatlich geschützte freie Sonntag zurück?
Der freie Sonntag geht zurück auf den römischen Kaiser Konstantin. Am 3. März 321 erklärte er den Sonntag für Christen und Nichtchristen zu einem geschützten Feiertag. Er war der erste Herrscher, der den freien Sonntag gesetzlich festgeschrieben hat. Heute ist es das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und die Landesverfassung von Baden-Württemberg, die den freien Sonntag hierzulande schützt.
Wie sieht es mit der theologischen Begründung aus?
Der Ruhetag in der Woche geht zurück auf die biblische Schöpfungsgeschichte. In sechs Tagen hat Gott die Welt erschaffen. Er hat gesehen, dass es gut war und den siebten Tag geruht. Das ist die biblische Wurzel für den freien Sonntag.
Warum ist es denn aus Ihrer Sicht als Betriebsseelsorger so wichtig, den Sonntag zu schützen?
Unsere Zeit ist geprägt von wirtschaftlichen Interessen und einer immer schneller werdenden Arbeitswelt. Die meisten Menschen verbringen enorm viel Zeit am Arbeitsplatz und auf dem Weg dorthin. Ihre Woche ist geprägt von der Arbeit. Umso wichtiger ist es, einen Tag zu haben, der aus dem Rahmen fällt, an dem ich außerhalb der Arbeitswelt sein und frei darüber entscheiden kann, wie ich ihn gestalte. Die Menschen brauchen einen Tag, um sich auszuruhen, zu regenerieren, wieder Kraft zu tanken.
Warum muss es der Sonntag sein?
Am Sonntag haben die meisten Menschen frei, dann kann ich als Familie den Tag gemeinsam gestalten, mich mit Freunden treffen, meinen Glauben leben. Wenn ich an einem Montag oder Mittwoch frei habe, dann wird es mit gemeinsamen Unternehmungen schon schwieriger. Deshalb ist ein Tag wichtig, der für alle gleichermaßen ein geschützter freier Tag ist. Der staatlich geschützte freie Sonntag gibt uns viele Freiheiten.
Corona hat die Diskussion um den Sonntagsverkauf ein weiteres Mal aufgebracht. Viele Händler leiden und erhoffen sich vom Sonntagsverkauf eine Linderung.
Unsere Welt ist geprägt von wirtschaftlichem Denken, dem auch der Sonntag untergeordnet wird. Viele Menschen wünschen sich, auch sonntags einkaufen zu können. Dabei kann ich jetzt schon im Internet rund um die Uhr einkaufen, Tag und Nacht, Sonntag wie werktags. Dass der Sonntagsverkauf den Händlern den erhofften Ausgleich zu den gesunkenen Einnahmen bringt, halte ich für eine Illusion. Was passieren würde, ist eine Verlagerung des Umsatzes, aber keine Umsatzsteigerung. Die Menschen kaufen die Dinge dann nicht mehr unter der Woche ein, sondern am Sonntag. Sie geben das Geld aber nur einmal aus.
Wie steht es denn um die Beschäftigten im Einzelhandel, die am Sonntag arbeiten müssten?
Mehr verkaufsoffene Sonntage würden den Stress und den Druck für die Beschäftigten im Einzelhandel erhöhen. Wie kommt es denn beim Arbeitgeber an, wenn ich am Sonntag nicht arbeiten möchte? Mehr verkaufsoffene Sonntage bringen aber auch kleinere Geschäfte stärker unter Druck. Sie müssen schon jetzt schauen, die Öffnungszeiten unter der Woche attraktiv zu gestalten und mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gut abzudecken. Größere Läden tun sich leichter, Öffnungszeiten auch am Sonntag möglich zu machen. Die kleineren Händler haben da viel weniger Spielraum.