Wie weit wirken diese Verletzungen und lassen sich die Wunden, die durch die äußerst restriktiven Bedingungen im Frühjahr geschlagen wurden, im Nachhinein heilen?
Unsere Erfahrung aus dem ersten Lockdown mit Blick auf Beerdigungen ist, dass Menschen das Bedürfnis haben, „gut“ Abschied zu nehmen. Aus dieser Erfahrung, die wir hier vor Ort gesammelt haben und über die Kolleginnen und Kollegen in der Diözese berichten, überlegen wir, wie man Menschen, die unbewältigte Trauererfahrungen bei der Beerdigung von Angehörigen hatten, nochmals ansprechen kann. Welche Formate und welchen Rahmen braucht es, damit Menschen mit unbewältigter Trauer auf ihrem Trauerweg gut weiterkommen.
Welche Ideen oder Ansätze gibt es da?
Es gibt schon erste Konzepte: Im Dekanat Heidenheim haben wir in der AG Trauer Gedenkfeiern entwickelt speziell für Menschen, die in der Corona-Zeit einen Angehörigen verloren haben. Menschen, die nicht gut oder gar nicht Abschied nehmen konnten, sollen nochmals angesprochen werden. In diesem Format oder Rahmen sollen sie ihrer Trauer Raum geben, ihres Verstorbenen gedenken und Abschied nehmen können. Die große Überschrift über diesen Gedenkfeiern ist also, Raum zu schaffen für ihre Trauer.
Gibt es da schon erste Erfahrungen mit diesen Gedenkfeiern?
Die Feiern sind an verschiedenen Orten im Advent geplant und werden in ökumenischem Miteinander gefeiert werden. Ich weiß aber auch von Kolleginnen und Kollegen, die bereits im Rahmen von Allerheiligen und Allerseelen bei Gottesdiensten speziell die Betroffenen aus der Corona-Zeit eingeladen und ihnen einen besonderen Raum gegeben haben. Aus den ersten Rückmeldungen höre ich, dass sich die Menschen, die so eingeladen sind, wertgeschätzt fühlen und diesen Raum auch wahrnehmen, dass sie sich verstanden fühlen und einen Impuls kriegen, gut auf ihrem Trauerweg weiterzukommen.
Gibt es im Rahmen dieser Gedenkfeiern ein Element oder ein Symbol, das die Angehörigen als besonders wertvoll empfinden?
Was uns wichtig ist – und das ist auch zentral für die Gedenkfeiern –, dass wir die Betroffenen einladen, für ihren Verstorbenen eine Kerze an der Osterkerze zu entzünden. Wir haben um diese Kerzen Banderolen gemacht, die besonders gestaltet sind: Darauf steht: Für dich. Die Angehörigen dürfen nach der Gedenkfeier diese Kerze, auf der auch der Name des Verstorbenen geschrieben steht, mit nach Hause nehmen. Damit wird eine Brücke gebaut zwischen der Gedenkfeier und dem Ort, wo die Angehörigen wohnen und wo ihr Alltag ist. Das tut gut und hilft.
Welche Ideen gibt es darüber hinaus?
Es gibt in unserer Diözese ganz vielfältige Angebote von Trauergruppen. Darüber informiert eine Broschüre „Trauer - Hoffnung - Leben“, die an vielen Orten ausliegt und auch digital zur Verfügung steht. Ich glaube, dass das Bedürfnis nach Trauerbegleitung groß ist und wir als Kirche vor der Aufgabe stehen, aktiv auf Menschen zuzugehen mit diesem Angebot. Im Rahmen von Trauergesprächen und bei den erwähnten Gedenkfeiern weisen wir auch darauf hin, dass die Kirche Begleitung auch nach der Beerdigung anbietet. Corona ist nicht zu Ende und wird es auch im Februar oder März nicht sein. Das bleibt also eine langfristige Aufgabe. Wir sind deshalb darüber hinaus auf Diözesanebene dabei, Konzepte zu entwickeln, um Mitarbeiter, die in diesem pastoralen Feld arbeiten, weiter zu qualifizieren. Eine Idee, die wir in der von der Diözese eingesetzten Steuerungsgruppe „Beerdigungs- und Trauerpastoral“ diskutieren, ist, Regionalgruppen zu initiieren, in denen pastorale Mitarbeiter zwei- bis dreimal im Jahr Erfahrungen austauschen und Fortbildungen zu bestimmten Themen bekommen, etwa: wie ist es möglich, Menschen im Kontext von Suizid gut zu begleiten oder Menschen, die ein Kind verloren haben.