Dr. Uwe Scharfenecker spricht darüber, wie die Diözese junge Menschen bei ihrer Berufsfindung innerhalb der Kirche unterstützt und weshalb es viele gute Gründe für einen Beruf in der Kirche gibt.
Herr Dr. Scharfenecker, in diesem Jahr findet der 'Weltgebetstag um geistliche Berufungen' am Sonntag, dem 11. Mai, statt. Können Sie uns kurz erläutern, worum es dabei geht?
‚Die Ernte ist groß. Die Arbeiter sind wenige. Bittet den Herrn der Ernte, Arbeiter in seinen Weinberg zu senden.‘ Mit diesen Worten lädt Jesus von Nazareth selbst dazu ein, darum zu beten, dass Menschen sich für den Dienst am anderen, die Seelsorge, gewinnen lassen.
Wie kann Beten dabei aus Ihrer Sicht helfen?
Beten hilft, die eigenen Ideen mit den Plänen Gottes in Einklang zu bringen, die wir aus der Heiligen Schrift kennen. Es ist ein idealer Weg, um über den Tellerrand hinauszuschauen und nicht nur um sich selbst zu kreisen.
In unserer Gesellschaft wird das Beten eher verlernt – welchen Zugang sehen Sie für Getaufte, die der Kirche eher fern sind?
Der beste Zugang zum Beten ist das konkrete Leben. Es ist eine wunderbare Möglichkeit, für Gutes zu danken und in Notlagen etwas anderes zu tun, als zu jammern. Ich habe das Gefühl, auch viele, die sich mit der Kirche schwertun, pflegen diese Art der Verbindung mit Gott.
Der Gebetstag 2025 nimmt Bezug auf das ‚Heilige Jahr‘ und steht unter dem Motto ‚Pilger der Hoffnung‘. Wie sehen Sie hier die Verbindung?
Das alte Wort ‚Pilgern‘ signalisiert, dass das Leben nichts Statisches ist, zumindest nichts Statisches sein muss. Wer von Gott etwas erwartet, wird sich fragen, was der eigene Beitrag zur Gottesbeziehung ist. Angst vor Veränderungen ist dabei wenig hilfreich. Wer ein sinnerfülltes Leben will, wird sich gerne auf den Weg machen, um etwas Neues auszuprobieren. So zumindest könnte man ‚Pilger der Hoffnung‘ übersetzen.
Es gibt viele Gründe, weshalb junge Menschen von einem Beruf in der Kirche Abstand nehmen und bei dieser Entscheidung auch mit sich ringen. Was möchten Sie jemandem in einer solchen Situation sagen?
Es gibt auch viele Gründe, keinen Abstand von einem Beruf in der Kirche zu nehmen. Menschen in den unterschiedlichsten Lebenssituationen beizustehen, ihnen zu helfen, Schönes zu feiern und Schweres zu ertragen, ist eine ausgesprochen erfüllende Tätigkeit, die es ermöglicht, auch im Beruf etwas vom Leben zu haben – was für eine wirkliche Work-Life-Balance sorgt.
Wie unterstützt die Diözese junge Menschen bei ihrer Berufsfindung innerhalb der Kirche?
Der große Vorteil der Kirche ist, dass sie überall durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vertreten ist, die am ehesten beurteilen können, ob Menschen in ihrer Umgebung mit einem pastoralen Beruf glücklich werden können. Sie sind die ersten und wichtigsten Ansprechpartner, wenn es um die Berufswahl geht, und werden von der ‚Diözesanstelle Berufe der Kirche‘ und auch von den für die Ausbildung Verantwortlichen unterstützt. An diese Adressen können sich Interessierte auch direkt wenden.
Geht die Diözese Rottenburg-Stuttgart auch neue Wege, um junge Menschen für einen Dienst in der Kirche zu begeistern?
Da es in den verschiedenen theologischen Studiengängen zahlreiche Veränderungen gibt, sind wir dazu übergegangen, das pastorale Personal vor Ort über neue Entwicklungen zu informieren. So erfahren die Kolleginnen und Kollegen, wie viele Möglichkeiten es inzwischen gibt, um in der Pastoral der Diözese Rottenburg-Stuttgart zu wirken. Dazu kommen direkte Kontakte der in Rottenburg Verantwortlichen zu an pastoralen Berufen Interessierten – auch im Religionsunterricht. Dass mehrere hundert Schülerinnen und Schüler der katholischen Schulen in der Diözese zu Beginn des Jahres einen Tag an der Katholisch-Theologischen Fakultät Tübingen verbracht haben, ist eine ausgesprochen erfreuliche Entwicklung und wird sicher nicht das letzte Mal gewesen sein.
