Weltkirche

Die Bewahrung der Schöpfung motiviert auch das Fraunhofer Institut

Dr. Wolf-Gero Reichert, Geschäftsführer der Hauptabteilung Weltkirche, und Dr. Anna Heimsath vom Fraunhofer-Institut im Interview. Bild: DRS/ Nelly Swiebocki-Kisling

Die Kurzstudie des Fraunhofer-Instituts zur CO2-Einsparung der Diözese durch den Einsatz von PV-Anlagen weltweit liefert überraschende Ergebnisse.

Der Ausbau erneuerbarer Energien schreitet weltweit voran. In Hinblick auf den menschlichen Einfluss auf den Klimawandel ist ein Umdenken in der Stromerzeugung dringend notwendig. Die Hauptabteilung Weltkirche der Diözese Rottenburg-Stuttgart fördert deshalb Projekte und Vorhaben der Partnerdiözesen in der ganzen Welt und unterstützt sie finanziell beim Ausbau von Solarenergie mithilfe von Photovoltaik-Anlagen. Zwischen 2018 und 2022 bezuschusste die Diözese, neben anderen Anlagen zur Nutzung regenerativer Energien, den Bau von 154 Photovoltaikanlagen. Die Diözese beauftragte das Fraunhofer-Institut für Solare Enegiesysteme ISE in Freiburg, die durch den Betrieb der Anlagen vermiedenen Treibhausemissionen zu berechnen.

Dr. Wolf-Gero Reichert, Geschäftsführer der Hauptabteilung Weltkirche, und Dr. Anna Heimsath vom Fraunhofer-Institut stellen im Interview die Ergebnisse der Kurzstudie vor:

Herr Dr. Reichert, warum bauen wir bei unseren weltkirchlichen Partnern Photovoltaikanlagen? Woher stammen die Gelder für diese Kooperationen?

Unsere Unterstützung ist ein Ausdruck unserer weltkirchlichen Solidarität. Wir haben die Mittel und die Voraussetzungen, die unsere Partner nicht haben. Immerhin ist der Heilige Martin der Partron unserer Diözese. Möglich wird das durch Kirchensteuermittel, aber auch durch Spenden und Stiftungsmittel. Es hat auch etwas mit Entschädigung zu tun. Immerhin verursachen wir durch unseren CO₂-Ausstoß viele Schäden in anderen Ländern.

Und was treibt unsere Partner an?

Seitdem Papst Franziskus zu einem verstärkten Einsatz für unser Klima aufrief und den Klimaschutz als Glaubenspraxis bezeichnete, tut sich in vielen Ländern weltweit sehr viel. Viele Gemeinden wollen Pioniere sein und nehmen die Bewahrung der Schöpfung sehr ernst. Zudem leiden unsere Partnerdiözesen, etwa in ihren Bildungseinrichtungen oder Krankenhäusern, unter der unzuverlässigen Stromzufuhr vor Ort. Es passiert, dass die Studierenden, darunter auch unsere Stipendiaten, plötzlich im Dunkeln sitzen. Und Kliniken brauchen während ihren Behandlungen Zuverlässigkeit. Ein weiteres Argument sind die steigenden Energiepreise. Dieselgeneratoren ersetzen in den Partnerdiözesen die Kohleenergie. Doch Diesel ist teuer geworden und fast nicht mehr leistbar. Mit den PV-Anlagen vor Ort machen wir jetzt unseren Strom selbst. Und letztendlich ist es egal, wo wir die Anlagen bauen – wir leben ja in einer Welt und profitieren genauso von der CO₂-Einsparung. Das war auch ein großes Anliegen unseres emeritierten Bischof Fürst.

Herr Dr. Reichert, mit welchem Ziel wurde die Studie in Auftrag gegeben?

Für uns war es vor allem Selbstvergewisserung, ob es wirksam ist, was wir tun und ob es einen Impact auf die Umwelt hat. Etwa 9% der Fördergelder wurden zum Beispiel letztes Jahr in PV-Anlagen investiert.

 

„Solarenergie lohnt sich für unsere weltkirchlichen Partner und für die Menschheit.“
Dr. Wolf-Gero Reichert, Geschäftsführer der Hauptabteilung Weltkirche in der Diözese


Frau Dr. Heimsath, wie sind Sie an die Aufgabe herangegangen?

Das Fraunhofer Institut macht zunehmend Studien zu den CO₂-Einsparungen in verschiedenen Unternehmen. Unsere Aufgabe für die Diözese bestand unter anderem darin, zu untersuchen, welche CO₂-Einsparpotentiale die unterschiedlichen Länder im Ausland haben. Die Studie berücksichtigt alle Treibhausgase, wie zum Beispiel auch Methan und Lachgas, welche durch die klimaneutrale Stromproduktion durch PV-Anlagen eingespart wurden, sowie die unterschiedlichen eingesetzten Modultechnologien in den Ländern, den Grad ihrer Verschmutzung, den Aufstellungsort, die Anzahl der Betriebsstunden pro Jahr, die Wirkungsgrade der Solarmodule und die Degrationsfaktoren für die 20-jährige Lebensdauer – die allerdings oft um viele Jahre überschritten wird, mit noch höheren Erträgen. Und auch der Energiemix in den Ländern ist wichtig. Es gibt Datenbanken, die diesen Energiemix der Länder zeigen. So haben wir durch die Studie gelernt: Die meiste Ersparnis haben wir bei den Ländern mit dem höchsten Kohle/Diesel-Mix.

Waren Sie von den Ergebnissen überrascht Herr Dr. Reichert?

