Dr. Herbert Aderbauer vom Diözesanarchiv Rottenburg informiert im Rahmen eines Vortrags wie es zur Gründung des württembergischen Bistums kam. Die Veranstaltung findet am 21. Oktober um 19 Uhr im Diözesanmuseum Rottenburg statt. Im Interview erklärt Aderbauer, warum die ersten Jahre kompliziert waren.
Am 16. August 1821 wurde die Diözese Rottenburg „förmlich errichtet“, den ersten Bischof bekam sie aber erst am 20. Mai 1828. Wann feiert unsere Diözese denn jetzt offiziell ihren 200. Geburtstag – 2021 oder 2028?
Dr. Herbert Aderbauer: Die Diözese orientiert sich bei ihrem Jubiläum traditionell am Jahr 1828. Die 100-Jahr-Feier fand also 1928 statt, die 150-Jahr-Feier 1978, und auch jetzt wird die große Feier erst in sieben Jahren sein. Das ist insofern bemerkenswert, als die Diözese Rottenburg von Seiten des Papstes bereits 1821 durch die Bulle Provida solersque errichtet wurde. Allerdings stand 1821 die erforderliche materielle Stiftung durch den Staat, die sogenannte Dotation oder Fundation, noch aus. Diese erfolgte erst 1828.
Was ist das Besondere an dieser Bulle?
Die Bulle Provida solersque ist eine päpstliche Urkunde, durch die die kirchliche Organisation in Südwestdeutschland grundlegend und dauerhaft verändert wurde. Die damals neu errichteten Diözesen Freiburg, Rottenburg und Limburg bestehen in gleicher Form bis heute. Die mittelalterlichen Bistümer Mainz und Fulda wurden durch die Bulle in ihren Grenzen neu zugeschnitten, und auch dies gilt bis heute. Dahinter stand der Wunsch der damaligen Landesfürsten nach Diözesen, die sich mit ihren Territorien decken sollten.
Wird darauf auch der Fokus in Ihrem Vortrag liegen?
Mir wird es in meinem Vortrag darum gehen, die äußerst komplizierten Verhältnisse und die langwierigen Verhandlungen, die für unsere Diözese 1806 begannen und erst 1828 abgeschlossen werden konnten, auf ihre entscheidenden Grundfragen zu reduzieren. Warum war die bestehende kirchliche Verfassung ins Wanken geraten? Was waren die Ziele bei der Umgestaltung? Welche Rolle spielte der Staat, und welche der Papst? Warum wurde gerade Rottenburg zum Bischofssitz? Warum zog sich der Gründungsprozess so lange hin und welcher Stellenwert kommt dabei der Bulle Provida solersque zu?
Als offizielles Gründungsdatum der Diözese gilt die Inthronisation des ersten Bischofs Dr. Johann Baptist Keller am 20. Mai 1828. Was ist in den sieben Jahren dazwischen passiert?
Sie haben Recht, man verweist gerne auf das Datum der Inthronisation des ersten Bischofs, wenn man begründen möchte, warum man 1928, 1978, 2003 und 2028 feiert(e). Doch das ist eigentlich nicht stichhaltig. Aus der Sicht des Papstes wurde die Diözese bereits 1821 gegründet – eben mit der Bulle Provida solersque. Um es mit dem Papst selbst zu sagen: Die Diözese war bei der Ernennung Kellers zum Bischof längst errichtet – nur eben nicht besetzt.
Warum aber hat das so lange gedauert?
Die Bistumserrichtung durch die Bulle Provida solersque war unvollständig. Das Bistum musste erst noch seine materielle Ausstattung erhalten – also Wohn- und Kanzleigebäude für den künftigen Bischof und das Domkapitel, Gehälter etc. Dazu war der Staat verpflichtet, gerade weil er 1803 in der Säkularisation die Kirche enteignet hatte. Und diese staatliche Dotation zog sich noch hin. Sie war aber zwingend erforderlich, damit die Errichtung vollzogen und wirksam werden konnte.
Noch wichtiger aber war, dass die betroffenen Fürsten und der Papst 1821 sich noch lange nicht einig waren, wie die künftigen Diözesen verfasst sein sollten. Besonders strittig war, wer künftig den Bischof bestimmen durfte – der König, der Papst oder das Domkapitel? Zudem musste man sich auch noch auf den richtigen Kandidaten für das Amt des ersten Rottenburger Diözesanbischofs einigen, und das sollte dauern.
Ihr Vortrag ist ja auch Ausblick auf eine Ausstellung im Diözesanarchiv. Was wird dort zu sehen sein?
Die Ausstellung des Diözesanarchivs Rottenburg wurde in Kooperation mit dem Haus der Geschichte Baden-Württemberg erarbeitet. Sie wird im Haus der Geschichte in Stuttgart als kleine Sonderausstellung vom 4. Dezember 2021 bis zum 30. Januar 2022 zu sehen sein. Im Mittelpunkt steht die Bulle Provida solersque, die dankenswerterweise vom Landesarchiv Baden-Württemberg im Original zur Verfügung gestellt werden wird.
Die Sonderausstellung ist in sechs inhaltliche Bereiche gegliedert. Dabei wird die Vorgeschichte mit dem Generalvikariat Ellwangen thematisiert und der 1817 erfolgte Umzug nach Rottenburg. Weitere Vitrinen beleuchten die Person Johann Baptist Kellers und die gewichtige Rolle des württembergischen Staates im Gründungsprozess. Den Abschluss bildet die Inthronisationsfeier im Rottenburger Dom.
Da das Diözesanmuseum Rottenburg mehrere, im wahrsten Wortsinn „glanz“volle Objekte zur Verfügung stellen wird – darunter auch die vergoldete Krümme des Bischofsstabs von Bischof Keller –, wird die Ausstellung neben bedeutenden und wirkmächtigen Dokumenten auch Exponate von hohem ästhetischen Reiz umfassen.