Kunst

Der Seele auf der Spur

Das Seelenmal des Künstlers Ubbo Enninga hinter der Wangener St.-Martins-Kirche - Foto: DRS/Waggershauser

Das Kunstwerk "Seelenmal" hinter der Wangener Sankt-Martins-Kirche verbindet ein regionales Gebäck mit dem Totengedenken.

Eine verdrehte Himmelsleiter, die Doppelhelix des DNA-Moleküls - oder doch nur eine Liebeserklärung an ein oberschwäbisch-allgäuerisches Backwerk? Das Seelenmal des Künstlers Ubbo Enninga aus dem Jahre 2002 hinter der Wangener Kirche St. Martin regt zum Nachdenken an. Josef Fussenegger, Stadtführer, gewählter Vorsitzender des Kirchengemeinerats und pensionierter Schuldekan, hat sich intensiv mit dem Kunstwerk auseinandergesetzt und erläutert die Hintergründe im Interview.

Herr Fussenegger, warum versteckt sich das Seelenmal gerade an diesem Ort hinter der Martinskirche?

Rund um die Kirche wurden über sieben Jahrhunderte die Verstorbenen zur letzten Ruhe gebetet. In den Jahren 1520 und 1521 gingen mehrere Pestepidemien über die Freie Reichsstadt Wangen hinweg und etwa ein Drittel der Bevölkerung starb. Der Platz für die Toten reichte nicht mehr aus und so wurde außerhalb der Stadtmauern ein neuer Friedhof angelegt.

Und der Friedhof in der Stadt wurde aufgegeben?

Ja, genau. Jahrhunderte gingen die Bewohner relativ gedankenlos über den ehemaligen Friedhof bei der Kirche. Um die Erinnerung an diese erste Begräbnisstätte wieder lebendig werden zu lassen, wurde im Jahre 2002 das Seelen-Mal aufgestellt.

Das Kunstwerk erschließt sich ja nicht auf den ersten Blick. Wie reagieren Besucher:innen der Stadt, wenn sie es zum ersten Mal sehen?

Ich sehe da oft fragende und verwunderte Blicke, manchmal sogar ein Kopfschütteln.

Dann erklären Sie Ihnen vermutlich die Skulptur. Welche Bedeutung haben die einzelnen Teile des Kunstwerks?

Der Totenschädel mahnt als „Memento mori“ die irdische Vergänglichkeit an. Die beiden Figurenschalen stellen die sterbliche Hülle des Menschen dar. Die Doppelhelix steht für die Einmaligkeit des Menschen und verbindet mit ihren Seelen–Sprossen die irdische und die geistige Welt.

Die Seelen-Sprossen sehen doch aus wie das Backwerk, das es in Bäckereien der Region als Spezialität zu kaufen gibt?

Genau. Das Kunstwerk spielt mit der Doppeldeutigkeit des Wortes Seele als Gebäck und als unsterbliche Seele. Ursprünglich wurden die Seelenbrote nur an den Jahrtagen der Verstorbenen und am Fest Allerseelen gebacken, im Gottesdienst gesegnet und anschließend an die Armen verteilt.

Welche Botschaft sehen Sie im Seelenma(h)l für die Menschen des 21. Jahrhunderts?

Das Fest Allerseelen mit seinem ganz speziellen Seelengebäck erinnert uns jedes Jahr aufs Neue, dass Gott den Menschen in seiner Einmaligkeit und Würde im Tod nicht zugrunde gehen lässt, sondern in seine Gemeinschaft aufnimmt. Wenn wir uns an die Toten erinnern und für ihre Vollendung beten, können wir uns schon heute in diese große Gemeinschaft aufgenommen fühlen.

 

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