Ich war extrem überrascht. Auch von der großen Diskrepanz zwischen den Ländern. Unser Umweltbeauftragter konnte den genauen Impact nicht einschätzen, aber wir wissen jetzt: Wir sparen in anderen Ländern circa ein Drittel des in der Diözese erzeugten CO₂eq. In zwanzig Jahren sind das 102064,4 Tonnen CO₂eq. Dieses Resultat war sehr bestärkend im Team. Sie müssen wissen, diese Menge erhält circa 306193 m² arktisches Grönlandeis – das ist die 250-fache Fläche des Rottenburger Doms.

 

„Solarenergie leistet einen wichtigen Beitrag zur Reduktion des CO₂-Fußabdrucks und zur Erhaltung der Schöpfung. Mit solchen Studien machen wir den Impact greifbar.“ Dr. Anna Heimsath vom Fraunhofer-Institut für Solare Energie


Die Studie war die erste Zusammenarbeit mit der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Haben Sie die Ergebnisse in der Diözese überrascht, Frau Dr. Heimsath?

Wir arbeiten viel mit Unternehmen in Deutschland und Europa zusammen, die ihren CO₂-Fußabdruck wissen wollen. Ungewöhnlich war der unterschiedliche Effekt der CO₂-Einsparungen in der ganzen Welt durch ähnliche Anlagen. Wir haben uns deshalb entschieden, zunächst den Strommix in den die unterschiedlichen Länder zu untersuchen. Das hat einen sehr großen Einfluss auf die Einsparungen durch PV-Anlagen. Beispielsweise wird im Kongo trotz eines hohen Stromertrags nur wenig CO₂eq eingespart. Das liegt daran, dass 99% der Stromerzeugung im Kongo durch Wasserkraft erzeugt wird. Eine Herausforderung war, dies bildlich darzustellen – das haben wir zum ersten Mal gemacht, hat aber für die Zukunft viel Nutzungspotential. Ich werde künftig auf die Diözese Rottenburg-Stuttgart verweisen.

Erläutern Sie bitte die Bedeutung von PV-Technologie als Eckpfeiler der erneuerbaren Technologien, Dr. Heimsath?

Es ist heute die günstigste Form, Strom zu produzieren. Außerdem sind die Anlagen im Vergleich wartungsarm. Der PV-Effekt kann mit relativ geringem Materialeinsatz und mit Hilfe der Sonne, die jeden Tag scheint, Strom erzeugen. Nur am Anfang hat man Investitionen. Das Besondere ist der modulare Einsatz der PV-Anlage, die steigerungsfähig ist. Schon einzelne Module auf dem Dach sind effektiv. In den Arabischen Emiraten wiederum haben sie riesige PV-Kraftwerke. Dazu sparen wir die Folgekosten, die durch die fossile Energie entstehen, wie die Kosten für Umweltschäden, Gesundheitsschädigungen, wirtschaftliche Schäden, Ausrottung von Pflanzen und Tieren, Schäden an Gebäuden und der Infrastruktur und weitere. Das Umweltbundesamt hat die Kosten einer Tonne CO₂eq-Einsparung auf circa 228 € ermittelt.

Herr Dr. Reichert, nach welchen Kriterien werden die weltweiten kirchlichen Partner ausgesucht? Warum sind so viele Projekte in Indien und weniger auf dem südamerikanischen oder afrikanischen Kontinent?

Wir suchen uns die Partner vor Ort nicht aus, wir machen das nach dem Antragsprinzip. Wir haben Partnerdiözesen und Ordensgemeinschaften in über 80 Ländern und haben uns seit über 20 Jahren den Ruf erarbeitet, bei Solarvorhaben zu unterstützen, deshalb kommen die Partner auf uns zu. Das sind Gemeinden, Schulen und Bildungsstätten, Seminare und Gesundheitsinstitutionen, also zum Teil große Einrichtungen mit Managementkompetenz. Wir erwarten allerdings Nachhaltigkeit. In Indien haben wir niedrige Kosten, gepaart mit einem hohen Umweltbewusstsein. In Südindien etwa haben unsere Partner ein Zentrum für erneuerbare Energien gegründet mit einem sehr guten Netzwerk. Drei Anlagen sind an Technischen Colleges als Schulungsprojekte angesiedelt, wo auch die Wartung der Geräte gelehrt wird. Ihre Arbeit wirkt für andere inspirierend. In Südamerika unterstützen wir viele große kirchliche Einrichtungen, vor allem in Argentinien. Auch in Afrika, etwa im Kongo, haben die PV-Anlagen der Kirche ein Alleinstellungsmerkmal und somit eine Vorbildfunktion, auch für die Unternehmen dort. Andererseits mussten wir erst neulich ein Vorhaben im Kongo ablehnen, weil es vor Ort niemand gab, der das Gerät warten kann. Dann stehen die Geräte defekt herum und keiner kann etwas damit anfangen. Aber wir lehnen bei PV-Anlagen grundsätzlich wenig ab.

Sie unterstützen auch die Ukraine?

In der Ukraine ging die PV-Entwicklung durch die Decke. Wir hatten viele Projekte. Im Moment leider nicht mehr…

Weitere Nachrichten

Bischof
Bischof Krämer in der Konkathedrale St. Eberhard in Stuttgart: "Synodalität ist ein Wesensmerkmal unserer Kirche"
Weiterlesen
Kultur
Acht Leben – Glaubensgeschichten aus dem Südwesten
Graphic Novel bietet neuen Zugang zum Leben von Christinnen und Christen aus 13 Jahrhunderten. Übergabe an Bischof Dr. Krämer in Stadtbibliothek.
Weiterlesen