Das Berufsbild des Priesters scheint in einer Zeit, in der die Belastungen größer werden, nicht unbedingt attraktiv zu sein. Was würden Sie einem solchen Einwand entgegnen?
Der Beruf des Priesters ist inzwischen stark an die Leitung von Gemeinden gekoppelt. Hier bedarf es wieder einer größeren Vielfalt, zumal die Fähigkeit zu leiten nicht an die Weihe gekoppelt ist, wie ein Blick in die Gesellschaft zeigt. Wenn mehr geeignete Personen in diesem Bereich tätig werden, ergibt sich die Möglichkeit, den Priesterberuf wieder facettenreicher zu gestalten – was die Attraktivität gewiss steigert, wenn natürlich auch nicht alle Probleme gelöst werden, die den Weg in den Priesterberuf heute schwer machen.
Wie viele Menschen gibt es denn aktuell in der Diözese Rottenburg-Stuttgart, die in der Ausbildung für einen geistlichen Beruf sind?
Tatsächlich sind in unserer Diözese derzeit etwa 170 Menschen verschiedenen Alters in Studium und Berufseinführung auf dem Weg in einen pastoralen Beruf – junge Menschen nach der Schulzeit ebenso wie andere, die mitten im Beruf stehen, aber eine neue Herausforderung suchen. Je differenzierter die Ausbildungsangebote, desto mehr Leute lassen sich gewinnen – das ist die Erfahrung der vergangenen Jahre.
Und wie ist die Verteilung auf die einzelnen Berufsgruppen?
Eher nach oben entwickelt hat sich in den letzten Jahren die Zahl der Studierenden in Angewandter Theologie, was zum Beruf der Gemeindereferentin oder des Gemeindereferenten führt. Hier gibt es etwa 50 Studierende zurzeit. Auch das Interesse am Ständigen Diakonat ist bei uns mit aktuell circa 30 Personen in Ausbildung ungebrochen. Stark zurückgegangen ist seit zehn Jahren die Zahl derer, die sich für ein universitäres Theologiestudium entscheiden, um Pastoralreferent:in oder Priester zu werden. Waren es damals 140, sind es jetzt 100 weniger. Nicht vergessen werden dürfen die Menschen, die für das gymnasiale Lehramt an der Uni studieren. Wie kommt die Zahl 170 zustande? 50 Personen sind bereits in der Berufseinführung, der zweiten Phase der Ausbildung.
Können Sie in aller Kürze beschreiben, welche Berufung sich für wen anbietet?
Wer zügig zu einem Studienabschluss kommen will und Praxisorientierung schätzt, ist mit dem Studium der Angewandten Theologie, das auf zwölf verschiedenen Wegen möglich ist, gewiss gut bedient. Zu den Studierenden zählen auch Menschen in der Familienphase, was – wie beim Ständigen Diakonat – die Möglichkeit eines Fernstudiums erfordert. Oft entsteht ein Interesse an der wissenschaftlichen Theologie während des Religionsunterrichts in der Oberstufe. Wer diesem folgen möchte, sollte zum Studieren an die Uni gehen.
Nehmen wir an, jemand erfährt erst durch dieses Interview, dass der Weltgebetstag stattfindet. Was kann sie oder er tun, um sich auch im Anschluss an dieses Datum seiner Berufung zu vergewissern?
Wichtig ist, sich Zeit zu nehmen, über das eigene Leben nachzudenken. Ohne diesen ersten Schritt folgen keine weiteren. Dann ist es gut, das Gespräch mit einer Person des Vertrauens zu suchen, die einem nicht nach dem Mund redet und selbstständig zu denken versteht. Und schließlich stehen die ‚Diözesanstelle Berufe der Kirche‘ und die Hauptabteilung ‚Ausbildung pastorale Berufe‘ als Ansprechpartnerinnen zur Verfügung. Die Einladung steht: Komm und sieh.