Pferden ist vermutlich die Liebe zur Marschmusik nicht in die Wiege gelegt. Daher üben viele Reitergruppen, die am Blutfreitag in Weingarten teilnehmen, in diesen Tagen zusammen mit ihren Musikvereinen an abgelegenen Plätzen. Denn die örtlichen Blaskapellen sind wesentlicher Bestandteil der größten Reiterprozession Europas. Wenn sich die Musikanten, die Tiere und ihre Reiter nach zweijähriger Coronapause wieder aufeinander eingestimmt haben und am 27. Mai zu Marschklängen die Kirchstraße hinab zum Weingartener Rathaus ziehen, spätestens dann ergreift die feierlich-andächtige Atmosphäre hoffentlich auch die eher Unmusikalischen unter den Pferden.
Dass die Vierbeiner auch umgekehrt für die Blasmusikerinnen und -musiker eine Herausforderung sind, bezeugt der Spitzname des preußischen Marsches „Wir präsentieren“ von Hans Ailbout, der zum Standardrepertoire vieler Kapellen beim Blutritt gehört. Wer am Straßenrand nach dem „Rossbollen-Marsch“ fragt, bekommt ziemlich sicher die eingängige Melodie des anfangs des letzten Jahrhunderts an Konservatorien in Krefeld und Berlin lehrenden Komponisten vorgesummt. Der volkstümliche Name des Stücks beschreibt die Schwierigkeit der Musizierenden, die tierischen Hinterlassenschaften auf dem Prozessionsweg zu umgehen, ohne die Formation zu verlassen - eine Aufgabe, die nicht immer gelingt.